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MELDUNG/343: Amnesty-Todestrafen-Bericht 2019 - Weltweit weniger Hinrichtungen


Amnesty International - Pressemitteilung vom 20.04.2020

Amnesty-Todestrafen-Bericht 2019: Weltweit weniger Hinrichtungen, doch Rekordzahl an Exekutionen in Saudi-Arabien


  • Niedrigste Anzahl dokumentierter Hinrichtungen seit zehn Jahren: Amnesty dokumentiert 657 Hinrichtungen in 20 Ländern - die Zahl der Hinrichtungen weltweit sank um fünf Prozent
  • Entgegen dem globalen Trend nahm die Zahl der Hinrichtungen in Saudi-Arabien, Irak, Südsudan und Jemen stark zu
  • Nach China an zweiter Stelle: 251 Menschen im Iran hingerichtet - darunter vier Minderjährige
  • Mindestens 2.307 neue Todesurteile in 56 Ländern


BERLIN - Amnesty International sieht die Staatengemeinschaft insgesamt auf einem guten Weg zur Abschaffung der Todesstrafe, dennoch bleiben rund 20 Staaten dafür verantwortlich, dass auch letztes Jahr tausende Menschen hingerichtet wurden. Dies zeigt der heute veröffentlichte globale Bericht zur Todesstrafe 2019 von Amnesty International. Die saudischen Behörden haben im vergangenen Jahr 184 Menschen hinrichten lassen - das ist die höchste Zahl innerhalb eines Jahres, die Amnesty International je für Saudi-Arabien dokumentiert hat.

Damit stellt sich Saudi-Arabien, wie auch der Irak, der Jemen und Südsudan, dem globalen Trend entgegen, denn weltweit nahm die Zahl der Hinrichtungen im vierten Jahr in Folge ab, von mindestens 690 im Jahr 2018 auf mindestens 657 im Jahr 2019 - die niedrigste Zahl seit zehn Jahren.

Die fünf Länder mit den meisten Hinrichtungen 2019 waren China (Tausende), Iran (mindestens 251), Saudi-Arabien (184), Irak (mindestens 100) und Ägypten (mindestens 32). Amnesty registrierte im Laufe des Jahres 2019 mindestens 2.307 neue Todesurteile in 56 Ländern, im Vergleich zu 2.531 in 54 Ländern in 2018 (China jeweils ausgenommen).

Im Ländervergleich von Amnesty bleibt China unberücksichtigt, da die Zahl der Hinrichtungen, die Amnesty auf Tausende schätzt, dort nach wie vor als Staatsgeheimnis behandelt wird. Auch weitere Staaten mit einer hohen Zahl von Hinrichtungen, darunter Iran, Nordkorea und Vietnam, hielten 2019 das wahre Ausmaß der vollstreckten Todesurteile weiterhin geheim.

"Die Todesstrafe ist mit den grundlegenden Menschenrechten unvereinbar und gehört endlich weltweit abgeschafft. Die überwiegende Mehrheit der Staaten erkennt dies an und wir müssen die internationale Aufmerksamkeit verstärkt auf die kleine Gruppe von Staaten lenken, die Jahr für Jahr Menschen hinrichten", mahnt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. "Amnesty International beobachtet mit Sorge, dass trotz der weltweit geringeren Zahl von dokumentierten Hinrichtungen, einige Länder 2019 mehr Menschen hingerichtet haben: So wurde in Saudi-Arabien die Todesstrafe auch gezielt als Waffe gegen Oppositionelle eingesetzt und wir mussten im Irak im letzten Jahr eine sprunghafte Zunahme der Hinrichtungen beobachten", so Beeko.

Großteil der dokumentierten Hinrichtungen in der Region Naher Osten und Nordafrika

Nur 20 Länder waren 2019 für alle bekannten Hinrichtungen weltweit verantwortlich. China ausgenommen, fanden 88 Prozent aller Exekutionen in der Region Naher Osten und Nordafrika statt. 2019 wurden in Saudi-Arabien an 184 Menschen - sechs Frauen und 178 Männer - das Todesurteil vollstreckt, mehr als die Hälfte davon waren ausländische Staatsangehörige. 2018 lag die Zahl der Hinrichtungen in Saudi-Arabien bei 149.

Die meisten Todesurteile in Saudi-Arabien ergingen wegen Drogendelikten und Mordes. Amnesty International musste jedoch auch den Einsatz der Todesstrafe als politische Waffe gegen Dissidenten aus der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien dokumentieren: Am 23. April 2019 fand eine Massenhinrichtung von 37 Personen statt, unter denen sich 32 schiitische Männer befanden. Sie waren auf der Grundlage von "Geständnissen" verurteilt worden, die sie unter Folter ablegten.

Zu den Personen, die am 23. April exekutiert wurden, gehörte auch Hussein al-Mossalem. Er war während der Einzelhaft Schlägen mit einem elektrischen Stock und anderen Formen der Folter ausgesetzt und erlitt zahlreiche Verletzungen, darunter eine gebrochene Nase, ein gebrochenes Schlüsselbein und einen Beinbruch.

Im Iran wurden im Jahr 2019 mindestens 251 Menschen hingerichtet, während es im Vorjahr mindestens 253 waren. Vier der Hingerichteten waren zum Zeitpunkt der Tat noch minderjährig. Mangelnde Transparenz erschwert zudem die Feststellung der genauen Anzahl von Hinrichtungen, die möglicherweise viel höher liegt.

In einem Fall haben die iranischen Behörden am 25. April 2019 zwei Jungen, Mehdi Sohrabifar und Amin Sedaghat, heimlich im Gefängnis von Adelabad in Shiraz in der Provinz Fars hingerichtet. Sie waren bei ihrer Festnahme beide 15 Jahre alt und wurden nach einem unfairen Verfahren wegen des mehrfachen Vorwurfs der Vergewaltigung verurteilt. Sie waren bis unmittelbar vor ihrer Hinrichtung nicht informiert worden, dass sie zum Tode verurteilt worden waren. Ihre Körper wiesen zudem Spuren von Peitschenhieben auf.

Im Irak hat sich die Zahl der hingerichteten Personen fast verdoppelt, von mindestens 52 im Jahr 2018 auf mindestens 100 im Jahr 2019. Diese dramatische Entwicklung ist weitgehend auf die fortgesetzte Anwendung der Todesstrafe gegen Personen zurückzuführen, die beschuldigt werden, dem "Islamischen Staat" anzugehören.

Positive Entwicklung zur Abschaffung der Todesstrafe

Weltweit haben 106 Länder die Todesstrafe per Gesetz für alle Straftaten abgeschafft. 142 Länder haben die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.

Außerdem haben mehrere Länder positive Schritte zur Beendigung der Anwendung der Todesstrafe eingeleitet. So kündigte der Präsident von Äquatorialguinea im April 2019 an, dass seine Regierung ein Gesetz zur Abschaffung der Todesstrafe erlassen werde. Positive Entwicklungen, die zur Überwindung der Todesstrafe führen könnten, gab es auch in der Zentralafrikanischen Republik, in Kenia, Gambia und Simbabwe.

In den Vereinigten Staaten hat der Gouverneur von Kalifornien ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen eingeführt. Kalifornien ist der US-Bundesstaat mit der größten Zahl zum Tode verurteilter Häftlinge. Gleichzeitig wurde New Hampshire der 21. US-Bundesstaat, der die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft hat.

"Amnesty International fordert die verbleibenden Staaten auf, die Todesstrafe ohne "wenn und aber" abzuschaffen. Es braucht weiter den entschlossenen Druck der internationalen Staatengemeinschaft auf diese letzten Staaten, die weiterhin an dieser grausamen unmenschlichen Praxis festhalten", so Markus N. Beeko.


Den englischsprachigen Bericht sowie weiteres Material in deutscher Sprache finden Sie auf:
amsty.de/gbgob

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Quelle:
Pressemitteilung vom 20. April 2020
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2020

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