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ASIEN/643: Tag der Suizidprävention - Selbstmordwelle unter Indiens Bauern dauert an


Presseerklärung vom 10. September 2015

Welttag der Suizidprävention (10.9.):

Selbstmordwelle unter Indiens Bauern hält weiter an Regierung muss endlich handeln


Zum Welttag der Suizidprävention hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) mehr Initiativen gefordert, um die erschreckende Selbstmordwelle unter Indiens verarmten Bauern einzudämmen. "Jeden Tag verüben in Indien 34 Bauern und Landarbeiter Selbstmord. Viele von ihnen sind verelendete Adivasi-Ureinwohner oder Dalits, so genannte "Unberührbare". Indiens Regierung darf den Freitod von jährlich mindestens 12.360 Bauern nicht länger verharmlosen und muss ihren vielen Ankündigungen einer wirksamerer Prävention endlich Taten folgen lassen", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Suizidprävention darf nicht darin bestehen, die alarmierenden Zahlen zu beschönigen oder Bauern zu verunglimpfen." 2014 haben sich in Indien insgesamt 131.000 Menschen das Leben genommen.

Die Suizidwelle unter der Landbevölkerung betrifft vor allem die Bundesstaaten Maharashtra, Andhra Pradesh, Karnataka, Madhya Pradesh und Chhattisgarh. Ein Großteil der rund 100 Millionen Adivasi-Ureinwohner lebt in ländlichen Regionen. Rund 60 Prozent der indischen Arbeitnehmer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. In den vergangenen zehn Jahren haben sich in Indien insgesamt rund 200.000 verzweifelte Bauern umgebracht.

Indiens Landwirtschaftsminister Radha Mohan Singh hatte im Juli 2015 die Hintergründe der Freitode heruntergespielt und erklärt, auch Liebeskummer und Alkoholmissbrauch verursachten Suizide. Zudem hatten die Behörden einen angeblichen Rückgang der Freitode auf dem Land gemeldet. Doch diese vermeintliche Erfolgsmeldung war nur durch einen Berechnungstrick erreicht worden. So halbierte sich im Jahr 2014 die Zahl der statistisch festgestellten Selbstmorde in ländlichen Regionen, in dem man nur noch Landeigentümer zählte, die zu Tode kamen, nicht jedoch Landarbeiter. "Diese Trickserei ist eine perfide Strategie, um das angeschlagene Ansehen der Regierung Narendra Modis zu retten", erklärte Delius. "Nachhaltige Landwirtschaftspolitik zur Förderung der besonders benachteiligten Kleinbauern sieht jedoch anders aus." Viele Bauern und Landarbeiter leiden unter chronischer Verschuldung und sind beim Ausbleiben von Ernten aufgrund von Extremwetter und Klimawandel existentiell gefährdet.

Indiens Bundesregierung hat sich wegen der Selbstmorde zwar erschüttert gezeigt, bislang aber keinen umfassenden Plan zur Suizidprävention vorgelegt. Die Regierung des besonders betroffenen Bundesstaates Maharashtra hingegen hat am 28. Juli 2015 ein umfassendes Maßnahmen-Paket beschlossen, das neben einer Senkung der Kreditzinsen von zwölf auf sechs Prozent, den Ausbau von Bewässerungsprojekten und andere Hilfen für Kleinbauern vorsieht. Allein im Bezirk Marathwada dieses Bundesstaates verübten 628 Bauern seit Januar 2015 Selbstmord. Mit 105 Toten im August 2015 erreichte die Suizidwelle dort einen neuen Höhepunkt. Zuvor hatte es eine Missernte in Maharashtra gegeben, weil es nur wenig geregnet hatte. Viele der Opfer gehören den im Bezirk Marathwada lebenden Adivasi-Gruppen der Bhil, Andh, Pardhi und Thakar an.

Der Welttag der Suizidprävention wurde von der International Association for Suizide Prevention (IASP) und der Weltgesundheitsorganisation WHO das erste Mal für den 10. September 2003 ausgerufen.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 10. September 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
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Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2015

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