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LATEINAMERIKA/064: Chile - 200. Jahrestag für Mapuche kein Grund zum Feiern


Presseerklärung vom 16. September 2010

200 Jahre Chile: Für die 34 Mapuche im Hungerstreik kein Grund zum Feiern


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) nimmt den 200sten Jahrestages der Unabhängigkeit Chiles am kommenden Samstag (18.09.) zum Anlass, erneut eindringlich auf die dramatische Situation von 34 inhaftierten Mapuche-Indianern aufmerksam zu machen. Die Bürgerrechtler befinden sich zum Teil seit 67 Tagen im Hungerstreik, um gegen ungerechte Prozessführung, manipulierte Anklagen sowie Misshandlungen in Haft zu protestieren. Sie fordern die Abschaffung des berüchtigten Anti-Terrorismus-Gesetzes, das noch aus der Zeit der Pinochet-Diktatur stammt und nach dem sie wegen Landrechtsstreitigkeiten inhaftiert sind. Ihr Gesundheitszustand kann sich jederzeit lebensbedrohlich zuspitzen.

"Für die Mapuche gibt es nichts zu feiern", beklagt Yvonne Bangert, GfbV-Referentin für indigene Völker. "Noch immer leiden sie unter der Missachtung der Rechte ihres Volkes, andauernden sozialen Konflikten und fehlender politischer Mitbestimmung. Das größte Ureinwohnervolk Chiles wird pauschal kriminalisiert, weil es sich dagegen wehrt, seine Kultur und Tradition aufzugeben und schließlich seine Identität zu verlieren. Viele werden nach dem Anti-Terrorismus-Gesetz vor Militärgerichte gestellt." Das Gesetz wird derzeit ausschließlich in Verfahren gegen Mapuche angewandt. Typischer Anklagepunkt ist "terroristische Brandstiftung", wenn z.B. Mapuche bei dem Versuch, ihr angestammtes Land zu besetzen, Heuballen, Waldarbeiterhütten oder Holzstapel in Brand setzen.

Der Hungerstreik der inhaftierten Mapuche begann am 12. Juli 2010. Erst vor kurzem schlossen sich auch zwei Jugendliche aus dem Jugendgefängnis in Chol-Chol an. Gewerkschafts- und Studentenvertreter, Politiker, Künstler und Schriftsteller haben sich mit unbefristeten Fastenaktionen solidarisiert. "Nach unseren Informationen haben einige der Gefangenen am 13. September 2010 einen so genannten trockenen Hungerstreik begonnen und nehmen weder Nahrung noch Flüssigkeit auf", berichtet Bangert. Damit erhöht sich das Risiko bleibender Gesundheitsschäden beträchtlich. Schon jetzt mussten mehrere der in verschiedenen Gefängnissen inhaftierten Mapuche im Krankenhaus behandelt werden. Medienberichten zufolge hat Präsident Piñera zwar Dialogbereitschaft mit den Häftlingen signalisiert und den Erzbischof von Concepción, Ricardo Ezzati, gebeten, als Vermittler zu fungieren. Bisher seien jedoch noch keine konkreten Gespräche aufgenommen worden.

Die GfbV hat sich mit Appellen an den UN-Sonderbeauftragten für indigene Völker James Anaya, das Internationale und das Chilenische Rote Kreuz sowie die Botschafter Deutschlands, Österreichs und der Schweiz in Santiago de Chile gewandt mit der Bitte, die Hungerstreikenden zu besuchen, eine angemessene medizinische Versorgung sicherzustellen und durch Prozessbeobachter für faire Verhandlungen zu sorgen. Dem Botschafter Chiles Jorge O'Ryan Schütz übergab die Menschenrechtsorganisation bei einem Empfang in Köln einen Bittbrief für die Inhaftierten.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 16. September 2010
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2010