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FRAGEN/021: Indien - Widerstand gegen Bauxitabbau auf indigenem Land (ai journal)


amnesty journal 08/09/2013 - Das Magazin für die Menschenrechte

"Es geht nicht nur um den Heiligen Berg"

Interview mit Surya Shankar Dash von Ralf Rebmann



Im indischen Bundesstaat Odisha wehrt sich die indigene Gemeinschaft der Dongria Kondh seit Jahren gegen das Bergbauunternehmen Vedanta Resources, das auf ihrem Land Bauxit abbauen will. Der indische Dokumentarfilmer Surya Shankar Dash hat den Widerstand begleitet.


Frage: Im April 2013 hat der Oberste Gerichtshof in Indien entschieden, dass die Dongria Kondh selbst über die Zukunft ihres Territoriums entscheiden dürfen. Wie hat die Gemeinschaft dieses Urteil aufgenommen?

Surya Shankar Dash: Sie kritisieren das Urteil, weil es nicht eindeutig ist. Das Gericht befand, dass Dorfräte, die sogenannten "Gram Sabha", eine Entscheidung treffen sollen. Aber die "Gram Sabha" hatten bereits zuvor entschieden. Deshalb war die Angelegenheit ja vor Gericht. Das Urteil macht die Situation noch komplizierter und bietet Unternehmen und lokalen Behörden die Möglichkeit zur Manipulation. Die Dongria Kondh sind der Meinung, dass das Urteil Unternehmen bevorzugt und haben es deshalb kritisiert. Es kam zu großen Kundgebungen, bei denen sie deutlich sagten, dass sie die Bergbauvorhaben in ihren Wäldern und an ihrem heiligen Berg nicht erlauben werden.

Frage: Wie können Behörden oder Unternehmen die Entscheidung der Dorfbewohner beeinflussen?

Surya Shankar Dash: Die Dongria Kondh stehen unter großem Druck. Sie sind seit drei Jahren von Paramilitärs eingekreist und haben keine Möglichkeit, ihre Dörfer zu verlassen. Ich selbst konnte das Gebiet in den vergangenen drei Jahren nicht betreten. Es gibt jedoch Aktivisten, die es weiterhin dorthin schaffen. Die Bewohner wurden schikaniert, willkürlich festgenommen und teilweise gefoltert. Frauen wurden attackiert, um die Dorfbewohner einzuschüchtern. Wenn die Regierung eine freie und faire Entscheidung möchte, dann muss sie zuerst die Sicherheitskräfte abziehen, die weiterhin das Gebiet besetzt halten.

Frage: Was werden die Dongria Kondh angesichts des Urteils unternehmen?

Surya Shankar Dash: Die Gemeinschaft hat in der Vergangenheit versucht, die Bergbauunternehmen durch ihre physische Präsenz an der Arbeit zu hindern. Auf diese Weise wollen sie weitermachen. Trotz der Militärpräsenz der vergangenen drei Jahre haben sie es geschafft, Straßen und Baumaschinen zu blockieren. Es waren immer gewaltfreie Formen des Widerstands, wie wir sie von Gandhi und der indischen Freiheitsbewegung kennen. Sie nutzen ihren Körper als Waffe, aber friedlich und ohne Anwendung von Gewalt.

Frage: Welchen Einfluss hat der Widerstand der Dongria Kondh auf andere indigene Gemeinschaften in Indien?

Surya Shankar Dash: Die Dongria Kondh haben andere Bewegungen inspiriert und diese wiederum die Dongria Kondh. Wenn man benachbarte Konflikte betrachtet, ist ihre Bewegung jedoch vergleichsweise neu. Ein anderer Konflikt spielt sich bereits seit mehr als zwanzig Jahren im benachbarten Kashipur ab, rund 50 Kilometer von den Niyamgiri-Bergen entfernt. Dort wurden 500 Personen unter falschen Anschuldigungen festgenommen. Odisha hat eine lange Geschichte des Bergbaus und gleichzeitig eine lange Geschichte des Widerstands. Aus diesem Grund gibt es viele lokale Bewegungen - die Dongria Kondh sind eine der jüngsten.

Frage: Wie hat sich die Bewegung über die Jahre verändert?

Surya Shankar Dash: Die Dongria Kondh haben gemerkt, dass ihr Widerstand global wahrgenommen wird und dass er über den lokalen Konflikt hinausweist. Es geht nicht nur um ihren heiligen Berg. Die Dongria Kondh stehen für den Konflikt zwischen Wirtschaftsinteressen und Ökologie im Allgemeinen - in ihrer Region und auf der ganzen Welt.

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Quelle:
amnesty journal, August/September 2013, S. 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2013