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GRUNDSÄTZLICHES/042: Nicht-Aufnahme der Sinti-Gemeinschaft in Schleswig-Holsteins ist beschämend


Presseerklärung vom 1. Juli 2011

Beschämend, zaghaft, diskriminierend

Nicht-Aufnahme der Sinti-Gemeinschaft in Schleswig-Holsteins Landesverfassung verletzt Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarates vom 5. November 1992 und das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 1998


Als grobe Verletzung des europäischen Minderheitenrechtes und verwerfliche Missachtung einer NS-verfolgten deutschen Minderheit haben die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) und die Gesellschaft für bedrohte Völker-International (GfbV-Int.) die erneute Zurückweisung der schleswig-holsteinischen Sinti-Gemeinschaft durch den Landtag Schleswig-Holsteins bezeichnet. Mit knapper Mehrheit und nur dank der Stimmenthaltung von CDU und FDP scheiterte am 29. Juni erneut der Versuch, dieser autochthonen und alteingesessenen Minderheit Verfassungsrang zu geben und sie dadurch mit der friesischen und der dänischen Minderheit gleichzustellen.

"Der Kieler Landtag war leider nicht mutig genug, europäisches Minderheitenrecht für alle drei Volksgruppen gleichermaßen gelten zu lassen, scheinbar hat man dort aus der NS-Vergangenheit nicht gelernt", kritisierte Tilman Zülch, Präsident der GfbV.-Int. Zwar habe die Bundesrepublik Deutschland die "Europäische Charta der Regional und Minderheitensprachen" des Europarates vom 5. November 1992 längst unterzeichnet, so die Präsidenten der beiden internationalen Institutionen Tilman Zülch und Hans Heinrich Hansen, doch habe sich dies offensichtlich noch immer nicht zu den Regierungsparteien CDU und FDP herumgesprochen. Immerhin habe die SPD sich den Grünen und dem Südschleswiger Wählerverband (SSW) angeschlossen und dieses Mal zugestimmt, den Sinti endlich auch Verfassungsrang zu geben.

"Es ist ein bodenloser Skandal, dass CDU-Abgeordnete ihr Votum mit der Nicht-Bodenständigkeit der Sinti begründeten", sagte Zülch. "Sinti sind in Schleswig-Holstein seit mehreren Jahrhunderten ansässig." Einige heute in Schleswig-Holstein lebende Sinti kamen ebenso wie andere Bürger dieses Bundeslandes außerdem als Flüchtlinge aus Ostpreußen, Schlesien oder Pommern oder aus den Konzentrations- und Arbeitslagern der Nationalsozialisten. Die ältesten Angehörigen der Gemeinschaft tragen bis heute die NS-Nummern auf den Unterarmen tätowiert. Etwa 500.000 Deutsche und europäische Sinti und Roma wurden während des Dritten Reiches vernichtet.

"Damit wird leider in Schleswig-Holstein eine Zweiklassengesellschaft im Minderheitenschutz bestätigt. Die Sinti im Bundesland werden dadurch nachhaltig diskriminiert und schlechter gestellt als die beiden bereits in der Verfassung von Schleswig-Holstein erwähnten Minderheiten", kritisiert der FUEV-Präsident Hans Heinrich Hansen.

Der FUEV gehören 90 Vereinigungen von alteingesessenen Minderheiten aus 30 Staaten in allen Teilen Europas an. Sie hatte bereits vor einigen Jahren in einer Entschließung an das schleswig-holsteinische Parlament um die Aufnahme der Sinti als dritter nationaler Minderheit in die Landesverfassung gebeten. Ebenso hatten die dänische Minderheit und die friesische Sprachgruppe im deutschen Südschleswig und die deutsche Minderheit im dänischen Nordschleswig die Aufnahme der Sinti in die schleswig-holsteinische Verfassung verlangt.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 1. Juli 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2011