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MELDUNG/103: Türkei - Militär verlängert Haft des Kriegsdienstverweigerers Inan Süver (Connection e.V.)


Connection e.V. - Pressemitteilung vom 7. Juni 2011

Türkei:
Militär verlängert Haft des Kriegsdienstverweigerers Inan Süver

"Ich habe kein Verbrechen begangen, warum bin ich im Gefängnis?"


Das türkische Militär geht weiter scharf gegen den Kriegsdienstverweigerer Inan Süver vor. Eine mögliche vorzeitige Haftentlassung seiner 25-monatigen Haftstrafe wegen dreimaliger Desertion wurde um neun Monate verschoben, da er kurzzeitig aus dem Gefängnis geflohen war. Zu seiner Flucht erklärte er: "Ich habe kein Verbrechen begangen, warum bin ich im Gefängnis?". Nun wird Inan Süver mindestens bis zum 13. Juni 2012 in Haft bleiben.

Ein gestern wegen weiterer Anklagen anberaumter Prozess wurde auf den 26. September 2011 vertagt, da das Gericht den Ausmusterungsbescheid bislang noch nicht schriftlich vorliegen hatte. In dem Verfahren wird er erneut wegen Desertion und wegen Befehlsverweigerung angeklagt.

Inan Süver wurde 2001 zum Militärdienst einberufen. Wegen mehrmaliger Desertion wurde er in drei Verfahren zu insgesamt 25 Monaten Haft verurteilt. Sieben Monate verbüßte er bereits vor mehreren Jahren. Nach seiner vorläufigen Entlassung tauchte er unter.

Als Inan Süver desertierte, wusste er nichts von der Idee der Kriegsdienstverweigerung. Später erfuhr er davon und erklärte am 10. Oktober 2009: "Sehr geehrte Kommandanten, ich will Ihnen heute etwas mitteilen. Ich habe gehört, dass es so etwas wie ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt. Ich mache von meinem Recht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch. Sie sollen wissen, dass ich ein Feind des Staates bin, aber ich werde gegen Sie niemals eine Waffe in die Hand nehmen. Ich will lieber getötet werden, als selber zu töten."

Am 5. August 2010 wurde er erneut verhaftet und weitere Strafverfahren gegen ihn eröffnet: Wegen Desertion im Jahre 2007 und wegen seiner Weigerung, nach der Verhaftung im August 2010 eine Uniform anzuziehen. Wie andere Kriegsdienstverweigerer wurde er in der Haft mehrmals misshandelt.

Am 26. November 2010 wurde Inan Süver in ein Militärkrankenhaus zur Überprüfung seiner Tauglichkeit überstellt und rückwirkend ab 2008 für untauglich erklärt.

Am 21. April 2011 floh Inan Süver aus einen zivilen Gefängnis. Deshalb erhielt er als Disziplinarmaßnahme eine 20-tägige Isolationshaft. Eine mögliche vorzeitige Entlassung zum 14. September 2011 wurde um neun Monate verschoben.

Aufgrund unmenschlicher Behandlung sowohl im Militär- als auch im Zivilgefängnis trat Inan Süver bereits mehrmals in Hungerstreik. "Wir sind sehr besorgt", erklärte die Solidaritätsinitiative Inan Süver vor wenigen Tagen. "Inan Süvers Gesundheitszustand hat sich sehr verschlechtert".


Zum Hintergrund
Die Türkei erkennt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht an. Jeder türkische Mann ist mit 20 Jahren zur Ableistung des Militärdienstes verpflichtet. Kriegsdienstverweigerer, die aufgrund ihrer Entscheidung die Uniform oder Befehle verweigern, werden wegen Befehlsverweigerung angeklagt und nach Verbüßung der Haftstrafe erneut einberufen. Dieser Teufelskreis kann ein Leben lang fortbestehen, da die Wehrpflicht in der Türkei erst nach Ableistung des Militärdienstes als erfüllt gilt.

Die wiederholte Bestrafung von Kriegsdienstverweigerern in der Türkei, der auch Inan Süver unterliegt, wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich als unvereinbar mit dem in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Verbot unmenschlicher Behandlung angesehen. In dem Richterspruch vom 24. Januar 2006 wird das Land zu einer Gesetzeskorrektur aufgefordert, um dies zukünftig zu verhindern.

Connection e.V. fordert die sofortige Freilassung von Inan Süver. Connection e.V. fordert die Türkei zugleich auf, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen und alle Strafverfahren gegen Kriegsdienstverweigerer einzustellen.


Connection e.V. bittet um Unterstützung
Protestieren Sie gegen die Behandlung von Inan Süver beim türkischen Präsidenten Abdullah Gül und fordern Sie mit uns seine sofortige Haftentlassung über die online-Faxaktion (http://www.Connection-eV.de/aktion-tuerkei.php). Es ist auch möglich, ein Fax direkt an den türkischen Präsidenten zu senden unter 0090-312-4271330.

Schreiben Sie Inan Süver. Jeder Brief ist eine wichtige Unterstützung in der Haft. Auch Briefe können Sie über unsere online-Aktion (http://www.Connection-eV.de/aktion-tuerkei.php) an Inan Süver senden. Wir leiten diese für Sie weiter. Briefe können auch gerichtet werden an: Inan Süver, Manisa E Tipi Kapali Cezaevi, Manisa/Türkei


Direkter Link zur online-Faxaktion:
www.Connection-eV.de/aktion-tuerkei.php


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Quelle:
Pressemitteilung vom 7. Juni 2011
Connection e.V.
Gerberstr. 5, 63065 Offenbach
Tel.: 069/82375534, Fax: 069/82375535
E-Mail: office@Connection-eV.de
Internet: www.Connection-eV.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2011