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ASIEN/514: Peking erklärt Küchengeräten den Krieg


Presseerklärung vom 3. Juli 2013

Peking erklärt Küchengeräten den Krieg

China: Keine Küchenmesser mehr in Xinjiang - dafür aber noch mehr Panzer, Razzien und Denunziationen



Als "hilflos" und "absurd" bezeichnet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Anordnung der chinesischen Behörden, alle größeren Küchenmesser in Xinjiang (Ostturkestan) zu beschlagnahmen. "Nach der jüngsten Gewalteskalation sollen jetzt nicht nur alle Küchenmesser, deren Klinge länger als 15 Zentimeter ist, aus dem Verkehr gezogen werden. Ostturkestan drohen auch Massenverhaftungen, da die Sicherheitskräfte nach Ablauf von zehn Tagen auch "separatistische Propaganda-Schriften" beschlagnahmen wollen", berichtete der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. "Dies ist ein Freifahrtschein für die willkürliche Verhaftung tausender Uiguren, da alle Veröffentlichungen über Menschenrechtsverletzungen sowie über die Kultur und Geschichte der muslimischen Volksgruppe als 'separatistische Propaganda' angesehen werden."

"Wir verfolgen mit großer Sorge, dass in zahlreichen Städten der Region die Präsenz der Bereitschaftspolizei verstärkt wurde und gepanzerte Fahrzeuge die von Uiguren bewohnten Innenstädte oder Wohnviertel abriegeln", sagte Delius. "Doch zu einer Beruhigung trägt das nicht bei, sondern unterstreicht bei den einheimischen Uiguren nur den Eindruck einer chinesischen Besatzungsherrschaft. Das ist so kurz vor dem vierten Jahrestag der schweren Unruhen zwischen Uiguren und Han-Chinesen am 5. Juli besonders gefährlich." In der Provinzhauptstadt Urumtschi sind mehr als 1.000 Bereitschaftspolizisten im Einsatz. Dort wurden in den beliebtesten Stadtvierteln Polizeiposten im Abstand von nur einhundert Metern eingerichtet.

Statt Spannungen abzubauen und die Hintergründe der Gewalteskalation Ende Juni in Lukchan von unabhängiger Seite untersuchen zu lassen, schürt Peking nach Auffassung der GfbV die Gewalt. Auch der Aufruf zur Denunziation von "Separatisten", die mit bis zu 12.400 Euro belohnt werden soll, sei ein falsches Signal und trage nicht zur dringend notwendigen Vertrauensbildung bei.

In Lukchan kamen am 26. Juni bis zu 35 Menschen ums Leben, als aufgebrachte Uiguren eine Polizeiwache und ein Büro der Kommunistischen Partei angriffen. Zwei Tage später protestierten nahe der Stadt Hotan Uiguren gegen die Schließung einer Moschee und die Verhaftung eines religiösen Führers. Als die mehr als 200 Demonstranten begannen, die Polizeiwache zu bedrängen, eröffneten Polizisten das Feuer. Mindestens zwei Personen sollen dabei zu Tode gekommen sein.

Am 5. Juli 2009 wurden bei schweren Auseinandersetzungen in Urumtschi mindestens 200 Menschen getötet. Das Schicksal der meisten der mehr als 4.000 Uiguren, die damals verhaftet wurden, ist bis heute ungewiss. Dies schürt weiter die Spannungen zwischen Uiguren und zugewanderten Han-Chinesen, kritisiert die GfbV und fordert Aufklärung über den Verbleib der Inhaftierten.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 3. Juli 2013
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2013