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AKTION/991: Urgent Action - Aserbaidschan - Polizisten misshandeln Aktivisten


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-088/2012, AI-Index: EUR 55/004/2012, Datum: 20. März 2012 - we

Aserbaidschan
Polizisten misshandeln Aktivisten


Herr JAMAL ALI
Herr ETIBAR SALMANLI
Herr NATIG KAMILOV

Drei junge Aktivisten wurden in Polizeigewahrsam geschlagen und könnten nun Opfer von Folter werden. Sie wurden festgenommen, als sie bei einem friedlichen Protest in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ein Konzert gaben und dabei einer der drei Aktivisten die Familie des Präsidenten beschimpft hatte. Derzeit befinden sich die drei Männer in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt.

Am 17. März fanden sich mehrere Jugendorganisationen zu einer Kundgebung zusammen, mit der sie ein Ende der Korruption innerhalb des staatlichen Bildungssystems und die Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan forderten. Die Protestveranstaltung war nur unter der Bedingung genehmigt worden, dass sie am Stadtrand von Baku stattfinden würde. Trotz dieser Auflage versammelten sich etwa 1500 junge Menschen.

Während eines Auftritts des Sängers Jamal Ali und seiner Band, bei dem Jamal Ali ein Schimpfwort benutzte, lief einer der Demonstranten auf die Bühne und fragte Jamal Ali, wen er beleidigen wolle. Bevor Jamal Ali seinen Auftritt fortsetzte, fragte er die ZuschauerInnen: "Was ist an Beschimpfungen auszusetzen? Scheiß auf die Mutter von Ilham (Fuck Ilham's mother), hat irgendwer ein Problem damit?" Als daraufhin Etibar Salmanli, einer der Organisatoren, auf den Sänger zuging und ihn bat aufzuhören, stürzten sich bereits zivile und uniformierte PolizistInnen auf die beiden Männer sowie auf Natig Kamilov, ein weiteres Bandmitglied.

AugenzeugInnen gaben an, dass Jamal Ali und Natig Kamilov von PolizeibeamtInnen brutal geschlagen worden waren, bevor man alle drei Männer auf eine Polizeiwache brachte. Weder ihr Rechtsanwalt Anar Gasimli noch ihren Familien durften sie dort besuchen. Anar Gasimli wurde sogar unter Anwendung von Handgreiflichkeiten zum Verlassen der Wache gezwungen. Der Anwalt wartete dann vor dem örtlichen Gericht, da er davon ausging, dass man die drei Männer dort hinbringen würde. Er gab Amnesty International gegenüber an, dass seine Mandanten, als sie in das Gericht gebracht wurden, deutlich sichtbare Schlagverletzungen aufwiesen. Die drei Männer, die alle Mitte Zwanzig sind, wurden des "minderschweren Rowdytums" angeklagt. Sie erhielten jeweils Verwaltungshaftanordnungen von fünf bis zehn Tagen. Während der Anhörung erklärten sowohl Jamal Ali als auch Natig Kamilov, dass man sie auf der Polizeiwache sowie während ihrer Festnahme geschlagen habe.

Normalerweise werden Personen, die eine Verwaltungshaftstrafe erhalten haben, in eine Justizvollzugsanstalt gebracht. Die drei jungen Aktivisten befinden sich jedoch noch immer ohne Kontakt zur Außenwelt in Polizeigewahrsam. Es steht zu befürchten, dass sie dort gefoltert werden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Behörden in Aserbaidschan haben friedliche regierungskritische Proteste durch ein Demonstrationsverbot und die Inhaftierung von OrganisatorInnen und TeilnehmerInnen an Demonstrationen, wirksam kriminalisiert. Die Polizei löst friedliche Demonstrationen, die offiziell verboten sind, unter exzessiver Anwendung von Gewalt auf. Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen MenschenrechtsverteidigerInnen werden in Verbindung mit gesetzlichen und verwaltungstechnischen Maßnahmen dazu eingesetzt, zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich für Demokratie und Menschenrechte stark machen, zu schließen und die Anmeldung neuer Mitglieder zu verhindern.

JournalistInnen werden geschlagen, misshandelt und entführt, während gleichzeitig die Arbeit unabhängiger Medien durch gesetzliche Verbote eingeschränkt wird, die es ausländischen Rundfunksendern untersagen, auf aserbaidschanischen Frequenzen zu senden.

Neue Möglichkeiten, vom Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen, wie das Internet und soziale Medien, sind ebenfalls nicht frei nutzbar. Blogger und junge AktivistInnen werden zum Teil aufgrund falscher Anschuldigungen drangsaliert und inhaftiert. Die Regierung in Aserbaidschan erwägt derzeit, Methoden einzusetzen, mit denen man die Internetnutzung steuern und überwachen könnte. Aus Frustration über die immer stärker werdenden Kontrollmaßnahmen gingen im März und April 2011 hunderte Menschen auf die Straße, um demokratische Reformen und eine stärkere Achtung der Menschenrechte zu fordern.

Die Behörden erstickten diese ersten Anzeichen des öffentlichen Protests mit einer neuen Welle von Unterdrückung und Einschüchterungen. Nach den Protesten wurden 14 Personen wegen der Organisation oder der Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen verurteilt. Drei AktivistInnen wurden aufgrund von konstruierter Anschuldigungen festgenommen und inhaftiert: zwei junge Mitglieder der Opposition und ein Menschenrechtsverteidiger.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE, E-MAILS UND FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, Jamal Ali, Etibar Salmanli und Natig Kamilov sofortigen Zugang zu ihrem Anwalt und zu ihren Familien zu gewähren.

- Ich fordere sie zudem auf, sicherzustellen, dass die Polizei die Misshandlung der drei Aktivisten umgehend einstellt.

- Ich bitte Sie nachdrücklich, sofort eine Untersuchung der tätlichen Angriffe der PolizeibeamtInnen auf die Aktivisten einzuleiten.


APPELLE AN

GENERALSTAATSANWALT
Zakir Qaralov
7 Rafibeyli Street
Baku 370001
ASERBAIDSCHAN
(korrekte Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
Fax: (00 994) 12 492 32 30

OMBUDSPERSON
Elmira Suleymanova
40 Uz. Hajibeyov Street
Baku AZ1000
ASERBAIDSCHAN
(korrekte Anrede: Dear Ombudsperson / Sehr geehrte Frau Suleymanova)
Fax: (00 994) 12 498 23 65
E-Mail: ombudsman@ombudsman.gov.az


KOPIEN AN

PRÄSIDENT DER REPUBLIK ASERBAIDSCHAN
Ilham Aliyev
Office of the President of the Azerbaijan Republic
19 Istiqlaliyyat Street
Baku AZ1066
ASERBAIDSCHAN
Fax: (00 994) 12 492 0625
E-Mail: office@pa.gov.az

BOTSCHAFT DER REPUBLIK ASERBAIDSCHAN
S.E. Herrn Parviz Shahbazov
Hubertusallee 43, 14193 Berlin
Fax: 030-2191 6152
E-Mail: berlin@mission.mfa.gov.az


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch, Russisch, Aserbaidschanisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 1. Mai 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the authorities to allow Jamal Ali, Etibar Salmanli and Natig Kamilov immediate access to their lawyer and family visits.

- Calling on them to ensure that the police immediately stop ill-treating the activists.

- Urging them to order an immediate investigation into the police assault on the activists.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Drei der 17 als gewaltlose politische Gefangene betrachteten Häftlinge sind freigelassen worden, nachdem Amnesty International eine Kampagne für ihre Freilassung gestartet hatte. Während Aserbaidschan sich auf die Ausrichtung des Eurovisionswettbewerbs im Mai 2012 vorbereitet, befinden sich weiterhin 15 gewaltlose politische Gefangene in Haft. Viele von ihnen wurden nur deshalb inhaftiert, weil sie bei einem Protest im April 2011 friedlich von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht haben. Junge AktivistInnen und zivilgesellschaftliche Organisationen in Aserbaidschan haben sich der Forderung von Amnesty International nach der unverzüglichen und bedingungslosen Freilassung aller gewaltlosen politischen Gefangenen in Aserbaidschan angeschlossen.

Nachdem die aserbaidschanischen Presse am 5. März darüber berichtete, dass Babek Hasanov und Mahammad Majidli während ihrer Verlegung von Gefängnis Nr. 16 ins Gefängnis Nr. 14 geschlagen wurden, kamen spontan junge AktivistInnen zu einem Protest zusammen. Rund 60 AktivistInnen versammelten sich am Morgen des 6. März nahe der Akademie der Wissenschaften im Stadtteil Yasamal der Hauptstadt Baku, um die sofortige Freilassung und ein Ende der Misshandlungen aller gewaltlosen politischen Gefangenen zu fordern.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-088/2012, AI-Index: EUR 55/004/2012, Datum: 20. März 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2012