Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

ASIEN/599: Afghanistan - Bundeswehreinsatz hat Warlords gestärkt


Presseerklärung vom 30. Dezember 2014

Afghanistan-Einsatz nach 13 Jahren beendet

Traurige Bilanz: Bundeswehreinsatz in Afghanistan hat Warlords gestärkt statt Demokratie und Frieden zu bringen



Nach Beendigung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisch Bilanz gezogen. "Es war ein Scheitern mit Ansage, denn spätestens seit dem Jahr 2006 rückte die Bundeswehr von ihrem Versprechen ab, mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung in Afghanistan zu verwirklichen. Stattdessen wurden Warlords und korrupte Machtstrukturen gestärkt, um den Anschein von Sicherheit zu wecken. Der Aufbau eines funktionierenden Rechtsstaates blieb dabei auf der Strecke", erklärte der GfbV-Asien-Experte Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. "Für die breite Zivilbevölkerung hat sich die Lage kaum verbessert. Dem Land droht nun eine Eskalation des Krieges. Menschenrechtler und Journalisten werden von den afghanischen Partnern der Bundeswehr bedroht, Frauenrechte missachtet, Minderheiten verfolgt und Straflosigkeit wird zum Staatsprinzip. Doch auch Afghanen haben ein Recht auf die Beachtung grundlegender Menschenrechte. Die westlichen Regierungen haben Hoffnungen geweckt, die sie nicht gehalten haben."

"Viele Bundeswehrsoldaten verlassen das Land enttäuscht, weil die deutsche Bundesregierung ihnen nicht schlüssig vermitteln konnte, warum sie immer wieder auf afghanischer Seite mit notorischen Kriegsverbrechern und Massenmördern zusammenarbeiten mussten", sagte Delius. "Nicht die Bundeswehrsoldaten haben versagt, sondern deutsche Bundesregierungen."

Die GfbV erinnert daran, dass die Zahl der verletzten oder getöteten Zivilisten im Jahr 2014 mit mehr als 10.000 Personen einen traurigen Rekord erreicht. Die Zahl der zivilen Toten hat gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozent zugenommen, die der getöteten Kinder sogar um 33 Prozent. Die Taliban stehen zur Erstürmung der Bastionen der afghanischen Armee bereit. Armee und Polizei Afghanistans können ihnen kaum etwas entgegensetzen. Mit mehr als 4.600 Toten in den eigenen Reihen war für sie das Jahr 2014 besonders blutig.

"Die Verantwortlichen für in den 90er-Jahren begangene Verbrechen an Hazara, Usbeken und Tadschiken sind straffrei geblieben", kritisierte Delius. "Um den Schutz von ethnischen und religiösen Minderheiten in dem Vielvölkerstaat steht es schlecht. Konvertiten müssen um ihr Leben fürchten." Die mehr als 1,5 Millionen Kuchi-Nomaden mussten aufgrund des Krieges ihre Herden aufgeben und sich ansiedeln. Heute verarmen sie immer mehr. Fast die Hälfte der ländlichen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Die erzwungene Rückkehr von Millionen Flüchtlingen schürt Landprobleme und Verarmung. Korruption ist alltäglich. Nur drei Staaten gelten weltweit als noch korrupter. Am schlimmsten ist die Korruption in der Justiz, die vom ehemaligen Staatspräsidenten Hamid Karzai gezielt mit islamistischen Richtern besetzt wurde. Die viel beschworenen Fortschritte im Bildungswesen sind nicht nachhaltig. Denn 68 Prozent der Kinder verlassen vor dem Ende der sechsten Klasse die Schule, um ihre verarmten Eltern zu unterstützen.

*

Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 30. Dezember 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2014


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang