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MELDUNG/227: Skandalöse Rede - Gauck plädiert für den "gerechten Krieg" (Bundesausschuss Friedensratschlag)


Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag - 13.6.2012

Eine skandalöse Rede

Bundespräsident Gauck plädiert wieder für den "gerechten Krieg"



Kassel, 13. Juni 2012 - Zur Rede des Bundespräsidenten bei der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer ersten Stellungnahme:

Es sollte eine Rede des hohen Tons und der großen Gefühle werden. Am Ende präsentierte Bundespräsident Joachim Gauck aber nur mächtige Worthülsen. Da war von "meiner Armee" und von "unseren Soldaten" als "Dienern" die Rede, von einer wahren "Armee des Volkes" als einem Teil des "Demokratiewunders", das die Deutschen 1989/90 geschafft hätten. Und da wurden die hehren Ideale und Ziele der Bundeswehr gepriesen, "Freiheit, Sicherheit, Menschenwürde und das Recht des Einzelnen auf Unversehrtheit" zu verteidigen - und zwar in der ganzen Welt.

Mit keinem Wort ging Gauck auf die Interessen der deutschen Wirtschaft ein, Märkte für den Export zu sichern, Handelswege notfalls "freizukämpfen" oder sich "freien Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen und Rohstoffen" in aller Welt zu schaffen. Das ist immerhin der unverblümte Auftrag der Bundeswehr in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992, 2003 und 2011 und der Weißbücher 1994 und 2006. Horst Köhler hatte wegen eines etwas holprig daherkommenden Interviews vor drei Jahren auf diese Zusammenhänge aufmerksam machen wollen - und musste sein Präsidentenamt aufgaben. Offenbar hält sich Gauck an eine Grundregel der politischen Klasse: Über die ökonomischen Interessen der Politik spricht man nicht, man setzt sie nur durch.

Obwohl das Instrument Militär zum sensibelsten Bereich der Politik und des nationalen und internationalen Rechts gehört, existieren für Gauck weder das Grundgesetz der Bundesrepublik mit seinem den Krieg ächtenden Art. 26 und die Bundeswehr auf Landesverteidigung verpflichtenden Art. 87a, noch die UN-Charta mit dem strikten Gewaltverbot nach Art. 2,4, noch der Einigungsvertrag von 1990, der in Art. 2 definitiv verlangt, "dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird". Er stellt demnach auch nicht die Frage, ob Krieg völkerrechtlich oder ethisch sein darf, sondern ihn interessiert nur noch, ob militärische Einsätze "die gewünschten Ziele erreichen" oder "ob wir im Einzelfall die Mittel haben, die für ein sinnvolles Eingreifen nötig sind".

So ist der letzte Schritt nicht mehr weit: Für Gauck gibt es wieder den "gerechten Krieg". Originalton: "Sie (die Bundeswehr) hat unser Zutrauen verdient, nicht nur in Debatten um den 'gerechten Krieg' zu bestehen, sondern auch einem 'gerechten Frieden' einen Weg zu bahnen." Hätte der ehemalige Pastor und Kirchenfunktionär doch nur das Wort der deutschen Bischöfe aus dem Jahr 2000 zur Kenntnis genommen! Dort hatte sich die Kirche endgültig von Begriff und Konzeption des "gerechten Kriegs" verabschiedet.

In Kreisen der Bundeswehr wird die Rede Gaucks überschwänglich gefeiert und heute schon als "historisch" bewertet. In einem negativen Sinn soll sie es auch sein: Gauck soll mit seiner Lobrede die Köpfe und Herzen der Menschen für die Sorgen und Nöte der Soldaten öffnen, soll das einstmals beklagte "freundliche Desinteresse" an der Bundeswehr in eine begeisterte Zustimmung verwandeln. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr, der "Armee im Einsatz", werden - geht es nach den Plänen von Regierung und NATO - zunehmen. Dafür braucht sie zunehmend die Unterstützung der "Heimatfront". Gauck scheint der rechte Mann dafür zu sein.

Peinlich, dass er in seinem Eifer nicht merkt, dass die Bundeswehr dabei ist, das zu werden, was er zu Beginn seiner Rede so heftig kritisiert: Mit Blick auf die DDR geißelt er dort "Aufmärsche" und "die Militarisierung der Schulen". Hat er denn noch nicht von den öffentlichen Gelöbnissen, der Präsenz der Bundeswehr bei Volksfesten und Messen oder der Teilnahme von Presseoffizieren an Schulveranstaltungen gehört?

Eines können wir nicht nur für den Bundesausschuss Friedensratschlag, sondern für die Friedensbewegung insgesamt sagen: Von diesem Präsidenten werden wir nicht vertreten.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)

Die Rede des Bundespräsidenten ist hier dokumentiert:
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Bundeswehr/gauck.html

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Quelle:
Pressemitteilung vom 13. Juni 2012
Bundesausschuss Friedensratschlag
Germaniastr. 14, 34119 Kassel
Telefon: (0561) 93717974
E-Mail: strutype@uni-kassel.de
Internet: http://www.ag-friedensforschung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2012