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MELDUNG/207: Geheimdienst vor fiktivem Gericht


Amnesty International - 14. Oktober 2016

Geheimdienst vor fiktivem Gericht


14. Oktober 2016 - Der BND hat uns alle massenhaft und anlasslos überwacht. Am 22. Oktober 2016 kommt der Geheimdienst in Berlin vor Gericht - in einem besonderen Theaterstück im Gorki-Theater.

Den Livestream zur Veranstaltung finden Sie auf
www.geheimdienste-vor-gericht.de

Ein Stück zwischen Realität und Fiktion. Die Realität: Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND hat Gesetze gebrochen, seine Kontrolleure getäuscht und gemeinsam mit der NSA massenhaft und anlasslos uns alle überwacht. Die Fiktion: Das Volk legt Beschwerde ein und darüber verhandelt ein Gericht.

Die Verhandlung soll transparent und nachvollziehbar für alle Betroffenen sein. Um allen die Möglichkeit zu geben, Beobachter des Gerichtsprozesses zu werden, kann die Verhandlung auch im Internet über einen Livestream verfolgt werden.

Glaubt man den Geheimdiensten, kann Sicherheit nicht garantiert werden, ohne E-Mails und Telefonate flächendeckend zu überwachen. Doch was passiert wirklich, wenn die Dienste alle Kontrollen unterlaufen und Gesetze eigenmächtig auslegen? Haben sich unsere Geheimdienste verselbstständigt? Was haben wir zu verlieren, wenn alle überwacht werden? Und gibt es auch etwas zu gewinnen?

Das Menschenrecht auf Privatsphäre

Als der Whistleblower Edward Snowden 2013 enthüllte, dass die "Five Eyes"-Staaten weltweit massenhaft unsere Kommunikation überwachen, war die Empörung auch in Deutschland groß. Zu Recht, denn anlasslose Massenüberwachung verletzt das Menschenrecht auf Privatsphäre. Sie stellt uns alle unter Generalverdacht, statt Kräfte dort zu bündeln, wo es tatsächlich einen konkreten Verdacht gibt.

Der deutsche Bundestag richtete einen Untersuchungsausschuss ein, um die enthüllte Spionage aufzuklären. Dabei kam heraus, dass auch der BND eng mit der NSA zusammengearbeitet hat. Er hat Kommunikation im Ausland nahezu schrankenlos überwacht, auch wenn es keinen Verdacht gab. Auch Menschenrechtsorganisationen gehörten zu seinen Zielen.

Wer fürchten muss, anlasslos überwacht zu werden, traut sich oft nicht, seine Rechte wahrzunehmen. Wer weiß, dass Informationen über seine Anrufe, E-Mails und Aufenthaltsorte gespeichert werden, überlegt sich vielleicht dreimal, ob er wirklich die HIV-Beratungsstelle anruft, jede Woche zum Gewerkschaftstreffen geht oder per Telefonkette eine Demonstration organisiert. Deshalb stehen mit der Privatsphäre gleichzeitig weitere Menschenrechte auf dem Spiel.

Expertinnen und Experten auf der Bühne

Amnesty International, die Humanistischen Union und der Chaos Computer Club stellen den BND nun vor ein fiktives Gericht. Dort prallen Menschen mit verschiedenen Haltungen aufeinander. Die Inszenierung wird getragen von Expertinnen und Experten des öffentlichen Lebens. Folgende Personen sind beteiligt: Manfred Krause (ehemaliger Richter am VG Schleswig-Holstein), Dieter Deiseroth (ehemmaliger Richter am Bundesverwaltungsgericht), Rosemarie Will (ehemalige Richterin am Landesverfassungsgericht Brandenburg), Constanze Kurz (Sprecherin des Chaos Computer Club), Rüdiger Söhnen (ehemaliger Richter am OLG Dresden), Klaus Landefeld (Branchenverband eco) und Hans-Christian Ströbele (dienstältestes Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste).

Sie ringen auf der Bühne um Fragen, die in ihrem tatsächlichen Berufsleben und politischen Schaffen eine zentrale Rolle spielen. Es sind zugleich Fragen und Vorwürfe, die derzeit in den Medien und dem Deutschen Bundestag verhandelt werden. Was in Zeiten technischen Fortschritts immer unübersichtlicher und in Zeiten erhöhter Terrorgefahr immer brisanter wird, soll nachvollziehbar für die verhandelt werden, die es betrifft: das Publikum.

Amnesty setzt sich dafür ein, dass das Menschenrecht auf Privatsphäre gewahrt bleibt. Doch nun hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Reformierung des BND formuliert. Das geplante Gesetz soll die menschenrechtswidrige und massenhafte Überwachung des BND im Nachhinein gesetzlich legitimieren.


Weitere Informationen zum Thema "Massenüberwachung und Meinungsfreiheit" finden Sie unter:
https://www.amnesty.de/2015/6/12/massenueberwachung-stoppen-privatsphaere-schuetzen

Weitere Informationen zur Veranstaltung unter:
https://www.amnesty.de/veranstaltung/geheimdienste-vor-gericht-eine-volksbeschwerde

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Quelle:
Mitteilung vom 14. Oktober 2016
https://www.amnesty.de/2016/10/14/geheimdienst-vor-fiktivem-
gericht?destination=startseite
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2016

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