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BERICHT/1126: Demonstration vor der honduranischen Botschaft in Berlin - Teil 2 (Ansprache)


Queeres Bündnis Walter Trochéz / Queer Alliance Walter Trochéz Berlin

Honduras geht uns alle an

Ansprache eines Aktivisten des Queeren Bündnisses Walter Trochéz am 28.06.2010


Wir begrüßen euch alle, die ihr euch heute hier versammelt habt. Auch ein Jahr nach dem Putsch in Honduras zeigen wir unsere Solidarität mit der honduranischen Widerstandsbewegung. Die Morde haben nicht aufgehört - auch nach der Amtsübernahme des in einer Wahlfarce an die Macht gekommenen Präsidenten Porfirio Lobo - wie zu erwarten war. Die massenhafte Entlassung missliebiger Richter_innen und die gezielte Tötung kritischer Journalist_innen in den letzten Monaten sprechen für sich.

Wir, als Menschen aus queeren Zusammenhängen, hören nicht auf, die Morde an 19 Transgendern und Schwulen nach dem Putsch in Honduras anzuklagen - so wie auch die Ermordung Dutzender anderer Menschen durch die Putschregierung.

Wie Judith Butler sind auch wir der Meinung, dass wir uns gemeinsam mit anderen Diskriminierten gegen jede Art von Unterdrückung gemeinsam wehren müssen. Deshalb lautet unsere Forderung an die queere Gemeinschaft, an alle Menschen, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell, transgender oder queer lebend verstehen: Es muss immer auch darum gehen, dass wir uns gegen jede Form von Krieg und Gewaltherrschaft, Sexismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzen. Ebenso fordern wir von den antikapitalistischen und antifaschistischen Bewegungen, unsere Belange ernst zu nehmen, immer auch gegen Homo- und Transphobie zu kämpfen.
Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen!

© für die Photos by lexifoto, lexifoto@gmx.de

Unser Bündnis trägt den Namen von Walter Tróchez. Als schwuler AIDS-Aktivist gehörte er der breiten Widerstandsbewegung gegen den rechten Putsch in Honduras an. Obwohl er wusste, dass ihn das sein Leben kosten könnte, leistete er bis zu seiner Ermordung Widerstand gegen das Putschregime. Ihm ist es zu verdanken, dass die Welle der Gewalt auch gegen Transgender und Schwule weltweit bekannt wurde.

Walter Tróchez war es auch, der darauf hinwies, wer den Putschisten in Honduras applaudiert: Neben Militärs und Unternehmerverbänden wurde der Staatsstreich aktiv unterstützt auch von der katholischen Bischofskonferenz, Evangelikalen, der sogenannten Lebensrechtsbewegung und dem Opus Dei. Dabei handelt es sich um Kräfte, die nicht nur die Herrschaft der alten Eliten, sondern auch erzkonservative Werte sichern wollen. Sie wollen freien Menschen das Recht absprechen, so zu leben wie sie wollen und über ihre Körper selbst zu entscheiden.

Die Tatsache, dass die Morde bis heute nicht aufgeklärt wurden, zeigt, dass Polizei, Justiz und die Regierung von Porfirio Lobo die Menschenrechtsverletzungen weiterhin vertuschen wollen. Die Einsetzung einer angeblichen Wahrheitskommission durch die Regierung dient nur als Alibi für die tatsächliche Untätigkeit. Wir fordern die lückenlose Aufklärung aller Verbrechen des Putschregimes!

© für die Photos by lexifoto, lexifoto@gmx.de

Die Homo- und Transphobie in Honduras, mit den grausamen Fällen von Folter, Verstümmelung und Mord, hat sich in dieser Größenordnung erst nach dem Putsch entfaltet. Doch schon zuvor existierte das Problem. Weltweit werden Menschen, die sich nicht den Normen einer heterosexuellen Zwei-Geschlechter-Ordnung unterwerfen, tagtäglich diskriminiert. Das reicht von Sticheleien und Beleidigungen über körperliche Gewalt bis hin zum Mord. Betroffen davon sind vor allem Trans*menschen.
Wir finden, das muss ein Ende haben. In Honduras und überall - auch hier bei uns!

Ein besonderes Anliegen ist es uns jedoch, erneut auf jene Akteure in Deutschland aufmerksam zu machen, die mitverantwortlich sind für die Situation in Honduras. Ich spreche von der Friedrich-Naumann-Stiftung "für die Freiheit". Die FDP-nahe Stiftung und ihre Mutterpartei FDP haben nichts unversucht gelassen, den Putsch zu verharmlosen.

Wir finden es ekelhaft, wie eine Partei, die hier versucht, sich mit Homorechten zu profilieren, in Honduras Zustände verteidigt, denen 19 Transgender und Schwule zum Opfer fallen mussten. Das Verhalten der Friedrich-Naumann-Stiftung im Fall Honduras muss alle beschämen, die der FDP bei Wahlen ihre Stimme geben.
Wir sagen: Naumann-Stiftung raus aus Lateinamerika!

Wir stehen an der Seite der Menschen, die sich für eine gerechtere Gesellschaft in Honduras einsetzen! Wir unterstützen ihr Engagement hier, wo wir sind. Schluss mit der neokolonialen Außenpolitik Deutschlands und Europas. Wenn Rechtsliberale sich weltweit vernetzen, müssen wir dem starke emanzipatorische Netzwerke entgegensetzen! Die Zeit der sich verschärfenden Wirtschaftskrise ist der beste Moment dafür!

© für die Photos by lexifoto, lexifoto@gmx.de

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Quelle:
Queeres Bündnis Walter Trochéz / Queer Alliance Walter Trochéz Berlin
Ansprache auf der Demonstration vor der honduranischen Botschaft
in Berlin zum Jahrestag des Putsches, 28. Juni 2010


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2010