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MELDUNG/149: Massaker an kurdischen Zivilisten (Bundesausschuss Friedensratschlag)


Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag - 29.12.2011

Massaker an kurdischen Zivilisten

Internationale Staatengemeinschaft muss den Verletzungen der Menschenrechte und Kriegsverbrechen durch den türkischen Staat Einhalt gebieten


Mit großer Bestürzung haben wir erfahren, dass die türkische Luftwaffe am 28. Dezember 2011 zwischen 21:37 Uhr und 22:24 Uhr in der Nähe des Dorfes Roboskî im Kreis Uludere (Provinz Sirnak) eine Gruppe von Dorfbewohnern bombardiert und rund 40 Menschen, darunter zahlreiche Kinder ermordet hat. Alleine 24 Mitglieder der Familie Encü kamen bei dem Angriff ums Leben.

Dieses Massaker an kurdischen Zivilisten fand einen Tag nach der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates statt und verdeutlicht, dass die Machthaber in der Türkei einen unheilvollen Weg zur Lösung der kurdischen Frage eingeschlagen haben. Wenn die Aussagen eines Dorfbewohners, der den Angriff überlebt hat, stimmen, dass "die abgeworfenen Bomben einen bitteren Geruch verströmten," dann muss davon ausgegangen werden, dass die türkische Armee zum wiederholten Male Giftgas eingesetzt hat. Erst vor kurzem war bewiesen worden, dass die Armee gegen kurdische Guerillakämpfer Giftgas eingesetzt hatte.

Eine am heutigen Morgen verbreitete Presseerklärung des Generalstabschefs der türkischen Armee zeigt, dass die Bombardierung von kurdischen Zivilisten von höchster Stelle befehligt wurde. Der Chef des Generalstabs erklärt in einer unglaublich zynischen Weise, dass "am 28. Dezember 2011 um 18:39 Uhr in der Grenzregion eine Terroristengruppe gesichtet und ein Angriffsbefehl erteilt wurde." Den Sicherheitsbehörden muss demgegenüber bekannt gewesen sein, dass es sich um Dorfbewohner handelte, die ihren Lebensunterhalt durch Warenschmuggel bestreiten. Die Nachrichtenagentur ANF zitiert Zeugen die berichten, dass die betroffenen Dorfbewohner von örtlichen Sicherheitskräften auf ihrem Weg kontrolliert und zurück in ihr Dorf geschickt wurden.

Dieses Vorgehen, ein Massaker an Zivilisten, verletzt Völkerrecht und Kriegsrecht. Es ist mehr als überfällig, dass die internationale Staatengemeinschaft den ständigen Verletzungen der Menschenrechte sowie Kriegsverbrechen des türkischen Staates Einhalt gebietet und den notwendigen politischen Druck entfaltet.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Presseerklärung fordern die Bundesregierung auf, die Rüstungsexporte an die Türkei zu beenden und die militärische Zusammenarbeit sofort einzustellen. Die Bundesregierung muss auf eine sofortige Aufklärung der Vorfälle in Sirnak insbesondere auch in Zusammenhang mit der Nutzung von unerlaubten Waffen drängen. Der Deutsche Bundestag, das Europäische Parlament und Institutionen der internationalen Staatengemeinschaft werden aufgefordert, eine internationale Delegation nach Sirnak zu schicken und zur Aufklärung beizutragen. Die türkische Regierung fordern wir eindringlich auf, die Bombardierungen sofort einzustellen, Giftgasvorwürfe und dieses Massaker aufzuklären und endlich Maßnahmen für eine Befriedung des kurdisch-türkischen Konflikts zu ergreifen. Die internationale Staatengemeinschaft ist in der Verantwortung, das Vorgehen des türkischen Staates zu ächten.

UnterzeichnerInnen:
- Andrej Hunko, MdB, DIE LINKE
- Heidrun Dittrich, MdB, DIE LINKE
- Harald Weinberg, MdB, DIE LINKE
- Cansu Özdemir, MdHBü Hamburg, DIE LINKE - Hamide Akbayir, MdL NRW, DIE LINKE
- Ali Atalan, MdL NRW, DOE LINKE
- Barbara Cárdenas, MdL Hessen, DIE LINKE
- Yilmaz Kaba, Landesvorstand Niedersachsen, DIE LINKE
- Murat Çakir, Kolumnist der Tageszeitungen Özgür Gündem und Yeni Özgür Politika
- Martin Dolzer; Soziologe
- Marion Padua, Stadträtin Nürnberg, Linke Liste
- Dr. Peter Strutynski, Friedenratschlag
- Dr. med Gisela Penteker, IPPNW


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Quelle:
Presseerklärung vom 29. Dezember 2011
Bundesausschuss Friedensratschlag
Germaniastr. 14, 34119 Kassel
Telefon: (0561) 93717974
E-Mail: strutype@uni-kassel.de
Internet: http://www.ag-friedensforschung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2011