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AFRIKA/224: Algerien - 30. Jahrestag des "Berber-Frühlings"


Presseerklärung vom 16. April 2010

30 Jahre Berber-Frühling in Algerien (20.4.)

Nordafrikas Ureinwohner warten noch immer auf Anerkennung ihrer Kultur


Berber in aller Welt werden am kommenden Wochenende an die Niederschlagung des "Berber-Frühlings" in Algerien 1980 erinnern und der Toten des "Schwarzen Frühlings" 2001 gedenken. "Die Berber warten noch immer auf die Anerkennung ihrer Sprache und Kultur. Doch bis heute verweigern die Regierungen der arabischen Nationalstaaten in Nordafrika dieser ethnischen Gruppe die Gleichberechtigung mit den Arabern", kritisierte der Afrikareferent der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Ulrich Delius, anlässlich des 30. Jahrestages der Niederschlagung der friedlichen Protestbewegung der Ureinwohner (20. April).

Im Frühjahr 1980 hatten Berber in Tizi-Ouzou, der Hauptstadt ihres Hauptsiedlungsgebietes Kabylei im Norden Algeriens, nach Demonstrationen gegen ihre Unterdrückung die Universität, das Krankenhaus und einige Fabriken besetzt. Polizisten und Soldaten stürmten die Gebäude am 20. April. Dies war der Beginn eines massiven Militäreinsatzes und einer bis dahin beispiellosen Verhaftungswelle von führenden Berber-Vertretern.

Am 18. April 2001 wurden bei friedlichen Demonstrationen der Berber in der Kabylei 132 Angehörige der ethnischen Minderheit von Sicherheitskräften erschossen. "Kein Polizist oder Soldat wurde bis heute für diese Morde vor Gericht zur Verantwortung gezogen", berichtete Delius. "Führende algerische Politiker, die für die Morde verantwortlich waren, erfreuen sich trotz des Massakers international größter Anerkennung. Denn wegen reicher Öl- und Erdgasvorräte in dem nordafrikanischen Land ignorieren die deutsche Bundesregierung und die Europäische Union die anhaltende Straflosigkeit in Algerien."

Die algerische Regierung hatte aufgrund der Proteste zwar einige Zugeständnisse gemacht und 1995 eine Behörde zur Förderung des Masirischen sowie 2002 die Berber-Sprache Tamazigh zur "nationalen Sprache" erklärt. Außerdem wurden in Algerien und Marokko Radio- und Fernsehsendungen in Tamazigh gestattet. Doch die von den Masiren geforderte Anerkennung ihrer Sprache als "Amtssprache" neben dem Arabischen wird noch immer verweigert.

"Viele Reformen sind nur Schönheitspflästerchen. Im Hintergrund betreiben Algerien wie Marokko weiter eine Politik der Arabisierung", sagte Delius. So könne das "Tamazigh" in den Schulen und Universitäten kaum Fuß fassen. Viele Berber sehen ihre Kultur und Identität als akut gefährdet an. Die Berber bezeichnen sich selbst als "Masiren" (freie Menschen). Schon vor der Unterwerfung Nordafrikas durch die Araber im 8. Jahrhundert siedelten Berber-Völker in der Region. Mehr als 30 Millionen Masiren leben heute in den Staaten Nordafrikas. In Marokko stellen sie die Hälfte der Bevölkerung, in Algerien mehr als zehn Millionen Menschen. Hunderttausende leben in Frankreich als Gastarbeiter.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 16. April 2010
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2010