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BERICHT/990: Indonesien - Besuch bei den Regenwald-Kämpfern (Regenwald Report)


Regenwald Report Nr. 2/09 - www.regenwald.org

Indonesien: Besuch bei den Regenwald-Kämpfern

Journalistin und Regenwaldschützerin Christiane Zander besucht Umweltgruppen auf der Insel Kalimantan und berichtet von ihrer Reise


In Indonesien fallen Urwaldriesen für Ölpalmen, Tag für Tag. Mutig kämpfen die Mensch en um den Wald, von dem sie leben - gegen Palmöl- und Holzkonzerne und ihre eigene Regierung. Wir sind nach Sumatra und Kalimantan gereist, um die Bauern und Aktivisten unserer Partner-Organisationen zu unterstützen, haben ihre Ohnmacht erlebt - aber vor allem Erfolge. Und dafür ist jeder Euro gut angelegt.
Anmerkung der Schattenblick-Redaktion:
Der Schattenblick veröffentlicht das komplette Reisetagebuch aus dem News-Bereich der Webseite www.regenwald.org.


Reisetagebuch Indonesien / 1. Etappe: Westkalimantan

23.05.: COP auf Borneo

23.05.: COP auf Borneo

Sa., 23.5.09
Flug von Sampit/Zentralkalimantan nach Ketapang, Hauptstadt der Provinz Westkalimantan. Auf dem ca. 90minütigen Flug wurde schon die ganze Tragödie dieses Landes sichtbar: Nur abgeholzte Wälder, eine Palmölplantage an der anderen, dazwischen Ödland und braune Narben vom Abbrennen. Nur entlang der Flussläufe, die sich zwischendurch schlängeln, hat man schmale Waldränder stehenlassen. Sie gelten als sog. Pufferzonen für die Orang Utans. Auch einzelne Waldinseln sind zu sehen, meistens sind es Berge.

23.05.: Palmöl-Wüste auf dem Flug nach Westkalimantan

23.05.: Palmöl-Wüste auf dem Flug nach Westkalimantan

Am Flughafen von Ketapang holen uns Melkias und Lutfi ab, zwei Orang Utan-Retter von COP, dem Centre of Orang Utan Protection. Sie erzählen uns von ihrer Rettungsaktion letzte Woche: Vier Affen haben sie vor den Raupen der Plantagenarbeiter gerettet. Zwei sind im nahen Dorf untergekommen, dort will man sie als Haustiere halten. Es sind Babys. Einen haben sie zum Aufpäppeln in das Zentrum von BOS gebracht, und einer wartet in einem Käfiglager, dass das Conservation Department der Regierung für gerettete Tiere als Transitstation unterhält. Diesen Affen, ein vierjähriges Männchen, wollen sie im Nationalpark Gunung Palung aussetzen, doch die Parkverwaltung verweigert die Annahme.

Indonesien

So., 24.5.09

Wir fahren auf eine Palmölplantage. Zuerst geht die Fahrt mit dem Auto Richtung Norden, bis wir das Städtchen Teluk Melano erreichen. Hier machen sie gute Geschäfte mit Schwalbennestern, die zumeist an China verkauft werden. Die Fahrt dauert etwa zweieinhalb Stunden, ein Dorf reiht sich ans andere, dahinter erstrecken sich die Reisfelder, Wälder sind nicht mehr zu sehen. Wir nehmen zwei Boote und fahren ca. 45 Minuten den Seiterong-Fluss hinauf. Er wird gesäumt von Palmen und schmalen Streifen Wald, man sieht hier kaum Dörfer. Hinter den Wäldern zu beiden Seiten erstrecken sich die Palmölplantagen.

24.05.: Kahlschlag für Ölpalmen am Fluss Terong

24.05.: Kahlschlag für Ölpalmen am Fluss Terong

Im Plantagen-Camp Terong wohnen und arbeiten ca. 20 Arbeiter, viele kommen von außerhalb, z.B. von Sumatra, hier, so sagen sie, verdienen sie mehr als in ihrer Heimat, ca. 25 000 Rupien pro Tag, also knapp zwei Euro für eine Wahnsinnsplackerei. Mittags erscheint der Manager der Palmölfirma Jalin Vaneo. Er erzählt uns, dass sie seit Januar 2008 hier den Boden für Plantagen vorbereiten und 4000 ha auch schon bepflanzt haben. Insgesamt sind in diesem Distrikt 25 000 ha geplant. Fünf Jahre, sagt er, dauert es, eine solche Plantage vorzubereiten und zu bepflanzen. Wir fragen, ob die Arbeiter "Probleme" mit Orang Utans haben, denn natürlich gehen die Affen auf die Plantagen und fressen die Früchte, um zu überleben. Nein, meint der Manager, mit den Affen haben wir keine Probleme. Wir haben Probleme damit, dass die Regierung die Affen schützt. Später erfahren wir, dass Jalin Vaneo in diesem Gebiet Torfland trockenlegt, Wälder abholzt, obwohl sie keine vollständige Erlaubnis dafür haben. Das Gebiet ist Orang-Utan-Habitat, und zwei der Affen, die COP gerettet hat, stammen von hier. Ich bin auch dafür, dass man die Orangs schützt, sagt der Manager, die COP-Leute sollen versuchen, dass der Nationalpark den einen der beiden nimmt. Selbst verhandeln will er allerdings nicht. Wir fahren mit dem Boot auf Erkundungstour und entdecken überall Bagger und schweres Gerät, die das Land für Plantagen vorbereiten. Ein schreckliches Bild: überall nur verkohlte Erde und Baumgerippe.

Mo., 25.5.09
Wir sitzen wieder im Boot, diesmal im traditionellen Langboot, weil unseres streikt, und sind auf der Suche nach Abholzung, die wir filmen wollen. Plötzlich hören wir das Dröhnen von Motorsägen und gehen an Land. Wir müssen eine Weile durch den Sumpf waten, bis wir die Arbeiter finden. Sie fällen Bäume für die Behausungen, die auf den Plantagen errichtet werden. Plantagen dürfen sie hier nicht anlegen, denn die Uferbewaldung dient als Pufferzone.

Die Camps werden übrigens von Soldaten bewacht. Melkias und Lutfi von COP sind auf der Suche nach hilflosen Orang Utans, mit GPS, Betäubungsblasrohr und Machete schlagen sie sich durch den Wald am Ufer, machen die Rufe der Orangs nach. Es ist hier jedoch keiner zu sehen.

Nachmittags Rückfahrt nach Ketapang, zuerst mit Boot, später im Auto.

26.05.: Gerettetes Affenbaby im Transitlager wartet auf sein Schicksal

26.05.: Gerettetes Affenbaby im Transitlager wartet auf sein Schicksal

Di., 26. 5.09
Wir fahren zu der Transfer-Station, die das Conservation Department für gestrandete Tiere unterhält, es liegt in einem Wohngebiet von Ketapang. Eine grüne Mauer umgibt das kleine Gartenstück, und eine Reihe von Käfigen ist zu sehen. In der Mitte steht ein großer Käfig, hier ist das 14-jährige Orang-Weibchen Mona eingekerkert. Seit 3 Monaten wartet sie darauf, dass sie einigermaßen artgerecht untergebracht wird, BOS wollte sie nicht nehmen. Mona diente als Spielzeug in einem Privathaushalt. Auch zwei weitere kleinere Orang Utans und ein Adler lebten bei Menschen, jetzt warten sie auf ein neues Schicksal. Ganz in der Ecke, im letzten Käfig, kauert völlig verängstigt das von COP gerettete Affenbaby, ein vier Jahre altes Männchen. Dieses Tier sollte ursprünglich im Nationalpark ausgewildert werden, wo man die Annahme verweigert. Seit einer Woche lebt es in diesem Käfig, wenn man es nicht bald in die Natur zurückbringen kann, sagt der Wärter, wird es sich dort nicht mehr zurechtfinden. Die Zeit drängt.

Mona ist übrigens so traumatisiert, dass sie Besucher permanent mit Steinen bewirft. Nur Melkias lässt sie an sich heran. Diese ganze Transitstation ist eine ziemlich traurige Angelegenheit. Vor den Affenkäfigen überreichen wir die 820 Euro-Spende der Schüler aus Bühlertann. Die COP-Leute sind sichtlich bewegt, als wir ihnen erzählen, dass Kinder gesammelt haben für die Orang Utans, weil sie begriffen haben, dass Indonesien nicht so weit weg ist, und auch wir etwas mit der Regenwaldzerstörung zu tun haben.

Am Nachmittag fahren wir in Begleitung der COP-Jungs zum Nationalpark, um dort zu fragen, warum sie den Orang Utan nicht nehmen. Wir haben nur einen kleinen Park, argumentieren sie, die Verantwortung liegt bei der Regierung. Wenn sie einen Orang Utan nehmen, müssen sie auch weitere nehmen. Der Orang soll dort ausgesetzt werden, wo die COP Leute ihn gefunden haben. Nebenbei erzählen sie uns, dass die Regierung gerade weitere 4 Millionen ha für Plantagen freigegeben hat.

26.05.: Waldbrand im Distrikt Nangatayapl

26.05.: Waldbrand im Distrikt Nangatayapl

Nachmittags Fahrt in den Distrikt Nangatayap, 145 km von Ketapang entfernt. Dennoch dauert die Fahrt 8 Stunden, weil die Straße unbeschreiblich schlecht ist, voller Löcher und Wellen. Dann, es ist schon dunkel, sehen wir ein beängstigendes Feuer vor uns. Kilometerweit Flammen und Funken, der Rauch verdeckt den Sternenhimmel. Wir filmen diesen gigantischen Waldbrand und sind nur noch wütend.
In Nangatayap lebt und agiert der katholische Pfarrer Banguin. Er ist ein echter Aktivist, sorgt für Informationen und Netzwerke, und eigentlich ist er nur noch Pfarrer, damit er die Leute unterstützen kann, ihm würde man nichts anhaben.

Der Distrikt Nangatyayp ist ca. 2 Mio. ha groß, mehr als eine Mio. davon ist bedeckt mit Ölplantagen, also mehr als die Hälfte. Die Menschen hier leben davon, dass sie wilden Kautschuk sammeln, Kautschuk wächst in den Wäldern und wird von den Bauern gezapft. Sie bauen auch Kautschuk an. Wir treffen einen Dorfchef, der Probleme mit der Palmölplantage hat. Man hat ihm einfach 2 ha gestohlen, und er hat bis heute kein Geld dafür bekommen. Wir fühlen uns klein und hilflos, sagt er, nur weil wir keine Bildung haben, machen sie mit uns, was sie wollen.

Wir fahren zur Palmölplantage von Sinar Mas, zur Abfüllstation des Herbizids Roundup, das sie benutzen. Wir sprechen zwar mit dem Manager, dürfen aber nicht drehen, wie die Arbeiter das Gift versprühen. Viele Arbeiter, sagt der Pastor, werden krank.
Die Fahrt offenbart links und rechts die schrecklichen Wunden, die die Plantagen hinterlassen, nur in der Ferne sieht man noch Wald auf den Bergen. Ansonsten Palmen, Palmen, Palmen, und dazwischen, wie Mahnmale, verkohlte, abgestorbene Bäume. Das Schreckliche ist, dass das Grün auf den ersten Blick die Dramatik gar nicht zeigt, es sieht z. T. eher idyllisch aus. Die Rückfahrt zum Pfarrhaus wird zum Abenteuer: Heftiger Tropenregen verwandelt die roten Straßen in Schlammwege. Die COP-Jungs und Udin von Save our Borneo, der uns nach Westkalimantan begleitet (er ist aus Palangkaraya in Zentralkalimantan und Mitarbeiter von Nordin) erweisen sich als richtige Helfer: Mit Holzplanken, Abschleppseilen und Anschieben befreien sie unser Auto aus dem Schlamm. Und außerdem erweisen sie sich als zuverlässige, verantwortungsbewusste Partner von Rettet den Regenwald. Überall fragen und halten sie Ausschau nach halbwegs intaktem Wald, wo sie ihre Orang Utans freilassen können. Ansonsten, sagen sie, können sie auch keine mehr retten.

Der Pfarrer erzählt von einer neuen Idee. Er arbeitet eng mit den hiesigen Dayaks zusammen (er selbst stammt aus Java). Die Dayaks brauchen dringend ein kleines Wasserkraftwerk für Strom, denn dort, wo sie leben, gibt es keinen Strom. Sie brauchen ihn für ihre Kautschukverarbeitung. Sie haben noch 160 000 ha Wald mit wildem Kautschuk. Wenn dafür Geld gesammelt werden könnte, könnten sie auch ihren Wald retten und für die geretteten Orang Utans zur Verfügung stellen.

Am frühen Nachmittag machen wir uns auf die 8stündige Rückfahrt nach Ketapang. Wir kommen an dem Waldstück vorbei, das in der Nacht gebrannt hat. Wegen des heftigen Regens hat das Feuer nicht alles zerstört. Sie werden ihn wohl noch einmal anzünden. Wir erfahren, dass hier wieder die Palmölfirma Jalin Vaneo am Werk ist, deren Manager wir ja schon getroffen hatten, und wo COP die Orang Utans gerettet hat. Melkias steht vor diesem Land und sagt: Hört endliche auf, den Wald abzuholzen, der Wald gehört den Orang Utans. Gestern abend sind Hunderte in diesem Feuer gestorben.


Reisetagebuch Indonesien / 2. Etappe: Zentralkalimantan

28.05.: Der Weg nach Tanah Putih führt durch endlose Palmwüste

28.05.: Der Weg nach Tanah Putih führt durch endlose Palmwüste

Do., 28.5.09
Wir fahren mit Nordin in das Dayak-Dorf Tanah Putih. Ca. 1,5 Stunden von Sampit entfernt. Zuerst ist die Straße noch asphaltiert, Palmen links und rechts bis zum Horizont. Dann biegen wir in einen Sandweg ein und stehen vor einer Schranke und einem Wachhäuschen. Wenn man nach Tanah Putih will, muss man mitten durch das Palmenmeer der Konzerne Wilmar und Musimas. Das Dorf ist nicht über eine normale Straße zu erreichen, sondern nur über die Wege der Ölfirmen. Die Menschen sind umgeben von Plantagen, 100 km lang und 8 km breit, eine unvorstellbare Fläche. Sie müssen immer durch diese Schranke und sind komplett eingeschlossen von Monokulturen. Nur ein paar kleine Wälder hat man ihnen gelassen, aber niemand weiß, für wie lange. Seit Generationen gehörte ihnen der Wald, sie sind Halbnomaden, leben von seinen Früchten, Pilzen, Waldschweinen und wildem Kautschuk. Dann haben sich die Ölfirmen von der Regierung die Erlaubnis geholt, das Land zu nutzen. Die Waldbewohner wurden nicht gefragt, als die Bulldozer anrückten und den Wald vernichteten. Das Land war Torfmoor, man hat es trockengelegt und Entwässerungsgräben angelegt, die zum Teil ziemlich stinken und auch schäumen. Wir treffen 3 Arbeiter, die mit Kanistern auf dem Rücken Herbizid versprühen. Es ist das hochgiftige Paraquat, seit 10 Jahren in Europa verboten. Die Männer klagen über Augenreizungen, Atembeschwerden, aber sie wissen nicht, was sie versprühen. Einer trägt eine Maske, für die anderen gab es keine. Die Plantage ist ein einziges Labyrinth, stundenlang kann man hier herumirren.

Der lokale Kontaktmann von Save our Borneo fährt voraus, er kennt den Weg, er versorgt Nordin in Palangkaraya mit Informationen aus den Dörfern um Sampit. Wir machen den ersten Kontakt zu Guntur Gregorius, er ist der Kopf der Bewegung, die seit Jahren gegen den Konzern kämpft. Den Menschen in seinem Dorf ist nur ein winziger Wald geblieben und kaum Land für die Kautschukbäume, von denen sie leben. Während Wilma und Musimas Tausende Hektar bewirtschaften.
Guntur hat seit zwei Jahren Kontakt mit den Aktivisten von SOB (Save our Borneo)

Fr., 29.5.09
Dieser Tag gehört ganz dem Dorf. Wir gehen mit Guntur, seinem Sohn Sigit und seiner Nichte Via (beide sind 11 Jahre alt), in den kleinen Wald, der ihnen noch geblieben ist. Der Wald ist dicht, riecht nach frischem Grün und vermoderndem Holz, auf dem Pilze wachsen, Früchte wie Durian und Rambutan wachsen hier, Rattan und riesige Bambusstauden. Und wilder Kautschuk, den Gunturs Urgroßvater gepflanzt hat. Er ist die Hauteinnahmequelle der Dörfler, doch die versiegt immer mehr.
Man spürt sofort den Unterschied zwischen dem Waldklima und der drückenden Luft über den Plantagen, und wir bekommen eine Vorstellung davon, was das für die Menschen hier bedeutet, die der drückenden Schwüle niemals mehr entkommen können.

28.05.: Landhaus im Wald von Tanah Putih: Die Dayaks leben größtenteils im Wald, um ihn zu bewirtschaften.

28.05.: Landhaus im Wald von Tanah Putih: Die Dayaks leben größtenteils im
Wald, um ihn zu bewirtschaften.

Ein alter Weiser aus dem Dorf erklärt den Kindern, was sie alles im Wald finden können, und nach einer guten Stunde kommen wir an einen besonderen Platz: hier stehen die fünf alten letzten Urwaldriesen, Wohnsitz der Geister und Nistplatz für die Orang Utans. Niemals würden die Menschen einen solchen Baum fällen, er ist ihnen heilig. Erst wenn er von allein stirbt, würden sie sein Holz für ihre Häuser nutzen.
Tanah Putih liegt an einem Fluss, den die Bewohner als Badewanne nutzen und als Nahrungsquelle. Doch seit die Plantagen den Fluss verschmutzen, haben sie Hautreizungen und fangen kaum noch Fisch.

Wo er geht und steht, hat Guntur sein Englischbuch dabei und probiert seine Kenntnisse an uns aus. Er ist derjenige, der den Widerstand gegen die Palmölfirmen im Dorf organisiert. Schon zweimal war er in Jakarta, um sich Rat und Unterstützung von NGOs zu holen, die Erfahrung haben mit dem Widerstand gegen Ölkonzerne und Politiker. Als Guntur zum ersten Mal in einem Flugzeug saß und das ganze Ausmaß der Tragödie von oben gesehen hat, war ihm klar: Wenn nichts passiert, wenn wir nicht kämpfen, dann ist bald der ganze Wald verschwunden. Diese Bilder haben ihn nicht nur tief verstört, sondern ihm auch Kraft gegeben für seinen Kampf. Das Geld für die Reisen haben übrigens die Leute im Dorf gesammelt.

Allerdings, sagt Guntur, sind nur zehn Prozent der 1500 Einwohner bereit zu kämpfen. Fünf Prozent haben sich auf die Seite der Ölfirmen geschlagen, sie haben sich kaufen lassen und versuchen nun, die Dörfler im Sinne der Konzerne umzustimmen. 85 Prozent der Leute schauen erstmal zu, was passiert. Ich kann sie verstehen, sagt Guntur trotzdem, wir sind hier bitterarm. Ein Fünftel der Bevölkerung arbeitet bereits als Tagelöhner auf den Plantagen, für 28 000 Rupien am Tag, ca. 2,20 Euro. Doch immer nur, wenn sie geholt werden, meist ohne Verträge.

Die Ölfirmen gehen immer auf dieselbe Art vor: Sie holen sich von der Regierung die Erlaubnis und holzen ab. Wenn die Menschen, denen das Land gehört, sich beschweren, bekommen sie eine kleine Kompensation, aber nur dann.
Diese Politik entzweit unsere Gesellschaft und sogar Familien, sagt Guntur. Er zum Beispiel will um sein Land und seinen Wald kämpfen, sein Bruder aber will es verkaufen. Das ist eine weitere Tragödie hinter dem Milliarden-Geschäft der Ölmultis.

Gunturs Botschaft an alle Konsumenten lautet deshalb:
Stoppt euren Palmölverbrauch. Palmöl macht euch glücklich, aber wir kämpfen dagegen mit unserem Blut. Es zerstört unsere Lebensgrundlage. In den Plantagen haben die Konzern-Manager große Häuser und große Autos, wir haben hier nichts. Es gibt keine Gerechtigkeit in diesem Geschäft, wir leben wie die Sklaven, während die Wilmar-Manager aus Malaysia, Singapur und China wie Könige leben.

Ich übernachte mit Udin von Save our Borneo im Dorf, und die Diskussion geht noch weiter, bis der Strom-Generator gegen 22 Uhr abgeschaltet wird.

30.05.: Ölmühle des Wilmar-Konzerns

30.05.: Ölmühle des Wilmar-Konzerns

Sa., 30.5.09
Wir fahren in die Höhle des Löwen, zu Wilmar. Wir haben einen Termin mit einem der Manager gemacht, Mr. Leng, halb Chinese, halb Malaysier. Wir dürfen Fotos machen, aber nicht drehen. Mr. Leng spricht voll Stolz vom High Conservation Forest und meint damit winzige Waldinseln inmitten der Ölplantagen, die sie schützen. Für Menschen und Tiere. Aber die Karte, die er uns zeigt, offenbart, wie klein dieser Wald wirklich ist im Vergleich zu den Öl-Plantagen. Wilmar hat das RSPO-Label beantragt, im Juli ist Anhörung, in drei Monaten, glaubt man, wird man es haben. Auf dieser Plantage, betont Mr. Leng, würde man nicht das verbotene Herbizid Paraquat einsetzen. Klar, man will ja das Label. In Malaysia allerdings wird es versprüht. In Zentralkalimantan verwendet man Roundup, was ja bekanntlich auch nicht unbedenklich ist, aber noch nicht gebannt.

Den sozialen Aspekt formuliert ein Wilmar-Kollege so: Wir bauen für die Dayaks Schulen, geben ihnen Bildung und beschäftigen sie auf unseren Plantagen. Allerdings oft nur als Tagelöhner mit den untersten und gefährlichsten Jobs. Für höhere Posten seien sie nicht geeignet. Mr. Leng jedoch nennt das eine Win-Win-Situation. Dazu fällt einem nichts mehr ein.

Eine zehnköpfige Wilmar-Abordnung folgt uns auf die Plantagen und in die ziemlich schrottige Ölmühle, wo wir uns ein Bild machen dürfen. In der Mühle herrscht Höllenlärm, dennoch trägt keiner der Arbeiter Ohrenschützer.

Dennoch erweist sich Mr. Leng nicht als Hardliner. Er gesteht uns zu, dass wir aus dem Auto heraus filmen dürfen, er jedoch weiß von nichts. Wenigstens eine kleine Geste.

So., 31.5.09
Wir fahren von Sampit zurück nach Palangkaraya, 5 Stunden Fahrt, fast ausschließlich durch Ölplantagen. Nur ein paar Wälder sieht man noch, sie stehen an Sümpfen und sind deshalb für Palmölplantagen uninteressant.

Unterwegs machen wir einen Abstecher auf eine Plantage von IOI, Wir wollen dokumentieren, ob bzw. dass sie dort das in Europa verbotene Gramozone versprühen. Es ist Sonntag, wir sehen kaum Arbeiter. Dann stoßen wir auf eine kleine Arbeiter-Siedlung, sie ist völlig heruntergekommen. 30 Familien wohnen hier in einer schattenlosen Wüste. die meisten wurden aus Java hergebracht, um auf den Plantagen zu arbeiten. Ein Arbeiter ist bereit auszusagen, dass hier Gramozone benutzt wird, allerdings nicht vor laufender Kamera. Wir entdecken die Kanister durchs Fenster des abgeschlossenen Büros des Vorarbeiters. Wir klären den Mann über das Gift auf, von dem die Menschen hier nichts wissen. Deshalb, sagt der Mann, sind wir ständig krank, uns ist oft übel und wir haben Haut- und Atemwegskrankheiten.

Am Montag fliegen wir von Kalimantan zurück nach Jakarta. Auf dem Flughafen treffen wir Guntur Gregorius mit drei Mitstreitern aus Tanah Putih, unserem Dayak-Dorf. Auch sie sind auf dem Weg nach Jakarta. Dort wollen sie ihr Anliegen der Menschenrechtskommission vortragen und auch mit Leuten von Sawit Watch sprechen. Wir wollen, sagt Guntur, dass die Zerstörung unseres Regenwaldes zur nationalen Angelegenheit erhoben wird.


Reisetagebuch Indonesien / 3. Etappe Sumatra

02.06.: Sumatra

02.06.: Sumatra

Di., 2.6.09
Wir fliegen nach Jambi, in die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Herzen der Insel Sumatra. Dort treffen wir Feri Irawan, der im Vorstand von Wahli Indonesien sitzt, dem hiesigen Zweig von Friends of the Earth. Vor allem aber ist Feri Aktivist und die Schlüsselfigur im Kampf um die Landrechte und den Wald der Bevölkerung und gegen die zerstörerischen Machenschaften der Palmölindustrie in seiner Heimat Sumatra. Von Feri erfahren wir, dass die Insel nur noch zu einem Fünftel bewaldet ist. Von den 5 Millionen ha Insel-Fläche gibt es nur noch 1,1 Millionen ha Wald. Und der steht inzwischen fast überall unter Schutz. Damit hat Sumatra weniger Wald als Palmölplantagen: 1,4 Mio. ha nehmen die Monokulturen ein, weitere 1,2 Mio. sind geplant. Wenn diese Pläne umgesetzt werden, befürchtet Feri, wird es einen Bürgerkrieg geben, denn dann haben die Menschen nicht mehr genug Land, um ihre Nahrungsmittel anzubauen. Schon jetzt gibt es kaum Früchte zu kaufen, das meiste wird importiert. Das bedeutet: Ein Kilo Früchte z.B. kostet 12.000 Rupien, das ist mehr als ein Drittel eines Tageslohns.

03.06.: Die Tigerin im Zoo in Jambi in ihrem winzigen Verschlag

03.06.: Die Tigerin im Zoo in Jambi in ihrem winzigen Verschlag

Mi., 3.6.09
Wir besuchen mit Feri den Zoo in Jambi. Zoobesuche sind immer schrecklich, wer mag schon eingesperrte Wildtiere sehen. Doch wir haben einen besonderen Grund. Im Zoo sitzt eine wilde Tigerin hinter Gittern. Dieses Bild versetzt uns allen einen Schock: Das Tier kauert in einem vergitterten Verschlag, der gerade mal so groß ist, dass sie sich umdrehen kann. Sie versteckt sich vor den neugierigen Blicken der Menschen, will nicht gesehen werden. Und wenn ihr jemand zu nahe kommt, geht uns ihr Fauchen durch Mark und Bein. Diese 10jährige Tigerin hat unbeschreibliche Angst.

Seit drei Monaten ist sie hier eingesperrt. Ihr Vergehen: Sie hat einen Menschen getötet und weitere acht verletzt. Es waren illegale Abholzer, und man weiß nicht genau, wer sie beauftragt hat. Man vermutet, dass die Palmölfirma der Makin-Gruppe dahinter steckt. Die Arbeiter sind in das Revier der Tigerin eingedrungen und haben ihren Lebensraum zerstört. Die Menschen aus den Dörfern, die mit den Tigern leben, respektieren diese majestätischen Tiere: Sie gehen nur zwischen 8 und 16 Uhr in den Wald, um Früchte zu ernten und Kautschuk zu gewinnen. Danach gehört der Wald den Tigern. Auch die Tiger respektieren den Lebensraum des Menschen. Niemals würde einer von ihnen ohne Not Menschen anfallen.

Doch diese Tigerin war in Gefahr. Sie hat nicht nur ihr Jagdrevier verloren, sondern auch ihre Jungen. Man hat sie nicht gefunden, aber der Tierartzt im Zoo meint, dass sie mindestens drei Junge gesäugt hat. Es wird vermutet, dass sie einem Händler in die Hände gefallen sind.

Die Tigerin ist nun schon so lange eingesperrt, weil man keinen Platz findet, um sie auszuwildern. In Jambi gibt es keinen geeigneten Ort, wo ihr Revier groß genug wäre, dass sie mit Menschen nicht mehr in Berührung kommt. In der Nachbarprovinz wäre es möglich, doch das wollen die Leute aus Jambi nicht. Es ist unser Tiger, proklamieren sie. So wird dieses wundervolle Tier, dessen Art streng geschützt ist, zum Spielball merkwürdiger Interessen. Es gibt, schätzt Feri, nur noch 120 Tiger auf Sumatra.

Am Nachmittag fahren wir 5 Stunden nach Sarolangun, ins goldene Herz von Sumatra. Das Gold hat einst die Könige angelockt.

Unterwegs Palmölplantagen und vor allem katastrophale Straßen. Vor einem Jahr sahen sie noch wesentlich besser aus. Der Asphalt leidet unter den zig Lastwagen voller Palmfrüchte und den Tankwagen, die uns permanent entgegenkommen.


Do., 4.6.09
Heute ist ein besonders spannender Tag - wir gehen vor Gericht. Es geht um das Schicksal von Rusdi, dem Bürgermeister des Dorfes Karang Mendapo, der seit Ende Januar im Gefängnis sitzt. Rusdi ist der Kopf und Anführer der Bauern, die gegen die Palmölfirmen des Multikonzerns Sinar Mas kämpfen. Rusdis Ruf geht jedoch weit über die Dorfgrenzen hinaus, er macht den Menschen Mut, dass sie sich gegen den Landraub und die ständigen Einschüchterungen der Schergen des Konzerns wehren können.

04.06.: Vor dem Gericht von Sarolangun: Polizei-Schilde und Knüppel bleiben diesmal liegen.

04.06.: Vor dem Gericht von
Sarolangun: Polizei-Schilde und
Knüppel bleiben diesmal liegen.

Sinar Mas ist der mutige, von der Bevölkerung gewählte Bürgermeister schon lange ein Dorn im Auge. Und deshalb haben sie ein Komplott geschmiedet, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Die Anklage: Rusdi soll knapp 2000 Euro unterschlagen haben, die ihm der Konzern für die Bauern geschickt hat, als lächerliche Entschädigung für Palmölernte auf ihrem Land. Niemand wollte das Geld, es sollte wieder abgeholt werden. Stattdessen kamen die Schergen von Sinar Mas und behaupteten, Rusdi wollte das Geld für sich behalten.

Monatelang saß der Bürgermeister ohne Anklage im Knast. Schließlich begann der Prozess, doch Rusdi hatte einen vom Gericht bestellten Anwalt, der kein sonderliches Interesse an seinem Klienten zeigte. Erst in der letzten Woche gelang es Feri, mit Spenden von Rettet den Regenwald renommierte Anwälte für Rusdi zu besorgen.
Es ist ein Stab von 6 Juristen aus Jakarta, unter Führung einer kampferprobten Anwältin, die dem indonesischen Parlament angehört. Sie sitzt in der Kommission, die eine Rechtsreform zu Landrecht und Umwelt erarbeitet.

Auf Feris Bitten hat sie Rusdis Verteidigung übernommen, weil sie zusammen mit ihren Kollegen einen Präzedenzfall schaffen will: Der regionale Fall Rusdi ist übertragbar auf den Landkonflikt in ganz Indonesien. Nur durch Spenden von Rettet den Regenwald konnten diese Anwälte bezahlt und damit auch ein ganz neuer Prozess in Gang gesetzt werden.

Heute war der 6. Verhandlungstag, und zum ersten Mal trat Rusdi also an der Seite einer versierten Anwältin in den Gerichtssaal von Sarolangun. Niemand hat davon gewusst, dass diese bekannte Anwältin und Politikerin aus Jakarta den Fall übernommen hat. Nicht mal die Richter.

Mehr als hundert Mitstreiter aus Rusdis Dorf waren versammelt, als der schwer vergitterte Gefängniswagen vorfuhr. Rusdi wurde begrüßt wie ein Held. Der Gerichtssaal war voll von seinen Freunden, wer keinen Platz fand, verfolgte die Verhandlung durch die offenen Türen. Und es wimmelte von Polizei und Geheimdienstagenten, die uns schwer aufs Korn nahmen. Wir haben ihnen glaubhaft erzählt, dass wir Freunde von Rusdi seien, aber von dort an war der Geheimdienstchef immer an unserer Seite. Wir beriefen uns auf das indonesische Recht, dass jede Verhandlung öffentlich sei. Das gelte nur für Indonesier, sagte er uns. Keine Filmaufnahmen, keine Fotos im Gerichtssaal. Birgits Tabak und die Einladung zum Mittagessen nahm er indes dankend an.
Die Verhandlung verlief anders als alle zuvor. Der Richter nahm den Angeklagten ernst und hörte auch aufmerksam den Zeugen zu. Es ging plötzlich nicht mehr nur um das angebliche unterschlagene Geld, sondern um viel mehr: um die künftige Landrecht-Politik in ganz Indonesien. Um den Kampf der Bauern um ihr Land und die Tatsache, dass sie von Sinar Mas immer wieder bestochen werden sollten, um endlich Ruhe zu geben. Vielleicht gibt es endlich eine Wende in der Palmölplantagen-Politik - und eine Chance für den letzten Regenwald Indonesiens.
Nach der Verhandlung kommt Rusdi aus dem Gerichtsgebäude, alle Freunde und Weggefährten sind versammelt, der Bürgermeister streckt die Faust in die Höhe und ruft Freiheit! Dann verabschiedet er sich von seinen Freunden, seiner Frau und uns, während das Knastauto, das ihn zurück ins Gefängnis bringen soll, mit laufendem Motor wartet - und plötzlich ohne Rusdi wegfährt. Der Irrtum wird natürlich sofort entdeckt. Aber alle lachen - vielleicht war das ein Symbol für seinen Freispruch?

05.06.: Dank der Kämpfer von Wahli kann sich der Regenwald im Gebirgstal von Kerinci wieder ausbreiten

05.06.: Dank der Kämpfer von Wahli kann sich der Regenwald im Gebirgstal von Kerinci wieder ausbreiten

Fr., 5.6.09
Wir fahren in das Bergland von Kerinci - es ist eine lange Fahrt, aber sie wird die schönste, die wir auf unserer Indonesien-Reise unternehmen. Denn wir sehen zum ersten Mal, wofür wir kämpfen und was es zu verlieren gilt: Dichter, grüner, duftender Regenwald, der sich wie ein Teppich über die Berglandschaft legt. Zwischendrin liegen Dörfer, und wenn das Wort idyllisch nicht so abgegriffen wäre - hier würde es passen. Die Menschen leben hier wie einst überall auf Sumatra: von und mit dem Wald. Das Land um den gewaltigen, aktiven Vulkan Kerinci ist Frauenland, sagt Feri, ein Matriarchat. Hier gehört den Frauen das Land, die Männer ziehen nach der Hochzeit in ihr Haus. Die Frauen vererben ihr Land und bestimmen, wie es genutzt wird. Frauen wollen Nachhaltigkeit, und genauso leben sie mit und von ihrem Wald, so bebauen sie ihr Land. Überall breiten sich Reisfelder und Gemüseäcker zwischen den Dörfern und den Wäldern aus, Kaffeebohnen und Zimtstangen liegen zum Trocknen am Wegesrand. Die Vulkanerde ist fruchtbar, und so haben die Menschen ihr gutes Auskommen.

Dieser intakte Regenwald ist keineswegs offiziell unter Schutz gestellt, sondern er ist das Resultat vom mutigen Kampf, den Feri Irawan und seine Mitstreiter von Wahli seit elf Jahren hier führen. Mit Spenden von Rettet den Regenwald. Sie haben einen Staudamm verhindert, den die Norweger als Entwicklungshilfeprojekt bauen wollten, sie haben der deutschen Holzfirma Pleiket das Handwerk gelegt und ihr Sägewerk schließen lassen. Und deshalb treiben seit vier Jahren keine Urwaldriesen mehr den Fluss hinab; stattdessen haben die Menschen aufgeforstet und die Lücken geschlossen.

"Wir machen natürlich nichts gegen den Willen der Menschen, die hier leben", sagt Feri. "Wir hören uns an, was ihnen wichtig ist, wir hören auf ihr Herz. Und wir trainieren sie, damit sie wie einst ihre Vorfahren vom Wald leben können, anstatt ihn zu verkaufen."

Der Schlüssel zum Erhalt des Regenwaldes liegt im Landrecht. Deshalb werden die Gelder vor allem in die Rechtsarbeit investiert. Zusammen mit kundigen Anwälten arbeiten Feri und Wahli daran, dass die Menschen das Recht auf ihr Land offiziell übertragen und beurkundet bekommen. Nur wenn sie ein verbrieftes Recht auf den Wald haben, werden sie ihn schützen. Die Verhandlungen sind inzwischen so gut wie abgeschlossen, jetzt müssen nur noch die Urkunden ausgestellt werden. Das Ganze ist ein langer, schwieriger Prozess. Ein Dorf aber hat die Urkunden bereits bekommen, es ist Keluru, und wir werden es morgen besuchen.

Unterwegs allerdings stoßen wir erstmal auf eine große Schweinerei. Kurz vor den Grenzen zum Kerinci Nationalpark zeigt uns Feri ein Stück Stein. Es ist Eisenerz, das es hier reichlich gibt. Überhaupt ist das Bergland um Kerinci sehr mineralienreich. Dieses Eisenerz hat sich vor einigen Wochen ein deutsches Unternehmen gesichert - per Vertrag mit dem Regierungsunternehmen PT Thambang Indonesia. Das Perfide an diesem Vertrag: Feri hat herausgefunden, dass das Erz Gold enthält, doch die Regierung glaubt ihm nicht. Und so wird die deutsche Firma, deren Namen Feri gerade recherchiert, unter geringeren Einfuhrzöllen Eisenerz importieren und Gold gewinnen. 60 000 ha Regenwald sollen dafür abgeholzt werden. Das Holz, so wurde bereits vereinbart, geht an Sinar Mas.

Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir am Fuße des Vulkans einen riesigen Wasserfall. Er hüllt die Landschaft in eine mystische Regenwaldstimmung.

Sa., 6.6.09
Das Regenwald-Musterdorf Keluru liegt an einem großen See, fruchtbare Reisfelder grenzen an seine Ufer. Keluru ist ein Juwel unter den Dörfern, die wir auf dieser Reise gesehen haben. Traditionelle Holzhäuser säumen die schmalen Wege, ihre Gärten sind voller Bougainvilleen und blühender Kakteen. Gleich hinter dem Dorf führt ein Weg in den Bergwald hinauf - er ist mit einer Schranke gesichert.

06.06.: Wasserfall im Kerinci-Seblat-Nationalpark

06.06.: Wasserfall im
Kerinci-Seblat-Nationalpark

Feri Irawan und Wahli haben Keluru zum Musterdorf erkoren, weil die Menschen dort bis heute ihren Wald bewahrt haben, und deshalb können sie ein Beispiel geben für alle Dörfer rundherum. Wie schon beschrieben, geht es darum, den Menschen per Urkunde ihr Land zuzusichern, damit sie den Wald nutzen und bewahren. Bis zu 80 000 Hektar Regenwald wollen die Wahli-Kämpfer in verschiedenen Distrikten von Kerinci auf diese Weise retten. Sie bieten dafür Workshops an, wo es um Rechtschutz, Umweltschutz, Beratung und Bildung geht. Immer im Einklang mit den Bedürfnissen der Menschen. In diese wichtige Arbeit fließt auch Spendengeld von Rettet den Regenwald.

Die Bewohner von Keluru sind nun die ersten, die Urkunden für ihr Land in Händen halten.
Schon bevor die Berater von Wahli ins Dorf kamen, hatten sie ein eigenes Forstministerium und einen Waldpräsidenten. Doch sie fürchten um den Fortbestand ihres Waldes und ihrer Kultur, denn rundherum wurde stetig abgeholzt. Deshalb suchten sie Hilfe bei Feri und Wahli. Jetzt gehört ihnen der Wald offiziell, und sie nutzen ihn so weise wie zuvor.

Der Waldpräsident und der Waldrichter sorgen zum Beispiel dafür, dass nur dann ein Baum gefällt wird, wenn jemand aus dem Dorf ein Haus bauen oder renovieren will. Und immer muss er einen Teil von dem Holz der Dorfgemeinschaft überlassen. Und für jeden gefällten Baum muss ein neuer gepflanzt werden.

Wir folgen den beiden in ihren Wald, und dort erklären sie uns, dass sie noch große Pläne haben. Sie wollen zum Beispiel eine Baumschule gründen, um fachkundig aufforsten zu können. Und auch zu experimentieren - z.B. ob sich Zuckerpalmen für den Mischwald eignen. Sie würden zusätzliches Einkommen in die Dorfkasse spülen. Doch für eine Baumschule fehlt den Bewohnern von Keluru das Geld. Am nächsten Tag erfahren wir, dass der Waldpräsident Feri bereits eine Liste mit Setzlingen für die Baumschule geschickt hat. Sie wollen sich dabei von einem Forstexperten beraten lassen, welche Baumart zu ihrer Waldgesellschaft passt.

Ganz erfüllt von der Schönheit des Regenwaldes fahren wir zurück nach Sarolangun - in die Palmöl-Wüste.

07.06.: Die Bauern von Karang Mendapo ernten die Nüsse des Palmölmultis Sinar Mas

07.06.: Die Bauern von Karang Mendapo ernten die Nüsse des Palmölmultis Sinar Mas

So., 7.6.09
Heute am frühen Morgen treffen wir unsere Freunde von Karang Mendapo wieder, diesmal allerdings nicht vor dem Gericht. Wir treffen sie am Ufer ihres Flusses, wo sie Ölpalmnüsse aus einem Boot laden und auf Lkws verfrachten. Sie sind dabei, die Palmen von Sinar Mas abzuernten, die der Konzern auf ihrem Land gepflanzt hat. Oft schon hat die Polizei versucht, sie daran zu hindern, doch die Bauern aus Rusdis Dorf sind kampferprobt: Hier wird nicht gelitten, hier wird gestritten, ist ihr Motto.

Um die Nüsse zu ernten, haben sie ein ausgeklügeltes System ersonnen: Sie nehmen das Boot und nicht die Straße, und vom Ufer aus haben sie durch ihr Land einen Weg angelegt bis zur Palmölplantage. Wir begleiten sie auf diesem Weg. Das Boot legt an einem Steilufer an, wo die Stauden auf einer Förderanlage herabrollen. Oben stehen Motorräder mit Körben bereit, mit denen sie die Nüsse aus den Plantagen holen. Sie liegen mehr als drei Kilometer entfernt. Zuerst geht es noch durch den Wald, doch schon bald sehen wir nur noch Palmen. Und überall Gruppen von Menschen bei der Ernte. Hier arbeitet wirklich jeder mit, Männer und Frauen, Kinder und Alte. Der Erlös wird geteilt, umgerechnet 10 Eurocent verdienen sie pro Kilo. Die Nüsse werden zu einer der unabhängigen Ölmühlen transportiert, die fast drei Stunden entfernt liegt. Lkw-Miete und Benzin müssen sie natürlich vom Gewinn abziehen, doch ihre Unabhängigkeit und Freiheit bedeuten ihnen mehr als Geld.


© für Text und Fotos by Rettet den Regenwald e.V.


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Quelle:
Regenwald Report Nr. 2/09 - www.regenwald.org
Herausgeber: Reinhard Behrend (v.i.S.d.P.)
Redaktion: Rettet den Regenwald e.V. / Rainforest Rescue
Friedhofsweg 28, 22337 Hamburg
Telefon: 040 410 38 04, Fax: 040 450 01 44
E-Mail: info@regenwald.org
Internet: www.regenwald.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juli 2009