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MELDUNG/453: Innenminister plant verdachtslose Aufzeichnung des Surfverhaltens im Internet (AK Vorrat)


Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 20.08.2014

Bundesinnenminister plant verdachtslose Aufzeichnung des Surfverhaltens im Internet



+++ Datenschützer und Internetnutzer protestieren scharf gegen einen neuen Gesetzentwurf von Bundesinnenminister de Maizière, der die mit guten Argumenten gestoppte Vorratsdatenspeicherung nun bezogen auf die Benutzung des Internet erlauben soll. "Das neuerliche Vorhaben von Bundesminister de Maizière geht noch über die frühere Vorratsdatenspeicherung hinaus, weil sogar der Inhalt unserer Internetnutzung gespeichert werden soll", warnt Florian Altherr vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Gegen die verdachtslose Speicherung aller Verbindungs- und Standortdaten hatten 35.000 Bürger erfolgreich Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. +++


Der neue Vorstoß des Bundesinnenministers ist in dem gestern vorgelegten Entwurf eines "Gesetzes zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz)"[1] versteckt. Jeder Anbieter von Internetdiensten wie Google, Amazon oder Spiegel Online soll danach künftig das Recht erhalten, das Surfverhalten seiner Besucher ohne Anlass aufzuzeichnen - angeblich zum "Erkennen von Störungen". Tatsächlich würde der Vorstoß zur Änderung des Telemediengesetzes die unbegrenzte und unbefristete Speicherung jeder Eingabe und jedes Mausklicks beim Lesen, Schreiben und Diskutieren im Internet legalisieren. Die Surfprotokolle dürften ohne richterlichen Beschluss an Polizei, Bundeskriminalamt, Geheimdienste sowie an die Unterhaltungsindustrie herausgegeben werden. Eine Beschränkung auf schwere Straftaten ist nicht vorgesehen.

Zudem will de Maizière Internet-Zugangsanbieter zwingen, auf Vorrat zu speichern, welcher Teilnehmer wann mit welcher IP-Adresse das Internet genutzt hat. Der Trick: Internetzugangsanbieter sollen ihre Kunden von Hinweisen auf Schadsoftware auf ihrem Rechner benachrichtigen müssen, was eine Speicherung aller IP-Adressen voraussetzt. Bisher lehnen viele Internet-Zugangsanbieter die Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten weiterhin ab.[2] Der neue Gesetzentwurf sieht keine zeitliche Grenze für Speicherung und Benachrichtigungspflicht vor. Gespeicherte Internet-Verbindungsdaten wären für Auskünfte an Polizei, Bundeskriminalamt, Geheimdienste sowie zum Versand von Abmahnungen an die Unterhaltungsindustrie heranziehbar. Eine richterliche Anordnung staatlicher Anfragen nach der Identität von Internetnutzern wäre ebenso nicht vorgeschrieben, eine Beschränkung auf schwere Straftaten ebenfalls nicht.

"De Maizière will nun nicht nur wissen, wann wir unter welcher Adresse ins Internet gehen, sondern auch, was wir dort tun. Als nächstes will er wahrscheinlich aufzeichnen lassen, welche Gespräche wir im Café führen oder welche Zeitungsartikel wir lesen. Das ist ungeheuerlich, zumal es in einem ganz anderen Gesetz versteckt wird", ergänzt Altherr "Ich empfinde diese Vorratsdatenspeicherung und Surfprotokollierung durch die Hintertür als eine schallende Ohrfeige für alle, die sich für mehr Daten- und Persönlichkeitsschutz engagieren, zumal der Bundestag 2009 einen vergleichbaren Vorstoß des Amtsvorgängers Schäuble auf unseren Protest hin ausdrücklich abgelehnt hat[3]", bekräftigt Ute Elisabeth Gabelmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Die nun geplanten Datenberge wären dem permanenten Risiko von Datenklau, Datenpannen und Datenmissbrauch ausgesetzt, was die Sicherheit unserer Daten bedroht. Herr de Maizière widerspricht mit diesem Gesetzentwurf offen seinem nach den Datenskandalen der letzten Jahre öffentlich verkündeten Ziel, den Schutz der Daten von Bürgern und Internetbenutzern zu verbessern und die gesetzlich verankerte Datensparsamkeit endlich zu fördern."

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert Bundesregierung und Bundestag auf, für eine sofortige Streichung der geplanten Huckepack-Änderungen des Telemediengesetzes und des Telekommunikationsgesetzes aus dem Gesetzentwurf zur IT-Sicherheit zu sorgen. Eine detaillierte Begründung ist auf der Internetseite des Arbeitskreises veröffentlicht.[4]


Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, die sich in Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen die ausufernde Überwachung im Allgemeinen und gegen die Vollprotokollierung der Telekommunikation und anderer Verhaltensdaten im Besonderen einsetzen.
http://www.vorratsdatenspeicherung.de


Nachweise:

[1] Referentenentwurf IT-Sicherheitsgesetz:
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzestexte/Entwuerfe/Entwurf_IT-Sicherheitsgesetz.pdf?__blob=publicationFile

[2] Speicherdauer der Internet-Zugangsanbieter:
http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Speicherdauer#Speicherdauer_.28.C3.9Cbersicht.29

[3] Schäuble-Plan zur Surfprotokollierung gestoppt:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/306/79/lang,de/

[4] Begründung der Kritik des AK Vorrat:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/748/79/

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Quelle:
Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 20.08.2014
E-Mail: presse@vorratsdatenspeicherung.de
Internet: www.vorratsdatenspeicherung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2014