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MELDUNG/154: Feierliche Rückgabe eines Ainu-Schädels in Berlin


Presseerklärung vom 31. Juli 2017

Grabraub: Feierliche Rückgabe eines Ainu-Schädels in Berlin (31.7.)

Wichtiger Schritt für Ureinwohner
Japan muss Diskriminierung der Ainu endlich beenden


Die Berliner ethnologischen Sammlungen zollen den Ureinwohnern Japans nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am heutigen Montag endlich den nötigen Respekt. Die Menschenrechtsorganisation begrüßte die Rückgabe eines im 19. Jahrhundert geraubten Schädels eines Ainu als "einen wichtigen Schritt" für diese indigene Gemeinschaft und für Japan, weil erstmals ins Ausland verschleppte Ainu-Gebeine zurückgegeben werden. "Doch der Leidensweg der Ainu setzt sich bis heute fort, denn in ihrem Heimatland werden sie nach wie vor diskriminiert", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius in Göttingen. "Die Rückgabe der Gebeine darf nicht von den heutigen Problemen dieser Ureinwohner abzulenken. Japan muss ihre Rechte endlich auch im Alltag respektieren und mehr für ihren Schutz und ihre Gleichstellung in der Gesellschaft tun."

Die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU) übergibt den Schädel heute in einer Feierstunde in der japanischen Botschaft an Vertreter der Regierung in Tokio. Er wurde heimlich bei nächtlicher Dunkelheit von Georg Schlesinger aus einem deutlich gekennzeichneten Ainu-Grab bei Sapporo auf der Insel Hokkaido ausgegraben, berichtete der deutsche Reisende 1880. Der Schädel wurde im Rahmen anthropologischer Forschung für Vermessungsarbeiten genutzt, denn die Ainu wurden lange für eines der ältesten Völker der Welt gehalten. Deshalb hatte der renommierte Berliner Universitätsprofessor Rudolf Virchow (1821-1902) für seine anthropologischen Forschungen händeringend Gebeine japanischer Ureinwohner gesucht. Es befinden sich noch weitere Ainu-Schädel und -Gebeine in Berliner Sammlungen, die jedoch entweder von der Insel Sachalin (heute von Russland verwaltet) stammen oder nicht geraubt wurden.

Die japanische Regierung will im April 2020 vor den Olympischen Sommerspielen in Tokio eine Nationale Gedenkstätte für ethnische Harmonie und die Geschichte der Ainu einrichten. Zwar hat Japan die Ainu im Jahr 2008 offiziell als indigene Bewohner des Landes anerkannt, doch die meisten der bis zu 100.000 Ureinwohner klagen bis heute über Diskriminierung in der japanischen Gesellschaft. Ihre Landrechte auf der Insel Hokkaido, auf der die meisten Ainu traditionell seit Jahrhunderten lebten, werden meist nicht anerkannt. In Umfragen geben mehr als 70 Prozent der Ainu an, im Alltag diskriminiert und als minderwertig behandelt zu werden. Viele Ureinwohner leugnen daher ihre Identität, so dass sich öffentlich nur wenige dazu bekennen, Ainu zu sein.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 31. Juli 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2017

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