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EUROPA/428: Ungarn - Repressives NGO-Gesetz verstößt gegen EU-Recht


Amnesty International - Pressemitteilung vom 18. Juni 2020

Ungarn: Repressives NGO-Gesetz verstößt gegen EU-Recht

Amnesty International kommentiert das heutige Urteil des EuGH


BERLIN - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass das ungarische Gesetz zur Einschränkung der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen gegen EU-Recht verstößt. Dazu erklärt Dr. Dávid Vig, Direktor von Amnesty International in Ungarn:

"Es ist großartig, dass der Europäische Gerichtshof heute bestätigt, was Amnesty International seit Jahren beklagt: Das NGO-Gesetz verstößt eindeutig gegen EU-Recht, und es kann nicht bestehen bleiben. Die heutige bahnbrechende Entscheidung sendet eine sehr klare Botschaft an die ungarische Regierung, dass sie jeden Versuch der Stigmatisierung und Diskreditierung kritischer zivilgesellschaftlicher Organisationen unterbinden muss."

"Das ungarische Verfassungsgericht ist jetzt gefragt, seine Überprüfung des Gesetzes wieder aufzunehmen, eine Entscheidung zu treffen und das repressive Gesetz aufzuheben."

Janine Uhlmannsiek, Expertin für Europa und Zentralasien bei Amnesty International in Deutschland, ergänzt:

"Die heutige Entscheidung zeigt, dass das menschenrechtswidrige Vorgehen der ungarischen Regierung nicht ohne Konsequenzen bleibt. Das Gesetz behindert und diskreditiert die legitime und wichtige Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen in Ungarn und verletzt grundlegende Freiheits- und Vereinigungsrechte. Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Grundwerte der Europäischen Union."

"Die Regierung unter Viktor Orbán schränkt Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit seit Jahren immer weiter ein. Besonders mit Blick auf die bevorstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft sollte die Bundesregierung, von der ungarischen Regierung die Einhaltung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen einfordern."

Hintergrund

Die ungarische Regierung versucht, kritische Stimmen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Land massiv einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. NGOs, darunter auch die ungarische Amnesty-Sektion, sind immer wieder Schikanen und Diffamierungen durch Regierungsvertreter und regierungsnahe Medien ausgesetzt. Zudem wurden mehrere NGO-Gesetze verabschiedet, die zivilgesellschaftliches Engagement behindern und kriminalisieren.

Im Juni 2017 trat ein NGO-Gesetz nach russischem Vorbild in Kraft, das Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, verstärkt unter Kontrolle stellt und stigmatisiert. NGOs, die jährlich mehr als 24.000 Euro aus dem Ausland erhalten, müssen sich als "auslandsfinanzierte zivilgesellschaftliche Organisation" registrieren lassen und diese Bezeichnung in sämtlichen Veröffentlichungen angeben. Diese Bezeichnung dient nur dem Zweck, das Ansehen der betroffenen NGO zu beschädigen, indem der Eindruck erweckt wird, sie werde aus dem Ausland gesteuert.

Organisationen, die gegen diese Auflagen verstoßen, drohen hohe Geldstrafen sowie letztendlich ein Arbeitsverbot. Das Gesetz verletzt grundlegende Freiheits- und Vereinigungsrechte der Menschen in Ungarn. Die ungarische Amnesty-Sektion widersetzt sich dem Gesetz und hat gemeinsam mit anderen NGOs dagegen geklagt. Die EU-Kommission hat wegen des Gesetzes den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen und Klage gegen Ungarn eingereicht. Heute hat der EuGH in diesem Verfahren entschieden, dass das NGO-Gesetz gegen EU-Recht verstößt.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. Juni 2020
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2020

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