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MELDUNG/823: Mehr als ein Verkehrsunfall - ÖPP kracht gegen die Wand des Finanzministeriums (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Nachricht vom 27. September 2017

Mehr als ein Verkehrsunfall: ÖPP kracht gegen die Wand des Finanzministeriums



Zusammengeknautschtes Pappmodell eines Autos so arrangiert, daß es aussieht als sei es in eine Wand des Bundesministeriums für Finanzen gekracht - Bild: © gemeingut.org

Bild: © gemeingut.org

Berlin - 27.09.2017. Ökonomin Gerlinde Scherme kritisiert: "ÖPP ist eine Fahrt gegen die Wand! Schäubles Politik der 'schwarzen Null' und der 'Schuldenbremse' ist der wichtigste Hebel für Privatisierungspolitik. Unter dem Vorwand, 'privates Kapital' einzubinden, werden langfristige Verträge mit privaten 'Partnern' geschlossen, um notwendige Investititionen in die Daseinsvorsorge über Kredite, die die Privaten aufnehmen, zu tätigen. Doch immer wieder zeigt sich, dass derartige Verträge zu Lasten der öffentlichen Haushalte gehen, der Staat wird in Haftung genommen für 30 Jahre Garantiegewinne und angeblich von den Privaten übernommene Risiken. Diese Erfahrung hat Berlin leidvoll mit dem ÖPP-Modell der 'Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe' gemacht. Der Berliner Wassertisch [1] warnt davor, diesen Weg in Deutschland immer wieder neu zu beschreiten."

35 Aktive haben letzten Dienstag vor dem Bundesfinanzministerium den Frontalunfall eines Autos inszeniert. Der Wagen mit der Aufschrift "ÖPP" fuhr direkt gegen die Wand des Ministeriums. Der Bürgerprotest richtete sich gegen die ausnahmslos gemeinwohlschädlichen Folgen Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP). GiB sieht sich in seiner jahrelangen Kritik bestätigt. Der nun bekannt gewordene Skandal beim ÖPP-Projekt Autobahn A 1 Hamburg-Bremen zeigt die negativen Auswirkungen von ÖPP in ihrer ganzen Bandbreite. GiB fordert deswegen, ÖPP gesetzlich zu verbieten und die noch laufenden ÖPPs abzuwickeln. Die Parteien sollten sich schon im Wahlkampf gegen ÖPP stellen. Dazu Dr. Ulrike Kölver von GiB: "ÖPP bedeutet frontal gegen die Wand fahren - sehenden Auges."

Wie bekannt wurde, wusste die Bundesregierung schon seit Jahren, dass ihr Pilotprojekt auf der A1 ein gewaltiger Flop ist. Gläubiger und Kapitalanleger fordern von der Bundesrepublik über 800 Millionen Euro Nachzahlung. Internationale Hedgefonds wittern schon ihr Geschäft und wollen die Forderungen der Gläubigerbanken aufkaufen: ein Hinweis darauf, dass dem Bund ein hartes und verlustreiches Gerichtsverfahren bevorsteht. Bereits zwei Gläubigerbanken haben ihre Forderungen weiterverkauft. "Hier zeigt sich besonders drastisch der bösartige Charakter von ÖPP", sagt Carl Waßmuth von GiB, "es geht immer nur um Zinszahlungen an die Banken und um hohe risikofreie Renditen für Private. Die Zeche zahlen die Bürgerinnen und Bürger - zwangsweise. Sie bekommen das tagtäglich durch verschlechterte öffentliche Leistungen zu spüren."

Gemeingut in BürgerInnenhand kritisiert auch die Hintergehung von Bundestag und Bundesrat. Wider besseres Wissen warb die Bundesregierung dafür, ÖPP beim Autobahnbau ins Grundgesetz zu schreiben. "Es ist kaum vorstellbar, dass Finanzminister Schäuble nicht schon seit Jahren vom A1-Debakel weiß", sagt Dr. Ulrike Kölver. "Schließlich geht es um Milliardenrisiken in seinem Haushalt." Der Grundgesetzänderung haben Regierungsfraktionen im Bundestag am 1. Juni zugestimmt, der Bundesrat folgte einen Tag später. Dr. Kölver weiter: "Angesichts des jetzigen Skandals bei der A1 wäre die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wohl kaum zustande gekommen. Das Abstimmungsergebnis ist also nur durch Täuschung zustande gekommen."

Das Täuschungsmanöver war nach Auffassung von GiB kein Versehen. Carl Waßmuth: "Schäuble braucht ÖPP, um die Politik der 'Schwarzen Null' weiterzuführen. Denn mit ÖPP kann die sogenannte Schuldenbremse umgangen werden. Mit anderen Worten: ÖPP ist Umverteilung von unten nach oben. Für dieses Prinzip will Schäuble nicht offen werben. Deswegen wird mit Tricks gearbeitet, in diesem Fall mit Verstecken und Verschweigen."


'ÖPP-Crash' an der Wand des Bundesministeriums für Finanzen flankiert von Bürgern mit Plakaten - 'Kita', 'Schule', 'Autobahn', 'Demokratie' - Bild: © gemeingut.org

Bild: © gemeingut.org

Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) tritt ein für die Bewahrung und Demokratisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Gemeingüter wie Wasser, Bildung, Mobilität, Energie, öffentliches Grün und vieles andere soll zurückgeführt werden unter demokratische Kontrolle. Ein inhaltlicher Schwerpunkt unserer Arbeit gegen Privatisierung ist die Aufklärung über ÖPP.


Anmerkung:

[1] https://berliner-wassertisch.net/


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2017

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