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EUROPA/477: Schäuble verspricht serbischen Staatsbürgern Visafreiheit


Presseerklärung vom 11. Juni 2009

Schäuble verspricht serbischen Staatsbürgern Visafreiheit

Videos über Mladic entlarven amtierenden Präsidenten Serbiens
Balkanpolitik der Bundesregierung ist prinzipienlos!


Entrüstet über die Ankündigung von Innenminister Wolfgang Schäuble, die Visumspflicht für Staatsbürger Serbiens aufzuheben, hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Balkanpolitik der Bundesregierung als "prinzipienlos" bezeichnet. "Obwohl der wegen Genozidverbrechen in Srebrenica vom Tribunal in Den Haag gesuchte Hauptkriegsverbrecher Ratko Mladic beschützt von der serbischen Regierung offenbar ein lustiges Leben führen konnte, setzt sich Schäuble mit einem Parteifreund von Milosevic zusammen und verschafft dessen Bürgern Erleichterungen", kritisierte der GfbV-Bundesvorsitzende Tilman Zülch in Göttingen. Schäuble hat mit dem serbischen Innenminister Ivica Dacic am Donnerstag in Berlin gesprochen. Dacic war 1992-2000 Pressesprecher der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), von 2000-2003 Präsident des von der SPS geführten Stadtrates Belgrads und seit 2006 bis heute Präsident der Partei.

Am Donnerstag sind bei YouTube sechs Videos mit Sequenzen von Feiern und Begegnungen 1994 bis vermutlich Winter 2008/2009 aufgetaucht, in denen Ratko Mladic in Serbien oder in serbisch besetzten Gebieten Bosniens zu sehen ist. "Damit wird jetzt auch weltöffentlich, dass der amtierende serbische Präsident Boris Tadic sowie militärische und zivile Behörden Serbiens diesen Hauptkriegsverbrecher unterstützt haben", sagte Zülch. So trage Tadic als Verteidigungsminister für die Zeit vom 2001-2003 Verantwortung dafür, dass Mladic sich in verschiedenen Militäreinrichtungen Serbiens aufhalten konnte.

"Während die serbischen Täter also demnächst problemlos nach Deutschland reisen können, sollen die Mütter von Srebrenica, die Frauen aus den serbischen Vergewaltigungslagern, die überlebenden Opfer der serbischen Konzentrationslager Keraterm, Trnopolje, Omarska, Luke Brcko und Susica, die Einwohner der vier Jahre eingeschlossenen und bombardierten Olympiastadt Sarajevo weiter für ein Visum anstehen, um ihre Verwandten in Deutschland besuchen zu dürfen", empörte sich der Menschenrechtler. Es sei beschämend, dass Deutschland sich nicht konsequent auf die Seite der Opfer stelle.

Zülch erinnerte daran, dass die damalige deutsche Bundesregierung während des Bosnien-Krieges ein Waffenembargo gegen die bedrohten Bosnier gefordert hatte, während Serbien Zugang zu allen internationalen Waffenmärkten und zahlreichen eigenen Waffenfabriken hatte. Deutschland, einst ein geteiltes Land, habe außerdem dem Abkommen von Dayton zugestimmt, das die Vertreibungen in Bosnien-Herzegowina zementierte und dieses Land de facto in zwei Staaten teilte.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 11. Juni 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2009