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MELDUNG/253: Grünen-Geschäftsstelle - Die polizeilich Geräumten melden sich zu Wort (No Border Camp)


No Border Camp Köln/Düsseldorf 2012 - Pressemitteilung vom 26. Juli 2012

Pressemitteilung der Menschen, die am 20.07.12 die Landesgeschäftsstelle der GRÜNEN in NRW (Düsseldorf) besetzt haben

Auch nach unserer Räumung fordern wir, dass in Düsseldorf am 16. Tag des Protestes endlich ein echtes Protestcamp errichtet werden kann, ohne Schikanen und offen für alle!



Am Abend des 20.7. wurden wir - 40 Aktivist_innen des no border camps - nach 6-stündiger Besetzung der Landeszentrale der GRÜNEN in der Jahnstraße (Düsseldorf) gewaltsam von der Polizei geräumt. Dies geschah auf Anweisung der GRÜNEN NRW, welche im Zuge dessen Strafanzeige wegen "Hausfriedensbruchs" gegen uns stellten. Das Auftreten der herbeigerufenen Einsatzkräfte war dabei sehr martialisch, in Kampfmontur und mit Schilden aus Plexiglas bauten sie sich vor uns (hauptsächlich sitzenden und Parolen singenden) Besetzer_innen auf, nachdem sie durch die von uns entsperrte Tür eingedrungen waren. Ein Teil der Besetzer_innen ließ sich aus dem Gebäude tragen, andere wurden abgeführt. Einige von uns wurden - selbst während des Abtransports im Bus - willkürlich und ohne Angabe einer Begründung über mehrere Stunden in engen Fesseln gehalten, bei einer Person ging die Brille zu Bruch, als sie unter Einsatz von Gewalt aus dem Gebäude gezerrt wurde.

Gespräche mit den GRÜNEN verliefen ergebnislos

Mit der Besetzung der GRÜNEN-Zentrale NRW verfolgten wir das Ziel, den Forderungen der protestierenden Geflüchteten auf dem Johannes-Rau-Platz in Düsseldorf öffentlich mehr Gehör zu verschaffen und in Solidarität menschenwürdige Bedingungen für ihren Protest einzufordern.

Wir wendeten uns damit an die GRÜNEN, um sie in ihrer Verantwortung als Regierungspartei NRWs und als Fraktion im Düsseldorfer Stadtrat daran zu erinnern, dass schönen Worten von "Flüchtlingsschutz", Menschenrechten und Versammlungsfreiheit, Taten zu deren Durchsetzung folgen müssen. In diesem konkreten Fall hätte das bedeutet, sowohl in Verhandlungen mit der Polizei, als auch in den Parlamenten ihr politisches Gewicht geltend zu machen - gegen die verhängten Auflagen gegenüber dem Protestcamp und für selbstbestimmten Protest.

Die Gespräche mit der Sprecherin des Kreisverbandes der GRÜNEN NRW Mona Neubaur in ihrer Rolle als Verhandlungsführerin während der Besetzung empfanden wir jedoch - anders als sie - nicht als "zunächst konstruktiv und sachlich". Vielmehr waren sie zu einem großen Teil ein Loblied auf die Politik der GRÜNEN und geprägt von einem Tenor der Verantwortungsverschiebung. Eine Positionierung blieb aus, konkrete Ideen und Taten blieben aus. Die einzige für uns wahrnehmbare Handlung bestand in der veranlassten Räumung und Strafanzeige gegen uns.

Die acht Menschen, die im Anschluss an die Gespräche das Gebäude verließen, taten dies ebenfalls nicht - wie von Frau Neubaur dargestellt - aus Zufriedenheit mit den Ergebnissen oder weil sie ein Dableiben als Eskalation betrachtet hätten. Sie wollten oder konnten ganz einfach die rechtlichen Konsequenzen einer Strafanzeige nicht in Kauf nehmen.

Dass der Landesverband der GRÜNEN NRW im Nachgang der Räumung erklärt hat, vom Polizeipräsidenten Schenkelberg einfordern zu wollen "dass er die Auflagen so lange zurücknimmt, bis es einen endgültigen Gerichtsbeschluss gibt" und sich "beim Polizeipräsidenten für einen humanen Umgang mit den Campierenden einsetzen" will, ist begrüßenswert. Bisher ist davon leider nichts spürbar geworden, im Gegenteil haben polizeiliche Repressionen wie Weckkontrollen, Personalienfeststellungen und Verwarnungen unter der Rheinkniebrücke in den letzten Nächten wieder stark zugenommen.

Zynische Aussagen, wie in den Gesprächen getroffen, denen zufolge die demonstrierenden Geflüchteten selbst ihre Gesundheit (z.B. durch Hungerstreiks) gefährdeten, verurteilen wir zudem.

Die Gesundheit von geflüchteten Menschen wird in Deutschland zuallererst durch die entmündigenden Sondergesetze für Asylbewerber_innen ruiniert und bei Aufbegehren dagegen - so wie derzeit in Düsseldorf - durch schikanöse Auflagen, sowie polizeiliche Repression weiter auf's Spiel gesetzt. Schlafentzug, sowie Kälte und Regen der letzten Woche setzen den Aktivist_innen stark zu. Tag und Nacht dürfen sie sich lediglich in einem offenen Pavillon aufhalten und sind nachts den stündlichen Weckkontrollen der Polizei ausgesetzt.

"Lieber leben wir auf der Straße, als wieder zurück in die Lager zu gehen."

Der Entschlossenheit der Protestierenden gebührt unsere größte Wertschätzung. Damit die Gesundheit und das Leben der Aktivist_innen in ihrem Protest nicht weiter auf dem Spiel stehen, fordern wir alle Verantwortungsträger_innen der Legislative, Exekutive und Judikative dazu auf, das Grundrecht dieser Menschen auf körperliche Unversehrtheit und freie Meinungsäußerung zu wahren, indem sie ihnen das Campieren als Protestform gestatten. "Das Errichten eines Zeltes ist ein politischer Ausdruck gegen das Leben in Isolationslagern. In diesen sind wir der Erniedrigung, der Isolation, Einschüchterung und der Kontrolle ausgesetzt. Manche von uns müssen über Jahre dort bleiben und werden mental und physisch zerstört.", so die Aktivist_innen in ihrer letzten Pressemitteilung.

Die Forderungen der streikenden Geflüchteten lassen sich nicht (fort-)räumen!

Wir möchten noch einmal klarstellen, dass wir uns als Unterstützer_innen der streikenden Aktivist_innen unter der Rheinkniebrücke verstehen. Die Aktivist_innen in Düsseldorf, Würzburg, Bamberg, Regensburg, Aub, Osnabrück und anderswo können sehr gut für sich selbst sprechen. Sie sind es, die den Protest vor über 4 Monaten begonnen haben und ihn unter widrigsten Umständen tragen und weitertragen und wir erklären uns uneingeschränkt solidarisch mit ihnen.

Sie stellen sehr klare Forderungen wie:

  • die bedingungslose Abschaffung der Residenzpflicht
  • den Stopp aller Abschiebungen
  • die Schließung aller Lager, die keinen anderen Zweck als die Isolation der Flüchtlinge haben
  • die Anerkennung als politische Flüchtlinge

Die unbedingte Solidarität des Aktivisten Arash Dosthossein mit der von uns geplanten politischen Unterstützungsaktion hat uns sprachlos gemacht. Mit seinen Worten soll diese Mitteilung enden:

"Das, was als Besetzung bezeichnet wird, ist schlicht folgendes: eine Gruppe von Menschen, die politische Ansichten und politische Forderungen hat, begibt sich in ein politisches Büro und verlässt dieses nicht. In einem Büro, welches sich als politisch bezeichnet, sind politische Handlungen, politische Forderungen und politische Reaktionen selbstverständlich. Die eigentliche Besetzung ist, alle vier Jahre mit schönen Versprechen und schönen Lügen Stimmen zu fangen, in Parlamente und Ministerien einzuziehen, um dann völlig entgegen den Willen der Bevölkerung zu handeln, Proteste mit polizeilichen Repressionen zum Schweigen zu bringen, auf den Sesseln der Ministerien und Parlamente sitzen - das ist Besetzung. Die eigentliche Besetzung ist, mit Panzern und westlichen Technologien Länder zu bombardieren, die zivile Bevölkerung zu töten, Hand in Hand mit Regimes wie Libyen, Syrien, Afghanistan, Irak - das ist Besetzung."

Düsseldorf, Mittwoch, 25.07.2012


für weitere Informationen:

Protestcamp Düsseldorf:
https://www.facebook.com/Resistanceofrefugee und http://refugee-resist-duesseldorf.de/
Würzburg: http://gustreik.blogsport.eu
Aub: http://asylaub.wordpress.com
Bamberg: http://fluechtlinge-bayerns.com
Regensburg: https://strikeregensburg.wordpress.com
Osnabrück: http://thecaravan.org/node/3290 und http://lagerhesepe.blogsport.eu

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Quelle:
Pressemitteilung Besetzung der GRÜNEN-Geschäftsstelle vom 25.7. in:
Pressemitteilung Nr. 13 vom 26. Juli 2012
Pressegruppe des No Border Camps Köln/Düsseldorf 2012
E-Mail: media-nbc@riseup.net
Internet: http://noborder.antira.info/de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2012