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MELDUNG/175: Kritik an Sammelabschiebung nach Afghanistan aus Düsseldorf


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 19. Februar 2018

Kritik an Sammelabschiebung nach Afghanistan aus Düsseldorf (20.2.): Keine Sicherheit in Afghanistan - Drei Viertel aller zurückkehrenden Flüchtlinge werden erneut fliehen


Göttingen, den 19. Februar 2018 - Angesichts neuer dramatischer Zahlen zu Flucht und wachsender Unsicherheit in Afghanistan hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die für den morgigen Dienstag geplante Sammelabschiebung von Afghanen kritisiert. "Es ist pures Wunschdenken, wenn deutsche Behörden behaupten, es gebe Sicherheit in Afghanistan. Denn jeden Tag hat sich im Jahr 2017 die Zahl der Afghanen auf der Flucht um durchschnittlich 1.200 Menschen erhöht. Rund 70 Prozent des Landes werden von Warlords und islamistischen Extremisten kontrolliert. Neueste Statistiken belegen, dass fast drei Viertel aller nach Afghanistan zurückkehrenden Flüchtlinge innerhalb von wenigen Monaten erneut vor Gewalt fliehen müssen", berichtete GfbV-Direktor Ulrich Delius am Montag in Göttingen. "Die Zahlen zu Flucht und Gewalt in Afghanistan lesen sich wie eine Bilanz des Schreckens. Diese Fakten sind überzeugender als alle Sonntagsreden von Politikern, mit denen die Lage in Afghanistan schöngeredet wird."

Der vom ehemaligen stellvertretenden UN-Generalsekretär Jan Egeland geleitete Norwegian Refugee Council hat in einer im Januar 2018 vorgelegten Studie festgestellt, dass durchschnittlich in jeder Stunde 50 Afghanen vor Gewalt fliehen müssen. Rund 72 Prozent aller in das Land zurückgekehrten Flüchtlinge seien wieder auf der Flucht, erklärte die Nichtregierungsorganisation. Mancher der rund 300.000 Afghanen, die in den vergangenen fünf Jahren in das Land zurückgekehrt wind, sei mehrfach erneut vertrieben worden.

Allein im Jahr 2017 mussten nach UN-Angaben 471.677 Menschen aus 31 der 34 Provinzen des Landes aufgrund von politisch motivierter Gewalt fliehen. Die Zahl der Binnenflüchtlinge ist damit rund viermal so hoch wie vor fünf Jahren. Im Januar 2018 mussten bereits 7.000 Afghanen vor Kämpfen und Anschlägen fliehen.

"Wie dramatisch die Sicherheitslage sich verschlechtert hat, wird auch an der zunehmenden Zahl von Angriffen auf Mitarbeiter von Hilfsorganisationen deutlich", sagte Delius. Die Zahl der Übergriffe auf Helfer hat sich im Jahr 2017 mit 388 registrierten Zwischenfällen gegenüber dem Vorjahr (200 Angriffe) fast verdoppelt. Bei der Gewalt wurden 21 Helfer getötet und 33 Personen verletzt, 149 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden im vergangenen Jahr entführt.

"Realistischer als deutsche Politik sind die Vereinten Nationen. Sie haben Afghanistan im Jahr 2017 als Land zurückgestuft, von einer Post-Konflikt-Situation zu einem Staat im Bürgerkrieg", erklärte Delius. "Dies stimmt zwar nicht hoffnungsvoll, ist aber zumindest ehrlich."

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Quelle:
Pressemitteilung vom 19. Februar 2018
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2018

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