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AFRIKA/761: Algerien steht am Scheideweg nach dem Tod des mächtigen Armeechefs


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 23. Dezember 2019

Algerien steht am Scheideweg nach dem Tod des mächtigen Armeechefs

General Ahmed Gaid Salah stirbt an Herzversagen
Algeriens Demokratiebewegung verliert ihren größten Gegenspieler


Göttingen, den 23. Dezember 2019 - Nach dem plötzlichen Tod des mächtigen Armeechefs General Ahmed Gaid Salah stehe Algerien am Scheideweg, warnte die Gesellschaft für bedrohte Völker. "Algeriens Demokratiebewegung wird durch den Tod ihres größten Widersachers gestärkt. Es ist an der Zeit, dass sich Europa endlich intensiver mit der Zukunft Algeriens beschäftigt und Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit mehr fördert. Zu lange hat die Europäischen Union (EU) darauf gesetzt, dass der mächtige Armeechef demokratischen Wandel im Land verhindert", erklärte der GFBV-Direktor Ulrich Delius am Montag in Göttingen. General Ahmed Gaid Salah ist heute im Alter von 79 Jahren an Herzversagen gestorben. Mit massiven Interventionen der Sicherheitskräfte und der systematischen Blockade des Zugangs von Protestierenden zur Hauptstadt Algier wurde er in den letzten Monaten zum Feindbild der Demokratiebewegung, die vor allem von jungen Menschen getragen wird. Als der Druck der Straße zu groß wurde, erzwang er im April 2019 den Rücktritt des schwerkranken 82jährigen Staatspräsidenten Abdelaziz Bouteflika, dem er jahrelang treu ergeben war.

"Das Schicksal des größten Flächenstaates Afrikas kann Europa nicht gleichgültig sein", warnte Delius. Wenn im Nachbarland Libyen ein neuer Krieg mit internationaler Beteiligung drohe, dürfe Europa die tiefgreifenden Veränderungen in Algerien nicht länger ignorieren. Denn Algeriens junge Bevölkerung wolle nach Jahrzehnten des Stillstands endlich Veränderung und ein Ende der Misswirtschaft der alten Machtelite.

Bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung hatte der General ein hartes Vorgehen gegen Demonstrantinnen und Demonstranten eingefordert, die Fahnen der indigenen Masiren (Berber) öffentlich zeigten. Obwohl die Sprache der Masiren offiziell anerkannt ist, ließ der General Angehörige der Minderheit kriminalisieren und als "Staatsfeinde" anklagen.

International ließ sich der General für sein Engagement gegen die weit verbreitete Korruption feiern. So ließ er führende Repräsentanten des Machtzirkels um Staatspräsident Bouteflika vor Gericht stellen, um den Zorn der Bevölkerung auf die Verantwortlichen für die verbreitete Misswirtschaft zu kanalisieren und einzudämmen. "Tatsächlich wurden mit dieser Kampagne gegen Korruption aber vor allem alte Rechnungen innerhalb der Machteilte beglichen, statt wirksam Korruption zu bekämpfen", erklärte Delius. So kritisierte die Demokratiebewegung zurecht, der General sei jahrzehntelang ein Teil dieses Korruptionssystems gewesen, das er nun vorgebe zu bekämpfen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 23. Dezember 2019
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2019

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