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EUROPA/612: Zypern - Erdogans islamistischer Kurs gefährdet Wiedervereinigung


Presseerklärung vom 9. Januar 2017

Gespräche zur Überwindung der Teilung Zyperns (09.01.)

Erdogans islamistischer Kurs gefährdet den Vereinigungsprozess der Mittelmeerinsel


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor einem erneuten Scheitern der Gespräche zur Überwindung der Teilung Zyperns, die am Montag in der Schweiz beginnen und am 12. Januar abgeschlossen werden sollen. Angestrebt wurde bisher eine Zwei-Bundesstaaten-Lösung in einem vereinigten Zypern. "Die türkische Regierung unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan scheint kein Interesse an einer Lösung der Zypernfrage zu haben. Ganz im Gegenteil: Erdogan versucht weiterhin, die türkische Bevölkerung in Nord-Zypern nicht nur auf seinen türkisch-nationalistischen Kurs zu bringen, sondern sie auch zu islamisieren", kritisierte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido am Montag in Göttingen. Der Menschenrechtler wies darauf hin, dass im türkischen Teil der Insel so viele Moscheen wie möglich mit Erdogan-loyalen Imamen besetzt werden. Das käme radikalen islamistischen Gruppen entgegen, die den Prozess der Versöhnung erheblich gefährden könnten. "Auf der anderen Seite sind rechtsextremistische griechische Gruppierungen wie die "Ethniko Laiko Metopo" (ELAM) mit 3,7 Prozent im südzypriotischen Parlament vertreten. Sie haben eine Wiedervereinigung von Anfang an abgelehnt", stellte Sido fest.

Für eine dauerhafte Versöhnung müsse es bei einer Wiedervereinigung eine ausreichende Kompensation für die 1974 von der türkischen Armee aus ihrer Heimat im Norden der Insel vertriebenen rund 162.000 Zyperngriechen geben, sagte Sido. Aber auch das Leid der 48.000 vertriebenen Zyperntürken müsse anerkannt und angemessen entschädigt werden. Ferner müsse die türkische Regierung dafür Sorge tragen, dass das Schicksal von bis zu 1.800 Zyperngriechen, die im Zuge der türkischen Militärinvasion verschwunden sind, lückenlos aufgeklärt wird.

Zypern, nach Sizilien und Sardinien die drittgrößte Mittelmeerinsel, war faktisch eine britische Kolonie, bis das Land von Großbritannien 1960 in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Auf der Insel lebten damals 77 Prozent Zyperngriechen und 18 Prozent Zyperntürken. Nur die griechisch-zyprische Bevölkerung unterstützte damals die Bildung eines einheitlichen zyprischen Staates. Die türkische Bevölkerung hingegen war für eine Aufteilung der Insel. Dieser Konflikt mündete nach und nach in einer Teilung der Insel. Hierbei spielten die Schutzmächte, die Türkei und Griechenland, durch ihre aktive Einmischung eine negative Rolle. 1974 besetzte die türkische Armee Nordzypern. 80 Prozent der Bewohner des Nordteils, die griechisch-zyprische Mehrheit und die Angehörigen der kleineren armenischen, maronitischen und lateinischen Minderheiten, mussten ihre Heimat fluchtartig verlassen. Seitdem sind mindestens 30.000 türkische Soldaten auf Zypern stationiert. Auch zehntausende Türken vom Festland wurden im Norden angesiedelt. Eine Demarkationslinie trennt die beiden Teile der Insel. Die im Jahr 1983 ausgerufene Türkische Republik Nordzypern wird bis heute nur von der Türkei anerkannt. Seit 2004 ist die Republik Zypern (Süd-Zypern) EU-Mitglied.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 9. Januar 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2017

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