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MELDUNG/057: Offener Brief an Dr. Thomas Bach - Der Völkermord an den Tscherkessen verjährt nicht!


Presseerklärung vom 17. Mai 2013

OFFENER BRIEF an Dr. Thomas Bach
Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und
Kandidat für die Präsidentschaft des Internationalen Olympischen Komitees

Sotschi 2014 - 150. Jahrestag des Genozids an den Tscherkessen:
Völkermord verjährt nicht!
Tscherkessen fordern würdiges Gedenken an ihre 1,5 Millionen Toten 1864



Sehr geehrter Herr Dr. Bach,

am 21. Mai gedenken die Tscherkessen jedes Jahr weltweit des an ihnen begangenen Genozids durch die Armee des russischen Zaren 1864. 1,5 Millionen Tscherkessen kamen dabei ums Leben. Nach mehr als 100 Jahren Krieg war Sotschi ihre letzte Hauptstadt. Ganz in der Nähe wurden damals im Gebiet Krasnaja Poljana sehr viele Tscherkessen ermordet. 2014 soll Krasnaja Poljana - das "blutrote Feld" - Hauptaustragungsort für die olympischen Skiwettkämpfe sein. Es erschüttert viele Tscherkessen, wie mit ihrer traurigen Geschichte umgegangen wird: Ausgerechnet auf den Gebeinen ihrer Vorfahren sollen genau 150 Jahre nach dem Völkermord die Olympischen Winterspiele stattfinden. Nur noch zehn Prozent der Tscherkessen leben heute in der Russischen Föderation. Die Nachfahren der Überlebenden von Krieg, Vertreibung und Deportation über das Schwarze Meer, die die meisten Opfer forderte, leben heute verstreut in aller Welt. Sie haben den Eindruck, dass die Tscherkessen durch Sotschi 2014 ein weiteres Mal verhöhnt und Opfer russischer Aggression werden.

Sehr geehrter Herr Bach, im Namen dieser Tscherkessen und der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bitten wir Sie, schon während Ihrer Kandidatur für die Präsidentschaft des Internationalen Olympischen Komitees, auf das Schicksal der Tscherkessen aufmerksam zu machen. Das vor 150 Jahren begangene Völkermordverbrechen verjährt nicht. Es muss im Gegenteil einen Ort während der Olympiade finden. An den Genozid muss in würdiger Weise gedacht werden. Die Tscherkessen warten auf eine offizielle Entschuldigung der russischen Regierung. Sie erwarten, dass mit einer Ausstellung über den Genozid informiert wird. Machen Sie sich bitte zum Anwalt dieser legitimen Wünsche und zeigen Sie, dass Sie die Menschenrechtsklauseln, die sich das IOC selbst gegeben hat, tatsächlich respektieren und umsetzen.

Sportliche Großereignisse in Staaten, die die Menschenrechte mit Füßen treten, werden das IOC immer wieder vor die Frage stellen, wie es sich positioniert. Schon 2008 bei den Olympischen Spielen in China hat sich ja das deutsche Komitee bewegt, wenn auch nicht so viel, wie es sich die GfbV und andere Menschenrechtsorganisationen gewünscht haben. Die Spiele in Sotschi bieten nun die Chance, zu den eigenen Statuten zu stehen und Menschenrechte in die Politik des IOC zu verankern. Dabei muss der historische Genozid an den Tscherkessen ein zentraler Punkt sein.

Sehr geehrter Herr Bach, wir bitten Sie daher um eine Stellungnahme zu diesem Thema und um einen Gesprächstermin mit einer Delegation der Tscherkessen.


Mit freundlichen Grüßen

Gez. Tilman Zülch,
GfbV-Generalsekretär

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen/Berlin, den 17. Mai 2013
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2013