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MELDUNG/835: "Hamburg hat Platz!" und "Hamburg: Keine Abschiebung nach Afghanistan!" übergeben Petition (AHHP/BHFI)


Initiatoren von Hamburg hat Platz! und Hamburg: Keine Abschiebung nach Afghanistan!
Pressemitteilung - Hamburg, 03.11.17

Hamburg hat Platz! und Keine Abschiebung nach Afghanistan
Petitionsübergabe an den Hamburger Senat und die Bürgerschaft


Der Aktionskreis Hamburg Hat Platz (AHHP) und das Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI) übergeben gemeinsam mit Olaf Harms (ver.di) und Frederik Dehnert (GEW) am 8. November um 17 Uhr vor dem Rathaus zwei Online-Petitionen an den Hamburger Senat und die Bürgerschaft:

"Hamburg hat Platz!" und "Hamburg: Keine Abschiebung nach Afghanistan", die von 35 bzw. 21 Hamburger Organisationen, Gewerkschaften, Organisationen, Vereinen, Gruppen und Bündnissen sowie 4600 bzw. 5240 Hamburger Einzelpersonen unterstützt werden.

Vor der Übergabe werden um 16.15 Uhr auf der Reesendammbrücke die Initiatoren ihre Forderungen nach einer solidarischen Flüchtlingspolitik formulieren. Das aktivistisch-künstlerische Kollektiv "Schwabinggrad-Ballett and ARRiVATi" begleitet die Aktion mit einer Performance.

Die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge und Asylsuchenden ist im Vergleich zu den Vorjahren drastisch gesunken. So sanken die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zwischen Januar-September 2017 angenommenen Asylanträge gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um ganze 76,5 Prozent. Wer Immigranten als Deutschlands gravierendstes Problem ansieht, kann also aufatmen! Und die Geflüchteten?

Noch immer harren zehntausende Schutzsuchende aus Syrien, Irak, Afghanistan und anderen Ländern in den EU-Hot Spots auf den griechischen Inseln oder vor den Toren Europas unter menschenunwürdigen Bedingungen aus und ein weiterer Winter mit Erfrierungstoten droht. Eine Rückkehr in ihre Heimatländer ist aufgrund anhaltender Kriege und Terror auf absehbare Zeit nicht möglich. Die Hoffnung auf eine Einreise nach und ein menschenwürdiges Leben in Europa und Deutschland scheint jedoch angesichts einer immer restriktiveren Flüchtlingspolitik in weite Ferne gerückt. Selbst der Familiennachzug wird ihnen zum großen Teil verwehrt.

Dabei hatte sich die EU 2015 auf ein Relocation-Programm geeinigt, welches vorsah, die Lage in Griechenland und Italien zu entschärfen und bis September 2017 160.000 Flüchtlinge aus den Hot Spots in andere Länder Europas umzuverteilen. Deutschland sollte demnach 27.536 und Hamburg davon rund 700 Geflüchtete aufnehmen. Die ernüchternde Bilanz nach Ablauf des Programms: Lediglich 29.843 Personen wurden in andere EU-Länder umverteilt, 8.479 davon nach Deutschland, was für Hamburg vermutlich etwas über 200 bedeuten dürfte.

Anstatt also legale Fluchtwege aus den Krisengebieten nach Europa zu schaffen, führte die ab März 2016 forcierte Zusammenarbeit mit der Türkei und später mit Libyen zu einer regelrechten Abriegelung bestehender Fluchtwege. Zudem kam und kommt es weiterhin zu monatelangen Inhaftierungen von Schutzsuchenden unter menschenunwürdigen und - wie im Falle libyscher Internierungslager - KZ-ähnlichen Bedingungen. Der Zugang zu einem gerechten Asylverfahren ist dabei nahezu unmöglich. Vielmehr werden wie in Griechenland Asylgesuche der zumeist über die Türkei eingereisten Schutzsuchenden über Schnellverfahren "geprüft" und i.d.R. als unzulässig beschieden. Nachdem das höchste griechische Gericht nun der Türkei bescheinigt hat, ein "sicheres Drittland" zu sein, wird dies zur Folge haben, dass sie wieder in den vermeintlich "sicheren Drittstaat Türkei" abgeschoben werden, es sei denn, der Europäische Gerichtshof untersagt das.

Aber auch Abschiebungen aus Deutschland in sogenannte "sichere Herkunftsstaaten" oder "inländische Schutzalternativen" wie in Afghanistan sind fester Bestandteil asylrechtlicher Praxis - ungeachtet der andauernden Kämpfe, terroristischen Anschläge und der exzessiven Gewalt auch in den von den Regierungen kontrollierten Gebieten. Die systematische Untergrabung grundlegender Prinzipien internationalen Flüchtlingsrechts findet ihre Fortsetzung innerhalb Deutschlands in der vermehrten Erteilung lediglich subsidiären Schutzes etwa für Syrer und in der seit 2016 geltenden Aussetzung der Familienzusammenführung für selbige - mit der Folge, dass viele Geflüchtete, darunter 60% minderjährige, auf Jahre von ihren Familien getrennt bleiben.

Dabei hätte Hamburg beste wirtschaftliche Voraussetzungen sowie Platz für mehr Flüchtlinge. "Hamburg hat Platz!" - das sagen 35 Hamburger Gewerkschaften, Organisationen, Vereine, Gruppen und Bündnisse sowie 4.600 EinzelunterzeichnerInnen der gleichnamigen Online-Petition, die am 08. November 2017 an VertreterInnen des Hamburger Senats und der Bürgerschaft übergeben wird. Die Forderung lautet, dass Hamburg 1000 Geflüchtete aus Griechenland holen soll, um sie aus ihrer verzweifelten Lage zu befreien.

Zudem fordern sie gemeinsam mit 21 Organisationen und über 5.200 EinzelunterzeichnerInnen der Online-Petition "Hamburg: Keine Abschiebungen nach Afghanistan!", die zur gleichen Zeit übergeben wird, dass Hamburg weitere Abschiebungen nach Afghanistan unterlässt und die Senatorenregelung für AfghanInnen umgehend wiedereinsetzt oder eine ähnliche Regelung erlässt.

Hamburg hat als Stadtstaat nicht nur die Möglichkeit, sich gegenüber dem Bund für die Aufnahme von mehr Geflüchteten und gegen die Abschiebungen nach Afghanistan einzusetzen. Mit einer solidarischen Willkommenspolitik und der Umsetzung der genannten Forderungen würde die Hansestadt auch ein Signal an andere deutsche und europäische Städte senden, Verantwortung im Sinne der internationalen Flüchtlings- und Menschenrechte zu übernehmen.

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Hamburg hat Platz! - Petition an Senat und Bürgerschaft

Sehr geehrte Damen und Herren des Hamburger Senats und der Bürgerschaft,

wir fordern Sie auf zu beschließen, dass Hamburg sich bereit erklärt, zunächst umgehend 1000 Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Hamburg soll von der Bundesregierung die Einreisegenehmigungen erwirken, die Transportkosten tragen und die Voraussetzungen für schnellstmögliche Unterbringung in regulären Wohnungen schaffen. Begründung:

Seit der Schließung der Balkanroute harren rund 60.000 aus Syrien, Irak, Afghanistan, Pakistan und anderen Ländern vor Krieg und Verfolgung geflohene Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen in Griechenland aus in der Hoffnung, die Grenzen vielleicht doch noch zu überwinden und nach Deutschland gelangen zu können. Was müssen diese Menschen in ihren Heimatländern erlebt haben, dass sie sich so verzweifelt an die Hoffnung einer Grenzöffnung klammern oder neue, immer gefährlichere Routen auf sich nehmen?!

Die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechts-Konvention und das universale Recht auf Asyl verlangen von uns, ihnen zu helfen, statt sie Erdogans Regime auszuliefern, das seinen eigenen Bürgern die Menschenrechte verweigert.

Millionen Deutsche haben selbst Flucht vor faschistischer Verfolgung oder Vertreibung aus ihrer Heimat erlebt. Sie erhielten Asyl vor der Befreiung von der Naziherrschaft oder wurden danach in zerstörten deutschen Städten aufgenommen. Wie wäre es ihnen ergangen, wenn sie plötzlich vor Stacheldrahtzäunen gestanden und gehört hätten, "das Boot ist voll, es gibt keinen Platz mehr für euch!"? Wir begreifen nicht, warum die Menschen im verarmten Griechenland in Zelten, unter freiem Himmel oder in Lagern unter unwürdigen Bedingungen eingesperrt leben müssen, während bei uns Erstaufnahmeeinrichtungen inzwischen wieder freie Kapazitäten haben.

Diesen Zustand möchten wir nicht länger schweigend hinnehmen. Hamburg hat nicht nur Platz, sondern wegen erhöhter Steuereinnahmen auch die finanziellen Mittel, für eine sichere Reise in unsere Stadt zu zahlen. In Abstimmung mit dem Bund können die Bundesländer beschließen, Flüchtlinge aus humanitären Gründen aufzunehmen. Allein im Rahmen des Relocation-Programms der EU, das festgelegt hatte, 160.000 Flüchtlinge, die bis März 2016 in Griechenland und Italien gestrandet waren, auf andere Länder zu verteilen, hätte Hamburg 700 von ihnen aufnehmen sollen. Aber das ist bisher nicht geschehen und reicht auch bei weitem nicht aus; denn Relocation à la EU berücksichtigt nur einen Teil der Schutzsuchenden.

Natürlich können zunächst verfügbare Erstaufnahme-Kapazitäten für die Neuankömmlinge aus Griechenland genutzt werden. Gleichzeitig sind aber auf schnellstem Wege die wohnungsbaupolitischen Voraussetzungen zu schaffen, um alle Neubürger*innen regulären Wohnungen unterzubringen.

Aktionskreis Hamburg Hat Platz (AHHP) Und Petitionsinitiative "Hamburg: Keine Abschiebung nach Afghanistan!"


https://weact.campact.de/petitions/hamburg-hat-platz
https://weact.campact.de/petitions/hamburg-keine-abschiebung-nach-afghanistan

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Quelle:
Pressemitteilung vom 03.11.17
Aktionskreis Hamburg hat Platz (AHHP)
Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI)
E-Mail: hamburghatplatz@t-online.de
Internet: http://bhfi.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2017

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