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AFRIKA/698: Äthiopien - Begnadigung von Todeskandidaten ist wichtiges Zeichen


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 29. Mai 2018

Neue Töne aus Addis Abeba lassen auf Entspannung hoffen - Zeichen für Dialogbereitschaft in Äthiopien: Zum Tode verurteilter politischer Gefangener begnadigt


Göttingen, den 29. Mai 2018 - Mit Erleichterung hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) auf die Begnadigung des zum Tode verurteilten politischen Gefangenen Andargarchew Tsige in Äthiopien reagiert. "Dies ist ein wichtiges Zeichen an alle Regimekritiker, dass sich die äthiopische Regierung ernsthaft um einen Dialog mit der politischen Opposition bemühen will", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. Seit seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung aus dem Transitbereich eines Flughafens im Jemen vor vier Jahren saß der jetzt begnadigte Menschenrechtsaktivist, der sowohl die britische als auch die äthiopische Staatsbürgerschaft besitzt, in einer Todeszelle, davon ein Jahr in Isolationshaft. Die frühere äthiopische Regierung hatte ihn als Terroristen angesehen, des bewaffneten Aufstands beschuldigt und bereits im Jahr 2009 in Abwesenheit zum Tode verurteilen lassen.

"Vier Jahre lang drängten wir die Europäische Union, die Verschleppung des Demokratie-Aktivisten konsequenter anzuprangern und seine sofortige Freilassung zu verlangen", berichtete Delius. "Allzu groß war die Bereitschaft der EU nicht, sich für die Freilassung ihres Staatsbürgers einzusetzen. Denn man wollte die guten Beziehungen zu Äthiopiens Regierung nicht trüben. Daher sind wir heute umso glücklicher, dass Tsige endlich freikommt." Der ehemalige Generalsekretär des von den Behörden gefürchteten Demokratie-Netzwerks Ginbot 7 war bereits in den 70er-Jahren vor politischer Verfolgung nach Großbritannien geflohen. Mehrfach war er nach Äthiopien zurückgekehrt, musste dann aber immer wieder Schutz im Ausland suchen.

Seit dem Machtantritt des neuen Premierministers Aby Ahmed im März 2018 ist Bewegung in Äthiopiens Politik gekommen. Ahmed gehört der lange ausgegrenzten und verfolgten Bevölkerungsgruppe der Oromo an. Er bemüht sich um einen Dialog vor allem mit regierungskritischen Oromo und Amhara, die seit dem Jahr 2015 besonders entschieden gegen die Regierungspolitik protestiert hatten. Vor zweieinhalb Wochen lud Ahmed oppositionelle Oromo-Politiker zum politischen Dialog mit der Regierung ein.

"Dies ist der richtige Weg, um die äußerst angespannte politische Lage in Äthiopien zu entschärfen. Doch viele Fragen sind noch offen. So werden noch immer mehr als 20.000 Oromo vermisst, die in den vergangenen drei Jahren von Sicherheitskräften verhaftet oder verschleppt wurden. Dringend muss das Schicksal der Verschwundenen aufgeklärt werden", forderte Delius. Auch mahnte die GfbV ein Ende der schweren Menschenrechtsverletzungen in der rohstoffreichen Region Ogaden im Grenzgebiet zu Somalia an. Dort herrschen noch immer bürgerkriegsähnliche Zustände. Der Zugang zu der Region ist wegen staatlicher Auflagen sehr schwierig.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 29. Mai 2018
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2018

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