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AFRIKA/288: Angola/Nigeria - Merkels Afrikareise - Energiepartnerschaft ohne Menschenrechte?


Presseerklärung vom 7. Juli 2011

Bundeskanzlerin reist nach Afrika (11.-14.7.)

Energiepartnerschaft ohne Menschenrechte?


Die von der Bundeskanzlerin auf ihrer Afrikareise in der kommenden Woche angestrebte Energiepartnerschaft mit Angola und Nigeria ist fragwürdig, weil sie deutsches Engagement für Menschenrechte unglaubwürdig macht. "Offensichtlich hat Deutschland nichts aus dem Sturz der Diktatoren in Nordafrika gelernt", kritisierte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Donnerstag in Göttingen. "Während die Bundesregierung in Tunesien den demokratischen Wandel preist, hofiert sie in Angola einen der brutalsten Diktatoren Afrikas, dessen Misswirtschaft an den gestürzten Ben Ali-Clan in Tunesien erinnert", sagte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. Der seit 32 Jahren herrschende Diktator José Edouardo Dos Santos wird beschuldigt, 32 Milliarden US-Dollars aus Öl-Einnahmen auf eigene Konten abgezweigt und in Europa und den USA in Immobilien und Bankkonten angelegt zu haben. Auch lässt er willkürlich Regimekritiker und Minderheiten zusammenknüppeln. Angela Merkel wird vom 11. bis 14. Juli 2011 Kenia, Angola und Nigeria besuchen.

Angola will im Jahr 2012 größter Ölproduzent Afrikas werden. Öllieferungen machen über 90 Prozente seiner Exporte aus. Ein Großteil des Öls wird in der Exklave Cabinda gefördert. Die 400.000 Einwohner der ehemaligen portugiesischen Kolonie protestieren seit Jahren gegen die schwerwiegenden ökologischen Folgen der Ölförderung. Proteste der Urbevölkerung lässt Angola aber mit Gewalt von den 40.000 in der Exklave stationierten Soldaten niederschlagen.

Systematisch werden nicht nur bewaffnete Rebellen, sondern auch Menschenrechtler verfolgt. So wurde die angolanische Bürgerrechtsorganisation Mpalabanda im Jahr 2006 verboten, nachdem sie über Menschenrechtsverletzungen in Cabinda berichtet hatte. Mehrfach wurden Mitglieder der Organisation verhaftet. Am 20. Juni 2011 erwirkte Angola die Festnahme des ehemaligen Mpalabanda-Direktors Agostinho Chicaia im Kongo und betreibt zurzeit seine Auslieferung. Auch setzten die angolanischen Behörden beim Vatikan durch, dass drei katholische Priester im Land abberufen wurden, die sich für Frieden und Menschenrechte in Cabinda engagieren.

Auch in Nigerias bedeutendster Ölförderregion, dem Nigerdelta, ist die Menschenrechtslage katastrophal. Die Ölförderung schürt Umwelt- und Gesundheitsprobleme und zerstört die Lebensgrundlage der Ureinwohner des Deltas. Häufige Lecks in Ölpipelines verseuchen das Wasser und das Abfackeln von Erdgas verpestet die Luft. Obwohl Nigeria hunderte Milliarden Euro aus dem Ölexport eingenommen hat, ist das Delta sehr unterentwickelt. Mehr als 70 Prozent seiner Bewohner sind arbeitslos. Bürgerrechtsgruppen werfen multinationalen Ölkonzernen vor, für deren Profitgier gezielt nigerianische Gesetze und Umweltauflagen zu verletzen. "Bislang blieben die Energiekonzerne straflos, weil sie es geschickt verstehen, die Behörden zu korrumpieren. An dieser Misswirtschaft hat auch der neu gewählte nigerianische Präsident Jonathan Goodluck, der selbst aus dem Niger-Delta stammt, noch nichts ändern können."


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 7. Juli 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2011