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MELDUNG/012: Nachrichten - August/September 2010 (ai journal)


amnesty journal 08/09/2010 - Das Magazin für die Menschenrechte

NACHRICHTEN

Kuba - Kuba will politische Gefangene freilassen
USA - Beispiellose Anhörung im Fall von Troy Davis
Israel/Gazastreifen - Gaza-Blockade trifft die Schwächsten
Ägypten - Tod eines Bloggers
Deutschland - Zehntausende unterschreiben Petition für mehr Gleichbehandlung

Kuba will politische Gefangene freilassen

KUBA - Die Regierung von Raúl Castro hat angekündigt, 52 gewaltlose politische Gefangene freizulassen. "Das ist ein großer und wichtiger Schritt hin zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage auf der Karibikinsel", erklärte Maja Liebing, Kuba-Expertin der deutschen Amnesty-Sektion. "Es gibt allerdings keinen Grund, warum nicht alle Gefangenen sofort, sondern, wie von der Regierung in Havanna angekündigt, teilweise erst in den nächsten drei bis vier Monaten entlassen werden sollen." Die Männer sind seit der großen Verhaftungswelle im März 2003 im Gefängnis und wurden einzig aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert. Einige Gefangene konnten mittlerweile mit ihren Familien nach Spanien ausreisen. Unklar ist, ob die Dissidenten freiwillig Kuba verließen. Eine erzwungene Ausreise wäre ein weiterer Versuch, die Meinungsfreiheit auf der Insel zu unterdrücken.

Ein von Amnesty als gewaltloser politischer Gefangener anerkannter Häftling ist bislang von den Freilassungsplänen ausgenommen. Der Anwalt Rolando Jiménez Posada wurde wegen "Missachtung der Staatsgewalt und Verrat von Geheimnissen der Staatssicherheitspolizei" zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er friedlich seine Unterstützung für die politischen Gefangenen erklärt hatte. Amnesty fordert die Regierung auf, ihn sofort und bedingungslos freizulassen. Ende Juni kam bereits der Menschenrechtler Darsi Ferrer frei.

Die Entlassung der gewaltlosen politischen Gefangenen allein reicht nach Meinung von Liebing jedoch nicht aus, um die Menschenrechte auf Kuba zu garantieren. Notwendig seien zudem umfassende rechtliche Reformen, da sonst eine erneute Inhaftierung dieser oder anderer Dissidenten jederzeit wieder möglich sei. Erst kürzlich hat Amnesty einen Bericht zur Meinungsfreiheit auf Kuba veröffentlicht. Demzufolge unterliegen Zeitungen, Rundfunk und Internet der strikten staatlichen Kontrolle.


Beispiellose Anhörung im Fall von Troy Davis

USA - In einer beispiellosen Anhörung haben sieben von neun Zeugen ihre Aussagen gegen den Afroamerikaner Troy Davis zurückgezogen, der seit 19 Jahren in den USA in einer Todeszelle sitzt. Mehrere Zeugen gestanden, sie hätten aus Angst vor der Polizei behauptet, Davis habe 1989 den weißen Polizisten Mark McPhail ermordet. Der Oberste Gerichtshof der USA will nun eine Wiederaufnahme des Falls prüfen. Davis sitzt seit 1991 in der Todeszelle und hat bereits drei Mal erreicht, dass die Vollstreckung der Strafe ausgesetzt wurde. Er wurde ausschließlich aufgrund der damaligen Zeugenaussagen zum Tode verurteilt. Eine Tatwaffe, konkrete Beweise oder DNA-Spuren, die auf Davis als Täter hingedeutet hätten, wurden nie gefunden. Im August 2009 sprach der Oberste Gerichtshof Davis das Recht auf eine neue Anhörung zu. Es war das erste derartige Urteil seit Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA im Jahr 1976.


Gaza-Blockade trifft die Schwächsten

ISRAEL/GAZASTREIFEN - Amnesty International hat eine internationale Untersuchung der israelischen Militäraktion gegen die Schiffsflotte verlangt, die Ende Mai Hilfslieferungen in den Gazastreifen bringen wollte. Zwar liegt die Hauptverantwortung der vollständigen Aufklärung der Militäraktion bei der Regierung in Tel Aviv. Eine israelische Untersuchung allein reicht jedoch nicht aus, da der Vorfall nach Auffassung der Organisation eine internationale Dimension hat. Israel soll deshalb die entsprechenden UNO-Experten einladen.

Darüber hinaus fordert Amnesty International ein sofortiges Ende der fast dreijährigen Blockade des Gazastreifens. Die beschränkte Einfuhr von Lebensmitteln, Medikamenten, Unterrichts- und Baumaterialien stellt eine völkerrechtswidrige kollektive Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung in Gaza dar und trifft vor allem die Schwächsten. Die Blockade verhindert nicht nur den Wiederaufbau des Gazastreifens. Sie verbietet auch den Export und verhindert damit jede wirtschaftliche Entwicklung.


Tod eines Bloggers

ÄGYPTEN - Die ägyptische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Polizisten, die für den Tod des 28-jährigen Bloggers Khaled Said verantwortlich sein sollen. Die beiden Polizisten hatten den jungen Mann, der ein Video über korrupte Beamte veröffentlicht hatte, am 6. Juni in der Hafenstadt Alexandria aus einem Internetcafe gezerrt und auf ihn eingeschlagen, bis er seinen Kopfverletzungen erlag.

In dem offiziellen Bericht wurde Drogenmissbrauch als Todesursache aufgeführt. Doch Bilder der Leiche zeigen schwere Wunden, die nicht mit dem Tathergang in Einklang zu bringen sind, wie ihn die Behörden geschildert haben.

Der gewaltsame Tod des Bloggers hatte in Ägypten ungewöhnlich heftige Proteste ausgelöst. So beteiligten sich Ende Juni mehrere tausend Menschen an einer Demonstration in Alexandria. Anders als sonst üblich, schritt die Polizei nicht ein, selbst als regierungskritische Parolen gerufen wurden.

Das seit fast drei Jahrzehnten geltende Ausnahmerecht gibt Polizei und Justiz nahezu unbeschränkte Macht. Jeder kann ohne Grund festgenommen, misshandelt und inhaftiert werden. Es kommt daher äußerst selten vor, dass Beamte sich wegen Misshandlungen und Folter vor Gericht verantworten müssen.


Zehntausende unterschreiben Petition für mehr Gleichbehandlung

DEUTSCHLAND - Mehr als 50.000 Europäer haben mit ihrer Unterschrift die Bundesregierung aufgefordert, ihren Widerstand gegen die neue EU-Gleichbehandlungsrichtlinie aufzugeben und damit zur Beendigung von Diskriminierung in Europa beizutragen. Am 7. Juli übergab die Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, Monika Lüke, die Petitionen dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning. Die zuständige Bundesministerin Kristina Schröder war nicht bereit, sie entgegenzunehmen und mit Amnesty zu sprechen.

Amnesty kritisiert die Blockadehaltung der Bundesregierung. Sie verkenne offenbar die Tatsache, dass Millionen Menschen in Europa der Rechtsschutz gegen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung, Religionszugehörigkeit, Alter oder Behinderung verweigert wird.


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Quelle:
amnesty journal, August/September 2010, S. 14+16
Herausgeber: amnesty international
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Telefon: 0228/98 37 30, E-Mail: info@amnesty.de
Redaktionsanschrift: Amnesty International, Redaktion amnesty journal,
Postfach 58 01 61, 10411 Berlin, E-Mail: ai-journal@amnesty.de,
Internet: www.amnesty.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2010