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NAHOST/176: Syrien - Immer mehr Christen fliehen in den Libanon


Presseerklärung vom 7. August 2012

Immer mehr Christen fliehen aus Syrien und finden im Libanon Zuflucht



Nach Informationen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) verlassen immer mehr Christen Syrien. Die meisten von ihnen finden im benachbarten Libanon Zuflucht. Dort ist ihre Anzahl auf mindestens 7.000 angestiegen. Die Flüchtlinge werden in den christlichen libanesischen Gemeinden an der Mittelmeerküste im Norden des Landes untergebracht. Dort sollen bereits etwa 1.000 christliche Familien aus Syrien aufgenommen worden sein. "Da der libanesische Staat befürchtet, in den blutigen syrischen Bürgerkrieg hineingezogen zu werden, erhalten die syrischen Flüchtlinge oft nicht die notwendige Hilfe", berichtete Kamal Sido, Nahostreferent der GfbV, am Dienstag in Göttingen. Die libanesische Regierung will zunächst auch keine Flüchtlingscamps einrichten, weil sie annimmt, dass sich diese Lager in Hochburgen von Rebellen verwandeln könnten.

In den kommenden Tagen rechnen die christlichen Gemeinden im Libanon mit noch mehr Flüchtlingen vor allem aus der nordsyrischen Stadt Aleppo. Dort kämpfen die Truppen von Baschar al-Assad seit zwölf Tagen mit Kampfhubschraubern und Artillerie gegen die Rebellen. Inzwischen setzen auch die sunnitischen Rebellen Panzer und Artillerie ein, die sie von Assads Armee erbeutet haben. In Aleppo sind die überwiegend von Christen bewohnten Stadtviertel Aziziye, Sulaymanye, Al-Maydan und Al-Suryan bisher von Kämpfen verschont geblieben. Wenn dort jedoch die Rebellen eindringen, werden die Regierungstruppen gnadenlos zuschlagen und die Christen müssen die Stadt verlassen, warnte Sido. Höchstwahrscheinlich werden die meisten von ihnen in den Libanon fliehen.

Der Libanon ist der einzige Staat im Nahen Osten, in dem es noch eine große christliche Bevölkerung gibt. Christen stellen dort etwa 39 Prozent der 4,5 Millionen Einwohner. Sido wies darauf hin, dass die nichtchristlichen Gemeinden des Libanon vor dem Hintergrund der langjährigen konfessionellen Konflikte und mit Rücksicht auf das "religiöse Gleichgewicht" im Libanon werden einem langen Aufenthalt christlicher Flüchtlinge aus Syrien aller Voraussicht nach nicht zustimmen werden.

Angesichts der Eskalation der Gewalt haben schon mehr als 123.000 Flüchtlinge aus Syrien in den Nachbarstaaten Schutz gesucht. Im Libanon waren am 3. August 2012 nach Angaben des UN-Flüchtlingswerkes UNHCR 33.871 Syrer als Flüchtlinge registriert. Ihre tatsächliche Anzahl dürfte jedoch viel höher sein, da sich viele Flüchtlinge nicht registrieren lassen. Einige Quellen sprechen bereits von 100.000 Syrern im Libanon. Etwa 60 Prozent halten sich im Norden des Landes auf, rund 35 Prozent in der Bekaa-Ebene, den beiden ärmsten Regionen des Libanon. Die restlichen 5 Prozent leben in der Nähe von Beirut. Im Nordlibanon wurden 80 Prozent der Flüchtlinge bei Gastfamilien aufgenommen, zehn Prozent leben in Sammelunterkünften und zehn Prozent zahlen Miete.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 7. August 2012
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2012