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BERICHT/1014: Friedenswerkstatt Linz - Rundbrief 17-2009


Werkstatt Frieden & Solidarität

Werkstatt-Rundbrief Nr. 17/2009 - 24. August 2009


(1) EU-Eingreiftruppe mit 360.000 Mann/Frau für die Aufrechterhaltung der "globalen hierarchischen Klassengesellschaft"

Die neue Studie des offiziellen EU-Think-Tanks ISS zeigt einmal mehr, dass die EU nicht "Friedensmacht" sondern Turbomotor der Militarisierung ist. Die EU müsse "in einer symbiotischen Beziehung mit den Transnationalen Konzernen" die "funktionellen Ströme" der "globalen hierarchischen Klassengesellschaft" absichern und "die global Reichen von den Armen" abriegeln. Selbst ein Krieg gegen Russland wird bis zum Jahr 2020 nicht mehr ausgeschlossen.

(2) Postraub: Was Ronald Biggs vor Neid erblassen lässt.

Liberalisierung und Privatisierung der Post haben sie zu einem beispiellosen Raubzug an öffentlichem Eigentum geführt.

(3) Aktuelle Hinweise/laufende Kampagnen
(4) Termine
(5) Bücher/Broschüren


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(1) EU-Studie zur EU-Sicherheitspolitik im Jahr 2020

EU-Eingreiftruppe mit 360.000 Mann/Frau für die Aufrechterhaltung der "globalen hierarchischen Klassengesellschaft"

Die neue Studie des offiziellen EU-Think-Tanks ISS zeigt einmal mehr, dass die EU nicht "Friedensmacht" sondern Turbomotor der Militarisierung ist. Die EU müsse "in einer symbiotischen Beziehung mit den Transnationalen Konzernen" die "funktionellen Ströme" der "globalen hierarchischen Klassengesellschaft" absichern und "die global Reichen von den Armen" abriegeln. Selbst ein Krieg gegen Russland wird bis zum Jahr 2020 nicht mehr ausgeschlossen.

Der offizielle Think-Tank der EU für Sicherheitsfragen, das EU-Insitut für Sicherheitsstudien (EU-ISS), hat eine neue Studie über die Entwicklung der EU-Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik bis zum Jahr 2020 vorgelegt. Titel: "What Ambition for European Defence in 2020" (1).

Die wichtigste Aufgabe der EU-Sicherheitspolitik werde es - so das EU-ISS - sein, die "transnationalen funktionellen Ströme und deren Knotenpunkte" sicherzustellen: also vor allem die Waren-, Kapital- und Rohstoffströme. Das erfordere "globale militärische Überwachungskapazitäten und die Fähigkeit zur Machtprojektion" (Seite 63) - vor allem durch die Zusammenarbeit von "Transnationalen Konzernen" und den sog. "Postmodernen Gesellschaften" (EU, USA), da diese an der Spitze der "globalen hierarchischen Klassengesellschaft" stünden und damit die wichtigsten "stakeholder" der Globalisierung seien. Die EU brauche daher eine "symbiotische Beziehung mit den Transnationalen Konzernen", denn "diese brauchen den Staat und der Staat braucht sie" (Seite 62). Mit Hilfe eines ausgereiften "zivil-militärischen Instrumentariums" müsste dabei jenen unteren zwei Dritteln der Weltbevölkerung begegnet werden, die den Bodensatz dieser "globalen Klassengesellschaft" bilden:

Den Eliten willfähriger Staaten - v.a. im arabischen Raum - solle "militärischer Beistand" bei der "Modernisierung des Sicherheitssektors" geleistet werden, um in ihren Staaten, die oft Brutstätten des "transnationalen Terrorismus und der organisierten Kriminalität" seien, für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Den sog. "Vormodernen Gesellschaften", die die "unterste Milliarde der Menschheit" beherbergen solle durch "State-buildung" - Marke Afghanistan - unter die Arme gegriffen werden. Während für die Konzerne die "Ströme der Globalisierung" fließen sollen, soll gegenüber diesen extrem armen Staaten die Ströme unterbunden werden und zwar durch entsprechende "Abriegelungs-Operationen, die die global Reichen von den Spannungen und Problemen der Armen abschirmen. Da das Verhältnis der Weltbevölkerung, die in Armut und Frustration lebt, massiv bleiben wird, werden die Spannungen und Konflikte zwischen ihrer Welt und der der Reichen weiterhin wachsen. Da wir bis zum Jahr 2020 die Wurzeln dieser Probleme nicht gelöst haben werden, ist es wichtig die Absperrungen zu verstärken." (Seite 66).

Kriegsdrohung gegenüber Russland. Die größte militärische Herausforderung verorten die EU-Strategen bei den sog. "Entfremdeten modernen Staaten", also jenen, die offenen Widerstand gegen die Globalisierung und deren "Ströme" leisten würden. Diese Staaten müsse auf die harte Tour begegnet werden: "Die Aufgabe besteht darin, diese so weit als möglich umzudrehen und, falls das scheitert, mit ihrer Kampfansage an die globalisiert Welt fertig zu werden. Das wird Kapazitäten für harte Machtausübung erfordern." Hier kann es "zur direkten militärischen Konfrontation kommen." (Seite 62) Zu diesen Staaten werden neben Nord-Korea und Burma auch - wenn auch noch mit Fragezeichen - Russland gezählt. D.h. die EU-Strategen schließen Krieg gegen Russland bis zum Jahr 2020 nicht aus, wenn dieses nicht bereit sei "umzudrehen", und sich den globalen "Strömen" der Transnationalen Konzerne und der mit ihnen "symbiotisch verbundenen Staaten" hemmungslos zu öffnen.

Damit die EU in der Lage ist, diese Kriegsdrohungen mit entsprechenden militärischen Fähigkeiten zu hinterlegen, schlägt die EU-Studie eine ganzes Maßnahmenbündel der weiteren Militarisierung vor:

Bis 2020 soll eine 360.000 Mann/Frau starke EU-Eingreiftruppe einsatzbereit sein, um sicherzustellen, dass permanent 120.000 SoldatInnen für globale Militäreinsätze zur Verfügung stehen.

Rasche zusätzliche Rüstungskapazitäten brauche es außerdem im Bereich des "Streitkräfteschutzes in kriegsähnlichen Szenarien", beim strategischen Waffen- und Truppentransport sowie im Bereich der Weltraum-gestützten Aufklärung und Überwachung, um eine moderne "netzwerkszentrierte" Kriegsführung sicherzustellen.

Unbedingt gestärkt werden müssten die EU-Kommandostrukturen für Auslandseinsätze

größte Bedeutung habe die rasche Umsetzung der Militarisierungs- und Zentralisierungsvorhaben des Lissabon-Vertrages (Schaffung von militärischen "Avantgarde-Gruppen", Schaffung des Amtes eines zentralen EU-Außen- und Kriegsministers, Erweiterung des militärischen Aufgabenfeldes, Schaffung es EU-Rüstungsetats, usw.). Das alles gelte es umzusetzen - unabhängig ob der neue EU-Vertrag nun auch ratifiziert werde oder nicht.

Bei diesem Demokratieverständis verwundert es auch nicht mehr, dass im Bereich der Sicherheitspolitik grundsätzlich die Aushebelung demokratischer Entscheidungsmechanismen angedacht wird - wenn diese zu lange dauern: "Die Möglichkeit militärische Missionen zu starten bevor alle politischen Diskussionen dazu stattgefunden haben, muss in Erwägung gezogen werden, damit es zu keinen Verzögerungen kommt." (Seite 157)

Einmal mehr zeigt sich, die EU ist keine "Friedensmacht", sie ist vielmehr ein Turbomotor der Militarisierung. Die Werkstatt Frieden & Solidarität fordert daher den sofortigen Ausstieg Österreichs aus allen militärpolitischen Gremien und Rüstungsprojekten der EU. Dieses Programm können wir freilich an keine Parlamentspartei delegieren, es braucht die Entwicklung demokratischer Gegenmacht von unten, denn nirgends sind sich die verschiedenen Fraktionen des Establishments - von rot und schwarz bis grün, blau und orange - so einige, wie in der Unterstützung der EU-Militarisierung.

(1) Quelle für alle Zitate:
http://www.iss.europa.eu/uploads/media/What_ambitions_for_European_defence_in_2020.pdf


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(2) Postraub

Was Ronald Biggs vor Neid erblassen lässt

Dass Ronald Biggs 1963 am größten Postraub aller Zeiten teilnahm, ist wegen der frechen Vorgangsweise in alle Köpfe und in die Geschichte eingegangen. Dies erscheint derzeit als stark revisionsbedürftig in Punkto Umfang des Diebstahls und Frechheit der Vorgangsweisen. Wir erinnern uns an Zeiten, in welcher "das Postamt" für flächendeckende Versorgung von Briefverteilung, Paketzustellung, Finanzdienstleistung und Telekommunikation zuständig war. Als es ruchbar wurde, dass mit Teilen von solchen Dienstleistungen ein Batzen Geld zu verdienen ist, wurde eine Lobby in Bewegung gesetzt, die den Postraub von 1963 in England als stümperhaftes Unternehmen, noch dazu ohne legistische Legitimation, also illegal, erscheinen lässt. Dieser Postraub beginnt ab Mitte der 90er Jahre mit der über EU-Richtlinien vorangetriebenen Liberalisierung der Telekom- und später der Postmärkte. Diese Liberalisierungen werden von den österreichischen VertreterInnen mitbeschlossen, die Bevölkerung selbst wird dazu nie befragt. Daran anknüpfend geht es in Österreich Schlag auf Schlag:

a.. Zuerst wurde am denkwürdigen Arbeiter/Innenfeiertag 1. Mai des Jahres 1996 die Teilung der Post in "Gelbe Post" und "Telekom Austria" vollzogen, als Vorleistung dessen, was bis Dato folgen sollte.

b.. Der erste Raub trifft die Telekom Austria im November 2000. Geraubt (privatisiert) wurden 72,63% unseres öffentlichen Dienstleisters Telekom im Wert von über 1 Mrd. Euro ohne Zustimmung der Bevölkerung, wohl aber einer zustimmenden Mehrheit des Österreichischen Parlamentes.

c.. Den anderen Teil, die Gelbe Post, trifft der Raubzug am 16. Mai 2006, als 49% des öffentlichen Dienstleisters Post um 598,5 Mill. Euro gestohlen wurden, wieder ohne die Zustimmung der Bevölkerung, aber einer zustimmenden Mehrheit der parlamentarischen Vertreter. Für diesen Raubzug wurde die Beute entsprechend schmackhaft gemacht: Anfang 2000 umfasst die Post noch 2486 Postämtern und 35.493 Bediensteten. Seither ist der Mitarbeiter/Innenstand um sage und schreibe 27,5% auf 25.764 Bedienstete, die Zahl der Postämter um 47% auf 1.311 Poststellen gesunken, der Gewinn hingegen sind um satte 580% von 28 Mill. auf 163 Mill. Euro explodiert.
Diese Gewinnsprünge sind unter anderem deshalb möglich geworden, weil viele Postbedienstete seit der Amtszeit des Generaldirektor Wais, der selbst eine Jahresgage von 600.000 Euro einstreifte, über dubiose drei Monatsverträge ausgebeutet werden. Dieser Art von Arbeitsverträgen, die nach Belieben verlängert werden, stellt in einem öffentlichen Unternehmen einen derartigen Rechtsbruch dar, dass eingeschüchterte Mitarbeiter/Innen, dies nicht offen auszusprechen wagen.

Weiters feiert der Postraub bei der Neuverhandlung eines neuen Kollektivvertrages durch die Gewerkschaft für Zustellbedienstete eine weitere noch nie da gewesene Frechheit. Der Durchschnittsverdienst für Neubeschäftigte wird um ca. 30% unter dem derzeitigen niedrigen Niveau festgelegt. Bereits jetzt beschäftigte Postbedienstete werden derzeit zu Gesprächen mit ihren Vorgesetzten zitiert, um sie dazu zu drängen, in den schlechteren Kollektivvertrag zu wechseln.

Die Krone setzt dem Postraub freilich die Ausschüttungen an die Aktionäre auf. 2007 und 2008 wurden jeweils fast 170 Millionen Euro Dividende ausgeschüttet, das waren 2007 37% mehr, als Gewinn gemacht wurden, und 2008 überstiegen die Dividenden den Gewinn sogar um 42%. Um die Aktionäre zu verwöhnen, wird also bereits das Eigenkapital geklaut.

Abschließend stellt sich die Frage, wie im Allgemeinen mit Dieben umgegangen wird. Und da ist der Unterschied bemerkbar: Während ArbeitnehmerInnen und nicht Vermögende bei Eigentumsdelikten die Knute der Strafgerichtsbarkeit trifft, können die Kapitalvertretern hinter den Nebelwände von freie Markt und EU-Richtlinien Milliarden an öffentlichem Eigentum klauen.

Das muss ein Ende haben. Im Sinne einer sozialverträglichen Erbringung von Dienstleistungen, müssen alle ehemaligen öffentlichen Betriebe wieder in öffentliches Eigentum zurückgeführt werden und ein Ausstieg aus dem EU-Binnenmarktregime vollzogen werden. Schluss mit dem gezielten Postraub und der Zerschlagung unserer öffentlichen Infrastruktur!

Schober Rudi

Flugblatt der Werkstatt Frieden & Solidarität gegen die Post-Liberalisierung
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=67


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(3) Aktuelle Hinweise/laufende Kampagnen

Paragraf 278a - Der Versuch, politisches Engagement zu kriminalisieren geht weiter. So soll nun tatsächlich 10 Tierrechts-AktivistInnen nach Paragraf 278a der Prozess gemacht werden. Die "Plattform gegen Kriminalisierung von politischem Engagement" arbeitet zur Zeit an einer konkreten Solidaritätskampagne. Dieser Paragraf ist so vage und dehnbar formuliert, dass damit rasch politisches Engagement, das mächtigen Interessengruppen ein Dorn im Auge ist, kriminalisiert und mundtot gemacht werden kann. Heute trifft es Tierrechts-AktivistInnen, morgen kann es GewerkschafterInnen, UmweltschützerInnen, GlobalisierungskritierInnen, Friedensbewegte und viele andere treffen. Wer sich an dieser Solidaritätskampagne beteiligen möchte, ersuchen wir, sich mit uns in Verbindung zu setzen:
office@werkstatt.or.at

Aufruf "Für eine solidarische, ökologische und demokratische Wende". Viele Betriebs-, GemeinderätInnen, NGO-AktivistInnen, WissenschaftlerInnen, uvm. haben bereit diesen Werkstatt-Aufruf unterstützt, der konkrete Alternativen für einen demokratischen Ausweg aus der tiefen Wirtschaftskrise aufzeigt und zum Engagement aufruft.
Siehe http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=172&Itemid=1

A 26-Westring Linz: Der Widerstand gegen diese EU-Transitautobahn mitten durch Linz geht weiter. Mittlerweile stellt sich heraus, dass durch den Westring in manchen Straßenzügen (Kärntnerstraße) die Luftverschmutzung derart ansteigt, dass die BewohnerInnen abgesiedelt werden müssten. Den vielen Beschäftigten, die in diesem Bereich arbeiten, soll die giftige Atemluft aber zumutbar sein. Unterstützen Sie auch weiterhin die Unterschriftsaktionen gegen den Westring, siehe
http://www.westring.info/

Kampagne für Austritt Österreich aus EURATOM: Immer wieder kommen neue Gemeinden in den Klub der "Raus aus EURATOM"-Gemeinden.
Nähere Informationen auf http://www.raus-aus-euratom.at/ und
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=126&Itemid=68

Petition gegen Aushebelung von Kollektivverträgen! Skandalöse Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Jahren 2007/2008 sollen es Unternehmen mit einem Firmensitz in einem EU-Billiglohnland ermöglichen, Kollektivverträge auszuhebeln. Gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen dagegen werden für unzulässig erklärt. Die Werkstatt Frieden & Solidarität hat eine Petition an den Nationalrat gestartet, in der gesetzliche Maßnahmen gefordert werden, um diesen arbeitnehmerInnenfeindlichen Vorstößen einen Riegel vorzuschieben.
Bitte unterstützen!


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(4) Termine:

Dienstag, 1. September 2009, 19.30 Uhr
Wir weigern uns Feinde zu sein
mit Daoud Nassar - Bethlehem
Palästinenser, Christ, Friedensaktivist
Ort: Linz, Haus der Frau (Volksgartenstraße 18)

Donnerstag, 10. September 2009, 19 Uhr
Plattform gegen Kriminalisierung von politischem Engagement durch §%sect; 278 ff
Werkstatt-Büro (Waltherstraße 15, 4020 Linz)

Donnerstag, 17. September 2009, 19 Uhr
Lesung "Ahasver kehrt zurück"
Lesung von Helmut Rizy aus seinem neuen Roman mit anschließender Diskussion
Ort: Amerlinghaus (Stiftgasse 8, 1070 Wien)
Nähere Informationen
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_extcalendar&Itemid=57&extmode=view&extid=270


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(5) Bücher und Broschüren:

Bücher und Broschüren, die bei der Werkstatt bestellt werden können.
Informationen und Online-Bestellmöglichkeiten auf
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=30&Itemid=50


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Quelle:
Werkstatt Rundbrief Nr. 17-2009 vom 24. August 2009
Werkstatt Frieden & Solidarität
Waltherstr. 15, 4020 Linz
Telefon 0732/771094, Fax 0732/797391
Mail: office@werkstatt.or.at
Internet: www.werkstatt.or.at


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2009