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BERICHT/1080: BUKO Sondernews zur UN-Klimakonferenz in Kopenhagen, 23.12.09


BUKO Sondernews zur UN-Klimakonferenz in Kopenhagen vom 23.12.2009


Inhalt:

1) BUKO-Erklärung: Gegen jede Repression - in Kopenhagen, Heiligendamm, Genua und überall!
2) Der Kopenhagen-Gipfel: Scheitern der offiziellen Klimapolitik, Erfolg für die Bewegung
3) Für die sofortige Freilassung aller Gefangenen!
4) Aktuelles aus dem Arbeitsschwerpunkt Soziale Ökologie (ASSÖ)
5) Die Handel Macht Klima Karawane - internationale Vernetzung "on the road"
6) Europäische Amtshilfe gegen Lümmel, Verweis auf einen telepolis-Artikel vom 8.12.09
7) Climate Justice Action: COP=Flop
8) Gipfel in Kopenhagen produziert viel heiße Luft
9) Funken einer besseren Welt, Verweis auf Artikel von Bettina Dyttrich in der Woz


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1) BUKO-Erklärung: Gegen jede Repression - in Kopenhagen, Heiligendamm, Genua und überall!

Bereits im Vorfeld wurde klar, dass in Kopenhagen ein scharfer Wind wehen würde: Das Schengen-Abkommen wurde (teilweise) außer Kraft gesetzt, um vielen DemonstrantInnen bereits an der dänischen Grenze den Zugang verwehren zu können, seit Genua ein Standard europäischer Repressionspolitik. Das BKA schickt Datensätze von über 240 Personen aus der umstrittenen Datei "International agierende gewaltbereite Störer" ("IgaST") an die dänischen Behörden und führt damit eine Praxis fort, die Menschen aufgrund eines Verdachtsprinzips die Einreise verweigert.
Die NATO liefert Awacs-Flugzeuge zur Kontrolle des Luftraums. Über 120 Millionen Euro wurden für einen so genannten Sicherheitszaun ausgegeben, der rund um den Gipfeltagungsort mit dem euphemistischen Namen "Bella Center" gezogen wurde. Um die 40 Käfige mit je elf Quadratmetern Fläche dienten der Gefangenenaufbewahrung - Heiligendamm lässt grüßen.
Eine neue Qualität hat das von der dänischen Regierung eilig beschlossene "Lümmelpaket". Dies erlaubt es, AktivistInnen für bis zu 40 Tage einzusperren, wenn sie "die Arbeit der Polizei behindern". Was darunter fallen kann, liegt ebenfalls im Ermessungsspielraum der Exekutive, schon eine Sitzblockade kann als Störung gelten. Auch die Möglichkeit zu "vorbeugenden Festnahmen" wurde massiv erweitert. Kopenhagen ist also damit ein weiterer trauriger Höhepunkt und ein Symbol für die Erosion des Rechtsstaats in Europa.

Der präventive Sicherheitsstaat verfeinert seine repressiven Techniken: die Vorratsdatenspeicherung aller Kommunikationsdaten über sechs Monate zur "Gefahrenabwehr" und eine massive Überwachung und Verfolgung aufgrund willkürlicher Indizien in Deutschland u.a. mit Hilfe des Paragraphen 129a oder der IgaST. Wie wenig die Menschenwürde in Europa tatsächlich zählt, zeigt sich vor allem bei jenen, die staatlicher Repression noch stärker ausgeliefert sind als die "StaatsbürgerInnen" Europas. Unter dem Stichwort "Kampf gegen den Terror" bzw. "Kampf gegen illegale Migration" ist der exzessive Einsatz von Sicherheitskräften und Überwachung längst alltäglich geworden.

Kopenhagen hat auch erneut gezeigt, dass Menschen, die gegen eine neoliberale Klima-, Wirtschafts- oder Migrationspolitik demonstrieren, massiv in ihrem Protest gehindert und kriminalisiert werden. Große internationale Treffen, wie die G8- und G20-Gipfel, WTO-Tagungen oder die UN-Klimakonferenz, können nur stattfinden, wenn ein quasi Ausnahmezustand hergestellt wird. Prima Klima also für ein Europa der Polizeien, Geheimdienste und der staatlichen Repressionen - wenig Luft für die Arbeit an Alternativen, Emanzipation und echter Demokratie.

Die BUKO verurteilt daher die Repressionen gegen DemonstrantInnen in Kopenhagen aufs Schärfste und fordert: Schluss mit der Repression - in Kopenhagen, Heiligendamm, Genua und überall!

Bundeskoordination Internationalismus, Dezember 2009


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2) Der Kopenhagen-Gipfel: Scheitern der offiziellen Klimapolitik, Erfolg für die Bewegung

Eine umfassende Einschätzung des Kopenhagener Klimagipfels von Bewegungsseite aus und Perspektiven dafür, wie es weitergeht, werden in den ersten Monaten des Jahres 2010 die Klimabewegung beschäftigt halten - die BUKO wird sich daran beteiligen. Deutlich erscheint uns - als Redaktion des Newsletters - bereits jetzt, dass das Ergebnis des offiziellen Gipfels - der sog. Copenhagen Accord (http://en.cop15.dk/files/pdf/copenhagen_accord.pdf) - keines ist: Der Text wurde von einer kleinen Gruppe Länder verfasst und von den Parteien in ihrer Abschlusserklärung bloß "zur Kenntnis genommen", weil sich mehrere Entwicklungsländer in den frühen Morgenstunden des letzten Gipfeltags in außergewöhnlich scharfen Worten weigerten, den Copenhagen Accord zu unterzeichnen. Bereits jetzt gibt es scharfe Kritik an dem Nicht-Ergebnis des Gipfels. Ein afrikanischer Delegierter bezeichnete das Ergebnis im Abschlussplenum als "Selbstmordabkommen". Der angestrebte Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2 Grad Celsius im Vergleich zum vorindusriellen Niveau bedeute "in Afrika sicheren Tod", so der Delegierte. Kein versöhnlicher Ausklang in "Hopenhagen" also.

Aus Sicht sozialer Bewegungen war Kopenhagen hingegen trotz der großen Repression und dem Scheitern des offiziellen Gipfels ein Erfolg: Bis zu 100 000 Menschen aus vielen Ländern nahmen an Demonstrationen und Protestaktivitäten teil und diskutierten Perspektiven von unten auf die internationale Klimapolitik. Sie schafften damit die Grundlage für eine dauerhafte, internationale Klimabewegung. Auch die Medien berichteten ausführlich über die Gegenaktivitäten zum Gipfel.

Ein Sprecher von Climate Justice Action, einem internationalen Netzwerk von Gruppen und Organisationen, bewertet den Gipfel in einer Presserklärung so: "In den letzten zwei Wochen haben wir in Kopenhagen abgrundtiefes Scheitern und überwältigenden Erfolg gesehen. Offensichtlich gescheitert ist die offizielle UN-Konferenz COP15: Der Gipfel hat nicht nur, anders als notwendig, keine Vereinbarung über weit reichende und gerechte Emissionsminderungen gebracht, er hat zu überhaupt keiner Vereinbarung geführt. Einen Erfolg hat hingegen die globale Bewegung für Klimagerechtigkeit zu verzeichnen. Sie hat in Kopenhagen spektakuläre, große und inspirierende Aktionen organisiert, an denen Aktivist_innen aus aller Welt teilnahmen. Sie hat dadurch eine gemeinsame Grundlage für den Kampf für globale Gerechtigkeit geschaffen. Das Scheitern der Klimakonferenz zeigt, wie wichtig soziale Bewegungen, Druck von unten und ziviler Ungehorsam im Angesicht der Klimakrise sind."

Links zu Berichten und Stellungnahmen:
http://icop15.org
http://indymedia.dk

Tägliche Berichte von den Verhandlungen:
http://www.iisd.ca/climate/cop15


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3) Für die sofortige Freilassung aller Gefangenen!

Die BUKO hat eine Petition an das dänische Parlament unterzeichnet, mit dem die Freilassung des Sprechers von Climate Justice Action, Tadzio Müller, und anderer Gefangener gefordert wird,
http://www.PetitionOnline.com/Tadzio/.

Während Tadzio Müller inzwischen wieder entlassen ist, werden laut Medienberichten andere Aktivist_innen Weihnachten und Sylvester in dänischen Gefängnissen verbringen. In mehreren Städten der Welt haben in den letzten Tagen Menschen vor dänischen Botschaften und Konsulaten gegen die Repression in Kopenhagen protestiert, mehr unter:
http://gipfelsoli.org/Home/Copenhagen_2009


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4) Aktuelles aus dem Arbeitsschwerpunkt Soziale Ökologie (ASSÖ)

Im Vorfeld von Kopenhagen hatte der BUKO Arbeitsschwerpunkt ein Positionspaper zur aktuellen Klimapolitik unter dem Titel "Vergesst Kopenhagen! Die Katastrophe ist schon da" verfasst. Ausgehend von einer kritischen Analyse des hegemonialen Diskurses umfasst das Paper eine Diskussion der Inhalte einer emanzipativen, herrschaftskritischen Gegenbewegung.
Das Papier ist jetzt auch auf Spanisch unter
http://www.buko.info/buko-projekte/as-soziale-oekologie/assoe-positionen
verfügbar und wurde in Kopenhagen verteilt.

Eine Auswertung des Kopenhagener Klimagipfels und der Mobilisierung dazu wird ein Schwerpunkt des nächsten Seminars des ASSÖ vom 5.-7. März 2009 in Meuchefitz/Wendland sein. Nähere Informationen zu dem Seminar gibt es irgendwann Anfang des nächsten Jahres auf der Website der BUKO. Das Seminar wird in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung durchgeführt.


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5) Die Handel Macht Klima Karawane - internationale Vernetzung "on the road"

50 Aktivist/innen aus dem globalen Süden reisten zusammen mit Aktivist_innen aus einigen europäischen Ländern zwischen Ende November und Anfang Dezember 2009 vom WTO-Gipfel in Genf zum Klimagipfel nach Kopenhagen. In Kopenhagen beteiligte sich die Karawane an den Aktivitäten zum Klimagipfel 2009. Teilnehmer_innen der Karawane wurde mehrfach interviewt und beteiligten sich an Workshops und Diskussionen in Kopenhagen. Die Aktivist_innen brachten damit ihre Vorstellungen von globaler Gerechtigkeit zu Gehör - und sie hatten Gelegenheit voneinander zu lernen.

Einer der Karawane-Teilnehmer schreibt: "Manchmal geschehen Dinge, die uns das Gefühl geben, dass es gut ist am Leben zu sein, sogar in diesen Zeiten von Angst und Gier. Die Karawane ist einer dieser Momente. Menschen sind aus der ganzen Welt zusammen gekommen, aus Ländern mit verheerender Umweltzerstörung und schlimmen sozialen Bedingungen, um ein bessere Welt zu fordern und unseren Planeten vor denjenigen zu retten, die aus dem Tod der Biosphäre Profit schlagen wollen. Wir haben voneinander und aus unseren Kämpfen gelernt die wichtig sind und Licht auf unsere kollektive Würde werfen."

Das Tagebuch der Karawane, Fotos und Videos von der Karawane sind auf der Website der Karawane zu finden:
www.climatecaravan.org

Die BUKO hat die Öffentlichkeitsarbeit der Karawane unterstützt und Karawanestopps in Hamburg und Berlin mitorganisiert.


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6) Europäische Amtshilfe gegen Lümmel, telepolis-Artikel, 8.12.09

Deutsche Polizeien und Geheimdienste helfen bei der Handhabung der angekündigten Proteste in Kopenhagen, von Matthias Monroy, Hanne Jobst

Artikel siehe unter:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31684/1.html


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7) Climate Justice Action: COP=Flop

Das Netzwerk Climate Justice Action kritisiert die Abschlusserklärung des Klimagipfels in Kopenhagen als eine Klimavereinbarung ohne Klimaschutz. Zudem werde "falschen Lösungen", wie dem Emissionshandel, weiter der Boden bereitet. Stattdessen sei eine neue Politik für Klimagerechtigkeit notwendig, die dabei ansetzt die fossilen Ressourcen im Boden zu belassen und im Norden nicht mehr auf Wirtschaftswachstum zu setzen.

"Trotz Erfolgs-PR ist mit diesem UN-Prozess und diesen Regierungen kein effektiver und gerechter Klimaschutz möglich: Die COP war ein Flop. Mit diesem Papier werden sich die Klimakrise und die globale soziale Katastrophe weiter zuspitzen", erklärte Alexis Passadakis von Climate Justice Action. Das war von Anfang an klar. Bereits das Kyoto-Protokoll hat zu keinen Emissionsminderungen geführt, sondern vor allem eine profitable Co2-Finanzindustrie auf den Weg gebracht."

Für Climate Justice Action ist in Kopenhagen ein erster Schritt einer globalen Bewegung für Klimagerechtigkeit gemacht worden. Am Mittwoch versuchten mehrere hundert Protestierende auf das Konferenzgelände zu gelangen, um für Klimagerechtigkeit zu demonstrieren. (...)

Weitere Presseerklärungen:
http://www.climate-justice-action.org/press/


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8) Gipfel in Kopenhagen produziert viel heiße Luft

Beitrag siehe unter:
http://www.heise.de/newsticker, 19.12.2009


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9) Funken einer besseren Welt, Bettina Dyttrich in der Woz

Artikel siehe unter:
http://www.woz.ch/artikel/archiv/18699.html


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Quelle:
BUKO Sondernews zur UN-Klimakonferenz in Kopenhagen vom 23.12.2009
Geschäftsstelle der BUKO (Bundeskoordination Internationalismus)
Nernstweg 32-34, 22765 Hamburg
Telefon: 040/393 156, Fax 040/280 55 122
E-Mail: mail@buko.info
Internet: www.buko.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2009