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NAHOST/168: Ägypten - Todesurteil gegen Mursi ist eine Farce


Amnesty International - Meldung vom 16. Mai 2015

Ägypten: Todesurteil gegen Mursi ist eine Farce


16. Mai 2015 - Ein ägyptisches Gericht hat am 16. Mai die Todesstrafe gegen den früheren Präsidenten Mohamed Mursi und 105 weitere Personen empfohlen. Die Verfahren waren in höchstem Maße unfair. Nach Auffassung von Amnesty International verdeutlicht dieses Urteil den verheerenden Zustand des Strafjustizsystems in Ägypten.

"Das Todesurteil gegen Mohamed Mursi nach mehreren unfairen Verfahren zeugt von einer völligen Missachtung der Menschenrechte. Die strafrechtlichen Verfahren gegen ihn verstießen bereits gegen alle Grundsätze der Fairness, noch bevor er einen Fuß in den Gerichtssaal gesetzt hatte. Er wurde monatelang ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne gerichtliche Kontrolle festgehalten. Zudem hatte er während der Ermittlungen keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Angesichts dieser Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze können diese Verfahren nur als Farce bezeichnet werden, deren Entscheidungen null und nichtig sind", so Said Boumedouha, stellvertretender Direktor für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International.

"Die ägyptischen Behörden sollten alle Aussagen ignorieren, die sie von Mohamed Mursi oder anderen Gefangenen erhalten hatten, als diese an unbekannten Orten ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten worden waren. Mohamed Mursi muss entweder sofort freigelassen werden oder ein neues Verfahren vor einem Gericht der zivilen Justizbehörden erhalten, das internationalen Standards für faire Verfahren entspricht", so Boumedouha.

"Die Verhängung der Todesstrafe ist ein beliebtes Instrument, um die politische Opposition zum Schweigen zu bringen. Die meisten der seit Juli 2013 zum Tode Verurteilten waren Mursi-Anhänger. Die Verfahren laufen offenbar nach der einfachen Devise: Wer Mursi unterstützt, wird zum Tode oder zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Ägypten muss jedoch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Justizwesens sicherstellen und all diejenigen vor Gericht stellen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind", so Mohamed Elmessiry, Ägypten-Experte bei Amnesty International.

Das Gericht empfahl die Todesstrafe gegen Mohamed Mursi und 105 weitere Angeklagte, darunter führende Mitglieder der Muslimbruderschaft. Sie wurden für schuldig befunden, während der "Revolution vom 25. Januar" Gefängnisausbrüche organisiert zu haben, die von den Organisationen Hamas und Hisbollah unterstützt wurden.

Die Prozessakte ist an die oberste religiöse Autorität des Landes, dem Großmufti, zur Beratung vorgelegt worden. Dies ist das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren, bevor ein Gericht ein Todesurteil verhängen kann. Wenn Mohamed Mursi und die übrigen Angeklagten am 2. Juni tatsächlich zum Tode verurteilt werden, können gegen die Todesurteile Rechtsmittel vor dem obersten Gericht Ägyptens, dem Kassationsgericht, einlegen.

Hintergrundinformation zum Thema Todesstrafe

Amnesty International lehnt die Todesstrafe ausnahmslos ab, unabhängig von der Art oder den Umständen der Straftat, der Schuld, Unschuld oder anderen Eigenschaften der Straftäterinnen und Straftäter und der angewendeten Hinrichtungsart. Sie verstößt gegen das Recht auf Leben, das durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte garantiert wird, und stellt die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste Form von Strafe dar.

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Quelle:
Meldung vom 16. Mai 2015
http://www.amnesty.de/2015/5/16/aegypten-todesurteil-gegen-mursi-ist-eine-farce?destination=node%2F2817
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2015

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