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ASIEN/235: Afghanistan - humanitäre Katastrophe durch Massenabschiebungen


Presseerklärung vom 26. Februar 2008

Afghanistan: Mehr als 1.000 Menschen sterben in Schneechaos

Massenabschiebungen von Flüchtlingen verschärfen humanitäre Katastrophe


Nach dem Kältetod von mehr als 1.000 afghanischen Binnenflüchtlingen und verarmten Bauern seit Januar 2008 hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Dienstag vor Massenabschiebungen nach Afghanistan gewarnt. "Dort droht eine noch größere Tragödie, wenn in den nächsten Monaten wie geplant mehrere hunderttausend afghanische Flüchtlinge aus dem Nachbarland Iran abgeschoben werden", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. "Das tragische Schicksal so vieler Menschen, die im Schneechaos ihr Leben verloren haben, zeigt in dramatischer Weise, dass es weder die afghanischen Behörden noch internationale Hilfsorganisationen schaffen, weitere rückkehrende Flüchtlinge zu integrieren." Außerdem seien mehr als 300.000 Schafe, Rinder und Haustiere, die für das Überleben der Bauern existentiell wichtig waren, bei der Kältekatastrophe zu Tode gekommen.

Massive Schneefälle hat es vor allem in den vier im Westen des Landes gelegenen Provinzen Farah, Herat, Ghor und Badghis gegeben. Die Menschen dort erleben den kältesten Winter seit 30 Jahren. Doch gerade in diese besonders betroffenen Provinzen würde auch ein Großteil der afghanischen Flüchtlinge aus dem Iran verbracht. Das Nachbarland hatte im vergangenen Jahr bereits 360.000 afghanische Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgeschoben. "Zu Hause warten auf die meisten der Rückkehrer, die oft schon seit zwei Jahrzehnten im Iran lebten, nur Armut, Verelendung, Landverlust, Gewalt und neue Vertreibung", berichtete Delius. Bis 2009 will der Iran 80 Flüchtlingslager auflösen und rund eine Million Afghanen abschieben, die nicht offiziell als Flüchtlinge anerkannt sind. Weitere 900.000 Afghanen leben offiziell als Flüchtlinge registriert im Iran.

Mehrfach hatte die afghanische Regierung in den vergangenen Tagen an den Iran appelliert, keine weiteren Abschiebungen vorzunehmen. Bisher habe Afghanistan nicht einmal die 4,9 Millionen Flüchtlinge angemessen integrieren können, die seit dem Sturz der Taliban zurückgekehrt sind, sagte Delius. Wenn zwischen März und Mai das Tauwetter einsetze, drohten weiten Teilen des Landes verheerende Überschwemmungen, die die Lage der verarmten Landbevölkerung noch weiter erschweren werde, warnte die GfbV. Immer mehr Menschen in Afghanistan seien sechs Jahre nach dem Sturz der Taliban auf internationale Hilfe angewiesen. Dabei werde die Arbeit der Helfer immer schwieriger und gefährlicher, weil sich die Sicherheitslage stetig verschlechtere. Dies behindere nicht nur den Wiederaufbau, sondern auch die Reintegration von Rückkehrern. Betroffen von der Gewalt seien auch die Hilfsorganisationen, die 41 Mitarbeiter im Jahr 2007 beim Einsatz in Afghanistan verloren.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 26. Februar 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2008