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NEWSLETTER/036: Werkstatt Rundbrief 1/2011 - 09.01.11


Werkstatt-Rundbrief Nr. 1/2010 - 9. Januar 2011

Solidar-Werkstatt für ein solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich


Inhaltsüberblick:

(1) Solidarwerkstatt-Veranstaltungen: Gemeindedemokratie (12.1., Linz), EU-Wirtschaftspolitik (18.1., Wien)
(2) Volksbegehren "Raus aus Euratom!"
(3) BürgerInnen-Initiative "Pflege in die Sozialversicherung!"
(4) Überwachungsstaat: Hineinfilmen "bis in die Wohnungen"
(5) Saatgut: Vielfalt in Gefahr!
(6) Das neue WERKSTATT-Blatt ("guernica") ist da!
(7) Weitere Hinweise auf wichtige Kampagnen
(8) LeseInnenbrief
(9) Termine
(10) Bestellungen
(11) Solidarwerkstatt-Videos
(12) Solidarwerkstatt auf Facebook


(1) Veranstaltungen der Solidarwerkstatt:

VERANSTALTUNG zur "Staatsreform"

Gemeindedemokratie statt Bevormundung Den Solidarstaat über die Gemeinden organisieren: Direkter Mittelzufluss - demokratische Bezirkshauptmannschaften - Bundesgemeinderat

Mittwoch, 12. Jänner 2011

Die Gemeinden werden finanziell zunehmend ausgeblutet und politisch immer stärker bevormundet. Die Überlegungen der Solidarwerkstatt gehen in die entgegengesetzte Richtung: Wir brauchen eine Staats- und Demokratiereform, wo die Gemeinden finanziell gestärkt und politisch aufgewertet werden, um die direkten Mitgestaltungsmöglichkeiten der BürgerInnen zu stärken. Drei Strukturreformen stellen wir zur Diskussion:

Direkter Mittelzufluss an die Gemeinden ohne Gängelung durch die Landesebene. Die Entscheidung über die Mittelverwendung erfolgt auf Gemeindeebene, die finanziellen Mittel der Gemeinden sind zu stärken, denn auf dieser Ebene erfolgt ein Großteil der öffentlichen Investitionen, die für Lebensqualität und Daseinsfürsorge unverzichtbar sind (Nahverkehr, Kinderbetreuung, erneuerbare Energien, Wasser, Kultur, uvm.)

Demokratisierung der Bezirkshauptmannschaften. D.h. nicht mehr Ernennung von oben, sondern Wahl der BezirksvertreterInnen von den Gemeinden aus. Denn diese Ebene wird für die Organisation gemeindeübergreifender Aufgaben immer wichtiger (Sozialverbände, Müllabfuhr, Verkehrsprojekte, usw.).
Einrichtung eines Bundesgemeinderats, einer zweiten Kammer neben dem Nationalrat, die von den Gemeinden aus gewählt wird. Dieser Bundesgemeinerat, der anstelle des zahnlosen Bundesrats tritt, hat volle Mitbestimmung in allen für die Gemeinden relevanten Fragen, insbesondere den Budgetfragen. Die VertreterInnen sind gegenüber ihren Gemeinden rechenschaftspflichtig und können jederzeit auch wieder abgewählt werden.

So wie es ist, war es nicht immer und muss es nicht immer bleiben. Um die Verankerung der Gemeinden in der Verfassung und die Organisation der Bezirkshaupftmannschaften gab es 1918-1920 heftige innenpolitische Auseinandersetzungen, über die der Zeithistoriker Hans Hautmann informieren wird. Anschließend diskutieren GemeinderätInnen und aktive BürgerInnen die aktuellen Probleme und Lösungsalternativen.


VERANSTALTUNG zur EU-Wirtschaftspolitik

"Am deutschen Wesen ..." Zur inneren Kolonisierung der EU mittels "Antikrisenpolitik"

Dienstag, 18. Jänner 2011

Ort: Amerlinghaus (Stiftgasse 8, 1070 Wien) Vortrag von Joachim Becker (a.o. Professor für Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und Redakteur der Zeitschrift Kurswechsel) mit anschließender Diskussion, Beginn: 19 Uhr

Mit dem Beinahe-Staatsbankrott in Griechenland haben sich die mächtigen EU-Staaten unter Führung Deutschlands ein Kriseninterventionsbesteck gegen Defizitsünder in der EU geschaffen, das an IWFDiktate gegenüber Staaten der Dritten Welt erinnert und den europäischen Staaten einen weiteren massiven Souveränitätsverlust bringt:
Im Rahmen des sogenannten Europäischen Semesters, welches der EU-Rat im September 2010 beschlossen hat, werden in Zukunft den nationalen Parlamenten von EU-Kommission und -Rat Sparund Belastungsziele für die nationalen Budgets vorgeschlagen, deren Umsetzung durch ein reichhaltiges Sanktionsinstrumentarium abgesichert ist.
Joachim Becker, a.o. Professor am Institut für Außenwirtschaft und Entwicklung der Wirtschaftsuniversität Wien, geht den Hintergründen der Krisenerscheinungen in den verschiedenen EU-Staaten nach und setzt sich mit der Genese und der Funktion der aktuellen "Antikrisenpolitik" der EU auseinander.


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(2) Volksbegehren "RAUS AUS EURATOM"

Eintragungswoche 28.2.-7.3.2011

Volksbegehren "RAUS AUS EURATOM" - Eintragungswoche 28.02. bis 07.03.2011 auf allen Gemeinde-bzw. Bezirksämtern. Mitmachen, mithelfen! Nutzen wir die Chance dieses Volksbegehrens, um Druck für eine glaubwürdige österreichische Anti-Atompolitik zu machen. Ein Aufruf von Gabriele Schweiger (Atomstopp OÖ).

Gleich zu Beginn möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Leser_innen von Guernica bzw. WERKSTATT-Blatt für die lange und spürbar hohe Unterstützung für die Kampagne "Österreich - RAUS aus EURATOM" und das EURATOM-Volksbegehren zu bedanken!

Nach der positiven Prüfung durch das Bundesministerium für Inneres, auf Gültigkeit des Antrags sowie der eingereichten Unterstützungserklärungen, wurde von der Ministerin der Termin für die Durchführung des EURATOM-Volksbegehrens festgelegt. Vom 28. Feber bis 7. März wird jede_r Österreicher_in, die/der spätestens am 7. März das 16. Lebensjahr vollendet hat, die Möglichkeit haben, auf dem Wohnsitzgemeinde/Bezirksamt (Stichtag f. Hauptwohnsitzmeldung = 24.1.) eine Stimme gegen die Atomenergie abzugeben und deutlich zu machen, dass man nicht damit einverstanden ist, dass österreichische Steuergelder für die Stützung der europäischen Atomindustrie verwendet werden.

Das Volksbegehren wird auch unter dem Motto stehen: Österreich sagt NEIN zu Atomenergie! Gegen grenznahe Atomkraftwerke zu wettern, gleichzeitig aber über EURATOM die europäische Atomwirtschaft zu stützen, wie das manche Politiker_innen praktizieren, dagegen verwehren wir uns!

Und wir prangern gleichzeitig die prekäre Demokratieausprägung in wichtigen Zukunftsfragen an, denn: der EURATOM-Vertrag ist das Paradebeispiel demokratie-aushebelnder Grundstrukturen in Europa, diktiert die elementare Energiefrage in beispiellos demokratieferner Weise.

Das EU-Parlament hat in EURATOM-Fragen kein verbindliches Mitspracherecht, die Mechanismen zur Entscheidungsfindung sind so gebaut, dass den Atomstaaten maximale Vorteile daraus erwachsen. Die Veränderbarkeit des Vertrags ist de facto dadurch blockiert, dass nur ein einstimmiger Beschluss in einer Regierungskonferenz eine Revision herbeiführen könnte. Das heißt: ein einziger Atomstaat genügt, um jedwede Reform zu verhindern. Dieses Konstrukt gibt der Atomwirtschaft nicht nur die Macht, die sie sich wünscht, sondern genau das sakrosankte Selbstverständnis von Daseinsberechtigung, das als Existenzgrundlage für sie unabdingbar ist. Nicht von ungefähr funktioniert der EURATOM-Vertrag nur als Anhang zum Vertrag von Lissabon, die wettbewerbsverzerrende Bevorzugung für eine einzelne Industrie liegt den Bestimmungen dieses Verfassungspapiers klar zuwider.

In diesem perfiden Spiel macht uns "unsere" Bundesregierung, die nicht gewillt ist, diese Mitgliedschaft zu beenden, zu Komplizen einer Klientel, deren Skrupellosigkeit ihresgleichen sucht.

Wir müssen RAUS aus EURATOM!

Wir werden jede Unterstützung von euch brauchen: für ein erfolgreiches EURATOM-Volksbegehren!
Für ein klares und unmissverständliches Votum an die Bundesregierung, für ein "Österreich sagt NEIN zu Atomenergie"!


Rückfragehinweise und Kontakt für Bewerbungsmaterialien:
Gabriele Schweiger 0664/390 77 09
Roland Egger 0680 / 23 93 019
http://www.euratom-volksbegehren.at/
post@atomstopp.at

Und natürlich auch bei der Solidarwerkstatt:
office@solidarwerkstatt.at , Tel. 0732/771094



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(3) BürgerInnen-Initiative "Pflege in die Sozialversicherung!"

"Endlich menschenwürdige und bedarfsgerechte Pflege ermöglichen!"


Interview mit der Pflegeexpertin und Werkstatt-Aktivistin Tanja Kaizar (Wien) über die Situation der Pflege in Österreich. Sie fordert die Finanzierung der Langzeitpflege durch die Sozialversicherung und berichtet über positive Erfahrungen aus Dänemark. Ihr Grundsatz: Es kommt nicht nur drauf an, wie alt man wird, sondern wie man alt wird.


WERKSTATT-Blatt: Woran krankt Deiner Meinung nach das Pflegesystem in Österreich?

Tanja Kaizar: Da weiß ich gar nicht, womit ich anfangen soll. Ich beginne bei der mir unverständlichen Trennung zwischen kurativer Medizin und Langzeitpflege. Zur kurativen Medizin: Es ist in Österreich dafür gesorgt, dass Erkrankungen jeder Art behandelt werden. Durch den praktischen Arzt, eine Fachärztin oder ein Krankenhaus erfolgt eine entsprechende Diagnose. Da fast 100% der Menschen in Österreich sozial- und damit auch krankenversichert sind, erhalten sie mit Zahlung eines Selbstbehaltes (der in den letzten Jahren ziemlich rasch angestiegen ist) auch die entsprechende Behandlung. In der Langzeitpflege ist das nicht so, da die Sozialversicherung dafür nicht zuständig ist. Dieser Bereich ist ein weites Feld mit sehr unterschiedlichen Verantwortlichkeiten. Für die Gewährung des Pflegegeldes ist das Sozialministerium zuständig. Die Durchführung der Pflege liegt hauptsächlich im privaten Bereich. Immerhin werden 80% der Pflegebedürftigen von ihren Angehörigen betreut (in 80% sind es Frauen, die dies auf sich nehmen). Der weitaus geringere Anteil liegt in der Hand von öffentlichen und privaten Pflegeheimen mit sehr unterschiedlicher Pflegequalität. Diese Trennung ist für mich nicht nachvollziehbar.

Ganz unverständlich wird dies, wenn man an die Demenz denkt. Das ist eindeutig eine medizinische Diagnose - also Krankheit - und die Auswirkung ist eben die Pflegebedürftigkeit.

Als ein weiteres Problem sehe ich die fehlenden Maßnahmen der Verantwortlichen aus Problemen, die seit Jahren bzw. Jahrzehnten bekannt sind. So ist bereits in den 80 er Jahren bekannt, dass für den Langzeitpflegebereich vermehrt Mittel und Maßnahmen zu entwickeln sind. Nach dem Skandal in Lainz 1989 haben das auch alle Verantwortlichen zugesagt. Leider folgten viele weitere Missstände und ist den Medien manchmal auch eine Notiz wert, allerdings blieben die versprochenen Reformen noch immer aus. Um nur ein Beispiel zu nennen. Im Langzeitpflegebereich sind mehr als die Hälfte der betreuten Menschen unterernährt. Wer Pflegebedürftigen jemals beim Essen geholfen hat, der/die weiß, wie lange es dauert, bis eine Mahlzeit verabreicht ist. Auch die Hilfe beim Trinken ist zeitaufwendig und braucht viel Geduld. Gerade in den Pflegeheimen sind viel zu wenig Pflegende für die ihnen anvertrauten Menschen da. Von anderen Vernachlässigungen will ich gar nicht reden. Es gibt schon auch sehr gute Pflegeheime - es ist nicht gesagt, dass private besser sind. Das hängt sehr oft mit dem persönlichen Engagement zusammen, allerdings bedeutet das auch meist, dass sich die Pflegenden selbst ausbeuten.

Ein weiteres Problem ist die fehlende Struktur der Pflege. Die größte Berufsgruppe im Gesundheitsbereich hat wenig bis keine Mitsprache bei den Entscheidungen. Sie ist weder auf Bundesebene (abgesehen von einer Person im Gesundheitsministerium) noch in den Ländern als Entscheidungsträgerin vorgesehen. Das hat mehrere Gründe. Einerseits ist die Pflege in Österreich traditionell eine Berufsgruppe, die sich sehr wenig am politischen Leben beteiligt. Es gibt auch Berufsgruppenvertretungen, allerdings repräsentieren diese nur ca. 20 % der Pflegenden und haben somit nicht die notwendige Durchsetzungskraft (wenn man sich im Vergleich dazu die Ärzt/innen ansieht). Andererseits oder daraus folgernd ist die Ausbildung der diplomierten Pflegeperson noch nicht, wie in allen anderen OECD Ländern auf Fachhochschulniveau. Im universitären Bereich wurde zwar im vergangenen Jahrzehnt begonnen, allerdings sind keine akademischen Positionen im Gesundheitsbereich für die Pflege vorhanden.

WERKSTATT-Blatt: Was müsste sich ändern? Welche positiven Erfahrungen hast Du in anderen Ländern dazu gemacht?

Tanja Kaizar: Die Sozialversicherung müsste auch die Langzeitpflege finanzieren. Das wäre ein erster wichtiger Schritt, damit Pflegeabhängige nicht von der "Güte" der Pflegegeldeinstufung, die oft um eine Stufe geringer ausfällt, abhängig sind. Jetzt gehe ich über die Eingangsfrage etwas hinaus. Ich denke, dass es an der Zeit ist, auch über das Gesundheitswesen insgesamt zu reden. Es sollte wesentlich mehr in die Vorbeugung von Krankheiten investiert werden. Damit beschränke ich mich nicht auf die von den Gesundheitsministern der EU propagierten wie gesunde Ernährung, Antiraucher/innenkampagnen und ähnliches. Ich finde diese 'pädagogischen Appelle' recht zynisch, auch weil sie vermitteln, dass jede/r selbst für seine/ihre Gesundheit voll verantwortlich ist. Mittlerweile wissen wir doch, dass uns auch/vor allem die Umstände krank machen (Armut macht krank!, das weiß mittlerweile auch der Gesundheitsminister). Ich meine, dass unsere gesamten Lebens- und Arbeitsbedingungen gesundheitsfördernd gestaltet.

Bevor ich zu sehr abschweife, möchte ich etwas über meine Erfahrungen aus Dänemark berichten. Bereits in den 80ern begann in Dänemark die Umstrukturierung der Langzeitpflege, indem sie diesen Bereich massiv ausbauen und an die Erfordernisse anpassten. Damals war auch die Pflege bei der Planung mit einbezogen. Es ist ein bedarfsorientiertes System, welches aus Steuergeldern finanziert wird und die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sind klar geregelt. Durch den Auf- /Ausbau der 24-Stunden-Pflege und die Begründung neuer Wohnformen konnte Dänemark seine Kosten in der Langzeitpflege von 2,4% (1985) auf 2,2% des BIP (1995) verringern und dies bleibt auch in Folge relativ stabil. Die Gemeinden erbringen die Pflegeleistungen und die Regionen (erhalten das Geld vom Staat) sind für die Finanzierung verantwortlich. Es besteht das Sachleistungsprinzip. Das heißt, dass der Bedarf von qualifizierten Pflegenden erhoben wird und entsprechende Maßnahmen geplant werden. (Wenn Angehörige die Pflege teilweise übernehmen, so werden sie dafür entsprechend bezahlt). Eine Unterbringung in einem Pflegeheim kann auf eigenen Wunsch erfolgen oder, wenn die Betreuung zu Hause nicht mehr gewährleistet werden kann. An erster Stelle steht die rechtzeitige Erkennung eines möglichen Pflegebedarfs, welche seit 1998 zwei Mal jährlich bei Menschen ab dem 75. Lebensjahr mittels präventiver Hausbesuche durch eine Pflegeperson erhoben wird. Durch den Ausbau der ambulanten Versorgung und einer guten Zusammenarbeit der Spitäler mit den Gesundheitszentren hat Dänemark im Jahr 2005 lediglich 370 Spitalsbetten pro 100.000 Einwohner/innen. Österreich hat 768 Spitalsbetten pro 100.000 Einwohner/innen. Die Gesundheitsausgaben im Jahr 2005 betragen in Dänemark 9,4% des BIP, Österreich gibt 10,2% des BIP dafür aus. Außerdem gibt es in Dänemark fast doppelt so viele Pflegende als in Österreich. Sie sind sehr gut ausgebildet und sind zu über 90% in ihrem Berufsverband organisiert. Besonders gut gefällt mir, dass sie in Krankenhäusern eigene Forschungsbereiche haben und gemeinsame Forschungen mit anderen Berufsgruppen durchführen.

Ich denke, es ist in Österreich dringend notwendig der Pflege den ihr gebührenden Stellenwert ein zu räumen. Beispielsweise sollte die Pflege die Pflegegeldeinstufung durchführen, die zu ihrer gesetzlich fest gelegten Verantwortung (Pflegebedarf erheben, GUKG § 14) gehört. Des Weiteren ist es notwendig, dass Pflege auch im tertiären Bildungssektor angesiedelt wird. Wir brauchen auch Forschung, damit wir die Gegenwart gut bewältigen können und gute Argumente haben uns einzumischen.

WERKSTATT-Blatt: Warum ist es wichtig, die BürgerInnen-Initiative der Solidarwerkstatt zu unterstützen?

Tanja Kaizar: Letztendlich wird das Thema Langzeitpflege viele Menschen direkt und/oder indirekt betreffen. Ich möchte keinesfalls in einem Pflegeheim unterernährt und wundgelegen meine letzten Jahre verbringen. Daher denke ich, dass so viele Menschen wie möglich, diese Initiative unterstützen sollten, damit die Verantwortlichen endlich menschenwürdige und bedarfsgerechte Pflege ermöglichen. Mein Motto: Es kommt nicht darauf an wie alt ich werde, sondern wie ich alt werde!


Zahlen, Daten und Fakten zum Pflegenotstand in Österreich

Pflegenotstand in Österreich heißt: Hohes Armutsrisiko, Überlastung der Familien, Zwei-Klassen-Pflege, Ausbluten der Gemeindefinanzen. Das bestätigt uns: Dieses Pflegesystem muss geändert werden, die Pflege gehört in die Sozialversicherung eingebunden! D.h. ähnlich wie bei der sozialen Krankenversicherung muss jeder Mensch im Bedarfsfall Anspruch auf die erforderlichen, qualitativ hoch stehenden Pflegeleistungen haben. Ebenso wie eine gute Kranken- oder Unfallbehandlung darf auch eine gute Pflege nicht von der Dicke der Brieftasche abhängig sein.

Wachsendes Armutsrisiko und Zwei-Klassen-Pflege

Menschen aus unteren sozialen Schichten werden öfter krank und haben einen höheren Pflegebedarf. Zugleich aber können sie sich eine entsprechende Pflege nicht leisten bzw. bringt ein erhebliches Armutsrisiko für sie bzw. ihre Angehörigen. So ist das Pflegegeld im Zeitraum 1993 bis 2007 um 7,3% gestiegen, die Inflation aber um 27,5%. D.h. der reale Wert des Pflegegeldes ist um ein Fünftel zurückgegangen. Laut Rechnungshof deckt schon jetzt das Pflegegeld nur maximal 58 Prozent der Kosten ab, in unteren Stufen mitunter nicht einmal 20 Prozent (Standard, 29.03.10), das Sparpaket der Regierung bringt nun weitere Verschlechterungen beim Pflegegeld. Armutsrisiko und Zwei-Klassen-Pflege sind die Konsequenz eines System, das zwar Rechtsanspruch auf kaum valorisierte und den realen Kosten nicht entsprechende Geldleistungen gewährt (Geldleistungsprinzip), aber keinen Anspruch auf entsprechende Pflegeleistungen (Sachleistungsprinzip).(1)

Die Versorgung und Kosten für ambulante Dienste sind bundesländerweise höchst unterschiedlich. Eine Studie zur Situation pflegender Angehöriger im Jahr 2005 forschte nach, warum nicht ausreichend oder gar keine mobilen Dienste in Anspruch genommen werden. Immerhin 42% gaben finanzielle Gründe an, 12% der Befragten erklärten, dass in ihrer Umgebung gar kein Angebot an mobilen Diensten vorhanden ist. (2)

Viele Menschen gehen vollkommen leer aus

Ein Pflegeheimplatz bedeutet für über 80% den Weg in die Sozialhilfe. Die Kosten für einen Pflegeheimplatz pro Monat liegen je nach Pflegebedarf von 1.000 bis 6.000 EUR pro Monat. Zum Vergleich: Pflegegeld der höchsten Stufe (= Stufe 7) beträgt EUR 1.655,80. Das durchschnittliche Pflegegeld liegt bei 408 EUR (Frauen) und 430 EUR (Männer), die durchschnittliche Männerpension bei 1.233 Euro, die durchschnittliche Frauenpension bei 738 Euro.(2)

Viele Menschen mit Pflegebedarf gehen derzeit vollkommen leer aus. Im Jahr 2004 bezogen 371.067 Menschen Pflegegeld. Die Zahl der hilfs- und pflegebedürftigen Menschen wird auf rd. 541.000 Personen geschätzt.(2) Durch den erschwerten Zugang zum Pflegegeld ab 2011 wird diese Kluft weiter wachsen.

Hauptlast liegt bei den Familien und Frauen

Die Hauptlast der der Pflege (rd. 80%) liegt bei den Familien und informellen Netzwerken, und hier wiederum zu 80% bei den Frauen. Darüber hinaus ist der Pflegebereich gekennzeichnet von Schwarzarbeit und prekärer Beschäftigung ("böhmische Lösung"). Eine Studie des Boltzmann-Instituts schätzt die Zahl der SchwarzarbeiterInnen im Pflegebereich auf 10.000 bis 60.000.

Gemeinden bluten finanziell aus

Das derzeitige Pflegesystem führt zum finanziellen Ausbluten der Gemeinden. "Die Gemeinden werden dreifach zur Kasse gebeten: Einmal bei Errichtung und Betrieb der Infrastruktur, ein weiteres Mal bei der Pflegegeld selbst und drittes Mal, wenn das nicht ausreicht, um die Kosten eines Aufenthalts in einem Pflegheim zu finanzieren über die Sozialhilfe." (Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer, in www.kommunal.at). Experten gehen davon aus, dass spätestens 2013 90% der Gemeinden nicht mehr ausgeglichen bilanzieren können. (Die Presse, 27.05.2010)

30% der Pflegebeschäftigten sind burn-out gefährdet

Generalsekretär des Roten Kreuzes, Werner Kerschbaum, schätzt, dass in Österreich bereits jetzt zumindest 6.500 Menschen in der Pflege fehlen. In Finnland kommen auf 1 000 Einwohner im Durchschnitt 21,7 Pflegekräfte, in Deutschland 9,5 und in Österreich 5,8. Entsprechend hoch ist die körperliche und psychische Belastung in den Pflegeberufen. 30% aller Pflegebeschäftigten sind burnout gefährdet.

Pflegeausgaben sind gemessen an der Wirtschaftsleistung gesunken!

Zwischen 1994 und 2006 ist der Anteil der Pflegekosten an der wirtschaftlichen Wertschöpfung Österreichs von 1,42% auf 1,4% leicht gesunken, obwohl der Anteil der Pflegebedürftigen um 26% in diesem Zeitraum stieg. (Quelle: Statistik Austria).

Quellen:
(1) http://www.hauptverband.at/
(2) Die Kosten der Pflege in Österreich, Studie des Instituts für Sozialpolitik, WU Wien, 2005



Parlamentarische BürgerInnen-Initiative "PFLEGE IN DIE SOZIALVERSICHERUNG!":
Unterschriftsliste anfordern bei office@werkstatt.or.at
ONLINE-Unterstützung: http://www.werkstatt.or.at/Forum/PetitionPflege.php


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(4) Überwachungsstaat: "Hineinfilmen bis in die Wohnungen"

Eins fügt sich ins andere: Ausufernde Videoüberwachung, Kontrolle und Speicherung aller elektronischen Datenströme, Observierung durch Drohnen aus der Luft - am Ende steht ein ausufernder Überwachungsstaat und der Generalverdacht gegenüber der gesamten Gesellschaft. Was gestern noch Sience Fiction war, droht zunehmend Realität zu werden.


Sie sollten sich zunehmend sicherer fühlen, denn je mehr gegen die Unsicherheit gehandelt wird, umso sicherer fällt unsere Freiheit der Überwachung anheim. Laut Datenschutzbericht 2009 werden zunehmend die verschiedensten Daten und Handlungen von und über uns Menschen, registriert, gesammelt, gespeichert und diese auch vorratsdatengespeichert. Dazu gaben weder Sie noch ich die Erlaubnis noch das Einverständnis und doch wird im Datenschutzbericht 2010 festgestellt, dass diese Daten zunehmend im rechtlichen Graubereich verschoben, gehandelt und verwendet werden. (1)

Ein praktisches Beispiel: Mit der "Zentralen Informationssammlung der Versicherungswirtschaft" wird sichergestellt, dass Sie, wenn Ihr individuelles Versicherungsrisiko als zu hoch für eine Versicherung eingestuft wird, von allen Versicherungen gleichermaßen abgelehnt werden. Dasselbe gilt auch für spezialisierte Informationsanbieter in Sachen Bonität von Firmen und Privaten, die somit durch das Sammeln und Abgleichen von Daten, Bankkunden die Möglichkeit nimmt, bei Finanzkorrekturen einen versuchten Wechsel zu anderen Geldinstituten vorzunehmen. Dass es dabei oft zu Fehlinformationen seitens der Auskunftskanzleien über die Kreditwürdigkeit des Einzelnen kommt, liegt an den häufig falschen oder veralteten Daten. Dies alles zum Nachteil des Konsumenten, der davon nichts ahnt. Diese riesigen Datenansammlungen und Verwertungen sind durch keinerlei rechtliche Grundlagen gedeckt.

Datenschutz - Wie bitte?

Musste früher jede Videoüberwachung von der Datenschutzkommission genehmigt werden, so gilt jetzt eine banale Meldepflicht als ausreichender Schutz vor dem überbordenden und mittlerweile unkontrollierten Überwachungswahn. 2006 wurden 12 Überwachungsanlagen neu registriert, 2007 bereits 60, 2008 waren es 279 Anlagen und 2009 konnte ein Anstieg auf 803! verzeichnet werden, d.h. innerhalb von drei Jahren hat sich die Zahl der neu registrierten Videoanlageninstallationen um 67-fache! gesteigert. (2) Dabei handelt es sich meistens nicht um Einzelgeräte, sondern um eine vielfache Anzahl von einzelnen Kameras je Anlage. Österreichweit wird davon ausgegangen, dass seit 2010 ca. eine Million Videokameras zur Überwachung installiert und betrieben werden, viele davon illegal, weder genehmigt noch registriert.

Gesellschaft unter Kontrolle - zur "Sicherheit"

Dass mit der Videoüberwachung nicht nur bei uns, sondern in vielen Ländern sehr ungeniert umgegangen wird, nutzt die EU intensiv für die Dienste der Sicherheit. Um dem rechtlichen Graubereich von illegalen Überwachungsmethoden zu entkommen, wird diese Disziplin zur Wissenschaft emporgehoben und in ein hochdotiertes EU-Forschungsprojekt übergeführt. Mit dem EU-Finanzierten Forschungsprojekt "INDECT" sollen in Zukunft medienübergreifende Daten erfasst und abgeglichen werden. Dabei sollte "intelligente" Software diese Daten auf "untypisches bzw. auffälliges Verhalten" analysieren, um so genannte Verhaltensabnormitäten zu erkennen, sowie "Personen zu detektieren" und zu "verfolgen". Das heißt, "INDECT" wird rund um die Uhr alle Webseiten, Newsgruppen, Fileserver , diverse Netzwerke und private Computer, aber auch die am Netz hängenden Videokameras durchschnüffeln. Welche Inhalte oder Bilder abgefragt werden bleibt Ihrer Fantasie vorbehalten, Tatsache ist, dass damit Personen automatisch erkannt und mit Polizeicomputern abgeglichen werden können. Derzeit ist das alles noch nicht zur Vollreife entwickelt, aber in den Forschungseinrichtungen Fachhochschule Technikum Wien und der Multimedia-Experte X.Art in Pinkafeld wird an der Perfektion dieses Überwachungssystems gearbeitet.(3) Und das im EUVerbund von 17 Universitäten und Privateinrichtungen, sowie Polizeibehörden, denen mittels EUForschungsförderung von 11 Mill. Euro genug Geld für Entwicklung dieser Überwachungstechnologie zur Verfügung gestellt wird. Den Probegalopp zur totalen Überwachung wird es bei der Fußball EM in Polen und Ukraine 2012 geben, denn dort soll "INDECT" erstmals erprobt werden. In weiterer Folge können Menschenansammlungen jeder Art als Rechtfertigung und Vorwand für Überwachung und Repression dienen. Dem wachsenden sozialen Protest gegen die neoliberale Politik, will man von oben mit der Ausweitung von Überwachung und Kontrolle begegnen. Die ganze Gesellschaft kommt unter Generalverdacht. Selbst der ansonsten unverdächtige Datenschutzratvorsitzende Nationalratsabgeordneter Johann Maier ist nicht unverdächtig genug, um bei Parlamentarischer Anfrage Auskunft über eine Österreichische Teilnahme am "INDECT" Projekt zu bekommen. Drohnen - Krieg nach außen, Überwachung nach innen Auch Deutschland steckt im Strudel des ausufernden Überwachungsstaates; gleichzeitig soll die öffentliche Sensibilität gegenüber solcher Überwachung verhindert werden. Die Untersuchung der öffentlichen Wirkung von Videoüberwachung lässt sich das Forschungsministerium ebenfalls einiges kosten. So erhält das an der Universität Würzburg angesiedelte Verbundprojekt "Mustererkennung und Video-Tracking" 1,2 Millionen Euro. Ein wichtiges Ziel sei es, herauszufinden, "wie die öffentliche Debatte über Vorzüge und Gefahren der Videoüberwachung die Einstellung der Menschen beeinflusst", so die Würzburger Forscher. Dabei gehe es "um die Faktoren, die für die Akzeptanz des neuen Systems entscheidend sind". Innenausschussmitglied Korte erklärt: "Ob die in der Antwort der Bundesregierung genannten Forschungsprojekte wirklich alle Projekte, die mit Videoerkennung zusammenhängen, umfassen, ist mehr als zweifelhaft. Ich befürchte, dass das Ausmaß noch viel größer ist." Zum Beispiel würden keine Projekte zur "Erprobung von Videoüberwachung mit Drohnen" genannt, so Korte. (4) Diese Drohnen, also unbemannte Flugobjekte ("Unmanned Aerial Vehiclem, UAV), stellen aber nicht nur den nächsten Schritt der Generalverdächtigung und Überwachung der ganzen Gesellschaft im Inneren dar, sondern auch zur Kriegsführung nach außen. Insbesondere die USA setzten Drohnen bei den Kriegen im Irak und Afghanistan zur Spionage, Überwachung und gezielten Tötung von "Gegnern" ein. Das lässt die EU-Mächtigen aufhorchen. Der deutsch-französische Rüstungskonzern EADS fordert, eine "eigenständige Drohnentechnologie" in Europa aufzubauen, "um nicht von Herstellern in den USA oder Israel abhängig zu sein". Gestern Sience Fiction, heute Drohnentechnologie geradezu euphorisch. Besonders gelobt wird die "modulare Konstruktion" von UAVs: Sie ermögliche nicht nur flächendeckende Spionage, sondern ebenso den "reaktionsschnellen Waffeneinsatz" und "Informationsoperationen gegen Ziele im Führungsnetzwerk des Gegners". Vor dem "Hintergrund aktueller und zukünftiger Einsätze der Bundeswehr" gewinne der Einsatz von UAVs "erheblich an Bedeutung", heißt es. UAVs seien für "vernetzte Operationen aller Intensitäten in allen Dimensionen" verwendbar und damit exakt auf das "wahrscheinliche Szenario in lang andauernden Stabilisierungseinsätzen" zugeschnitten, erklärt etwa die Militär-Zeitschrift "Europäische Sicherheit".

Explizit Bezug nehmen die Autoren in diesem Zusammenhang auf das Konzept des "Three Block War". Dieses bezieht sich auf die Eskalation einer als "humanitäre Hilfsmission" deklarierten Militärintervention zum offenen Krieg - innerhalb kürzester Zeit. (5) Die deutsche Bundeswehr wird spätestens 2013 ihre erste "Kampfdrohne" erhalten; sie firmiert unter der Bezeichnung "Harop" und ist Teil des von den Rüstungskonzernen Rheinmetall und Israel Aerospace Industries (IAI) entwickelten Waffensystems WABEP ("Wirkmittel zur abstandsfähigen Bekämpfung von Einzel -und Punktzielen"). (5)

Und die Profiteure?

Auch kleinere mittelständische Firmen haben mittlerweile die Produktion von UAVs als profitables Geschäftsfeld entdeckt. So vertreiben etwa die im Bundesland Nordrhein-Westfalen beheimateten Unternehmen AirRobot (Arnsberg) und Microdrones (Siegen) mit zunehmendem Erfolg sogenannte Mini-Drohnen. Diese seien hervorragend für "Überwachungs- und Inspektionsaufgaben" aller Art geeignet und damit nicht nur interessant für Feuerwehren und Rettungsdienste, sondern ebenso für "Grenzschutz, Polizei, Sondereinheiten, Armee", erklärt Microdrones. AirRobot wiederum preist seine UAVs als "universelles Werkzeug zur Bewältigung der aktuellen Anforderungen an ein modernes Krisenmanagement" und empfiehlt deren Anschaffung durch Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW) und den "militärischen Bereich". (6)

Auch Österreich spielt eine Rolle bei der Entwicklung von Drohnentechnlogie, konkret die Firma Schiebel Industries. Von deren Kampfdrohne Camcopter war das US-Militär so angetan, dass es diese schon im Irak-Krieg eingesetzt hat. Mit dem Österreichischen Bundesheer konnte Schiebel Industries "leider noch keinerlei Kaufabschluss" tätigen. Allerdings unterstützt das Bundesheer Schiebl "mit der Ermöglichung von Testflügen in geeignetem Geländer, u.a. auch am TÜPL Allentsteig." (7)

Drohnen sollen aber bald nicht nur auf den Kriegsschauplätzen in entfernten Regionen, sondern auch hierzulande zum Einsatz kommen, um die Gesellschaft zu kontrollieren. Zur Überwachung und Einschüchterung der Proteste gegen den Castor-Transport von Atommüll setzten die deutschen Behörden zum ersten Mal Mini-Drohnen ein, die sogar "in Wohnungen hineinfilmen können." (NDR, 27.03.2010).

Das Ende der Unschuld - jeder Mensch ist verdächtig

Umfassende Datenverknüpfung. Der flächendeckenden Überwachung von Ballungsräumen mit Hilfe von Drohnen dient das EU-Projekt "INDECT", in das auch österreichische Unternehmen bzw. Universitätseinrichtungen eingebunden sind. Dutzende Drohnen sollen mittels hochauflösender Viedeotechnik Flächen abscannen und "untypische bzw. verhaltensauffällige" Bewegungsmuster sofort an die Polizei zu gefälligen Analyse weiterleiten. Somit greift eins ins andere. Die Verknüpfung der Überwachung aus drohnengestützter Luft-überwachung, aus videogestützter Personenüberwachung am Boden und der Überwachung der elektronischen Datenströme ergeben ein Eskalationspotential, das jeglicher demokratischen Kontrolle entzogen ist und einer autoritären Entwicklung Vorschub leistet, wo jeder und jede unter Generalverdacht steht. Wer dabei nichts Schlimmes vermutet, möge sich die Entwicklungen rund um die derzeitigen Prozesse gegen Tierrechts- AktivistInnen anschauen, wo mit Hilfe eines entfesselten Polizei- und Justizapparates politisch engagierte Menschen fertig gemacht werden sollen, die den Gewinninteressen einiger Geschäftsherren im Weg stehen.

Rudi Schober

Quellen:
(1) Der Standard, 11.08.2010
(2) Der Standard, 11.08.2010
(3) Der Standard, 25.08.2010
(4) Die Ära der Drohnen, German Foreign Polici 03.09.2010
(5) Die Ära der Drohnen, German Foreign Polici 03.09.2010
(6) www.airrobot.com
(7) ORF-Bericht Schiebel Elektronische Geräte GmbH


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(5) Saatgut: Vielfalt in Gefahr!

Droht den Pflanzentauschmärkten im Jahr der Biodiversität das Aus? Mit der Umsetzung der EU-Erhaltungssortenrichtlinie droht die Privatisierung freier Saatgutsorten. Die ErhalterInnen sind empört und fordern eine sofortige Überarbeitung der Durchführungsbestimmungen. Im Anhang dieser Medieninformation findet sich auch die "Grazer Erklärung: Freiheit für Vielfalt", verabschiedet beim 5. Europäischen Saatguttreffen im März 2010 in Graz.


Im Juni 2008 hat die EU-Kommission die Richtlinie 2008/62/EG erlassen. Sie regelt die Zulassung von Landsorten und seltenen Sorten, die von genetischer Erosion bedroht sind und bis jetzt noch nicht registriert waren sowie das "Inverkehrbringen" dieser Sorten. Bei einer Informationsveranstaltung des Lebensministeriums wurden nun die Durchführungsbestimmungen für Österreich vorgestellt.

Die anwesenden ErhalterInnen von seltenen und bedrohten Sorten reagierten entsetzt: "Unsere schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen", so Florian Walter, Bergbauer in Pöls und Erhalter zahlreicher Sorten. "Dies ist das Aus für die so beliebten Pflanzentauschmärkte! Das mühsam aufgebaute Netzwerk von ErhalterInnen in Österreich wird mit diesen Regelungen in Frage gestellt."Bisher waren Erhaltungssorten freie Sorten, die genutzt, vermehrt und weitergegeben werden durften. Nach Inkrafttreten der Umsetzungsbestimmungen können diese Sorten in einem - im Vergleich zum regulären Zulassungsverfahren - vereinfachten und billigeren Verfahren zugelassen werden. Bis jetzt gab es diese Möglichkeit nicht. Sobald jedoch eine Sorte als Erhaltungssorte zugelassen ist, darf sie nur mehr von den jeweiligen Zulassungsinhabern vermehrt und verkauft werden. Die Sorte, die bisher allen frei zu Verfügung stand, wird somit privatisiert.

Genau dieser Punkt löst Empörung auf Seiten der ErhalterInnen aus. "Diese traditionellen und seltenen Sorten werden seit Jahren von zahlreichen Bauern und Bäuerinnen sowie GärtnerInnen vermehrt, betreut und züchterisch verbessert. Nun sollen wir sie nicht mehr verkaufen, ja nicht einmal mehr tauschen dürfen! Für uns ErhalterInnen bedeutet das ein ständiges Leben in Ungewissheit, ob nicht morgen auch die geschätzte und gehütete Lieblingssorte privatisiert ist und nicht mehr weitergegeben werden darf. Wer wird sich dann noch die Mühe machen Sorten zu erhalten und weiter zu entwickeln?" so Walter entrüstet.

Derzeit befinden sich in Österreich fast 70 Gemüsesorten im Zulassungsverfahren, darunter so bekannte und beliebte Sorten wie die Tomaten "Green Zebra" und "Auriga" oder der Paprika "Roter Augsburger". EU-weit sind bereits 100 Sorten zugelassen. Sobald ein EU-Mitgliedsland eine Region als "Ursprungsregion" einer gewissen Sorte anerkennt, darf diese nur mehr in dieser Region angebaut werden. Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Mitgliedsstaaten sind damit vorprogrammiert. Zusätzlich gelten strenge Mengenbeschränkungen.

"Die EU-Kommission hat vorgegeben, durch die Erhaltungssortenrichtlinie die Bewahrung und Weiterentwicklung von traditionellen und seltenen Sorten erleichtern zu wollen. Das Gegenteil ist der Fall! Die Richtlinie und insbesondere auch ihre Umsetzung in Österreich machen die Arbeit der ErhalterInnen zunichte. Im Internationalen UN-Vertrag über Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR-FA) ist das bäuerliche Recht, Samen aus eigener Ernte zu gewinnen, zu tauschen und zu vermarkten, festgeschrieben. Dieser Vertrag wurde von der EU und allen Mitgliedsstaaten unterzeichnet. Durch die Erhaltungssortenrichtlinie wird dieses Recht verletzt", ärgert sich Heike Schiebeck, Vorstandsmitglied der ÖBV-Via Campesina Austria, der Österreichischen Berg- und KleinbäuerInnenvereinigung.

"Die Umsetzung der Saatgutrichtlinie legalisiert die Biopiraterie: Pflanzensorten, die über Jahrhunderte von unzähligen Generationen von Bäuerinnen und Bauern gezüchtet wurden, sollen nun zum Eigentum einzelner Zulassungsinhaber werden. Seltene Sorten, die zynisch als "Liebhabersorte ohne ökonomischen Nutzen" bezeichnet werden, sind durch das teure Zulassungsverfahren und die restriktiven Anbaubestimmungen vom Aussterben bedroht. Im schlimmsten Fall werden dutzende oder hunderte traditioneller Saatgutsorten so binnen weniger Jahre durch Europas Agrarbürokratie ausgerottet", befürchtet Michael Johann, Obmann der Grünen Bäuerinnen und Bauern.

Das ErhalterInnennetzwerk, die ÖBV-Via Campesina Austria und die Grünen Bäuerinnen und Bauern fordern die politisch Verantwortlichen in Österreich auf, die Durchführungsbestimmungen der Erhaltungsrichtlinie einer gründlichen Überarbeitung zu unterziehen. Insbesondere die Regelungen, die sich auf den Verkauf, die Weitergabe und den Tausch von Saatgut beziehen, müssen so abgeändert werden, dass die Arbeit der zahlreichen ErhalterInnen nicht bedroht wird.

Rückfragehinweise:
Florian Walter, 03579/8037 oder 0664/4165649
Heike Schiebeck, 04238/8705
Michael Johann, 0664/2668548
Katharina Dianat, 0650/6839419



ANHANG:

Grazer Erklärung: Freiheit für Vielfalt

Vom 25. bis 27. März 2010 versammelten sich in Graz, Österreich, 160 VertreterInnen europäischer Saatgutnetzwerke, von Initiativen zur Erhaltung, Nutzung und Verbreitung der pflanzlichen Vielfalt, zivilgesellschaftlicher Organisationen, GärtnerInnen, ZüchterInnen, Bauern und Bäuerinnen aus mehr als 20 Ländern beim 5. Europäischen Saatguttreffen "Let's liberate diversity!". Auf diesem Treffen wurde diese Erklärung verabschiedet.


Jeder Mensch hat das Recht, frei von Hunger zu sein und sich angemessen zu ernähren. Dieses Menschenrecht umfasst auch den Zugang zu produktiven Ressourcen, insbesondere Saatgut.

Ernährungssouveränität ist langfristig nur zu erreichen durch einen kulturell reichen ökologischen Anbau von Nahrungsmitteln basierend auf lokal angepassten Sorten und der gemeinschaftlichen Pflege und Entwicklung dieser Vielfalt.

Seit Jahrtausenden schaffen Menschen auf der ganzen Welt die Vielfalt der Kulturpflanzen und der Nutztiere. In wechselseitigen Prozessen zwischen Mensch und Natur, an vielen Orten, auf Wanderschaft und über lange Zeiten ist diese reiche bio-kulturelle Vielfalt auf unserem Planeten entstanden. Dass Menschen in aller Welt über sie verfügen können, ist grundlegend für unser tägliches Brot und die Ernährungssouveränität der Gemeinschaften. Diese Vielfalt ist ein elementarer Teil des Menschenrechts sich zu ernähren; sie muss Gemeingut sein und allen gehören.

Wir treten für die bäuerlichen Rechte ein, Saatgut aus eigener Ernte zu gewinnen, zu züchten und weiterzugeben.

Die bäuerlichen Rechte (1) sind verletzt und in akuter Gefahr, im Zuge der laufenden Revision der EUSaatgutgesetzgebung weiter beschnitten zu werden.

Zehn Konzerne kontrollieren bereits 67% des kommerziellen weltweiten Saatgutmarktes. Sie fordern eine Ausweitung ihrer geistigen Eigentumsrechte, um ihren Profit weiter zu vergrößern und ihre Industrie-Sorten der ganzen Welt aufzuzwingen. Nachbaufähige Sorten hingegen werden systematisch vom Markt verdrängt. Aber nicht die Konzerne mit ihren Industrie-Sorten werden die Weltbevölkerung in Zukunft ernähren, sondern es braucht vielfältige bäuerliche Strukturen mit ihren lokal angepassten Sorten. (2)

Wir berufen uns darauf, dass noch drei Viertel der Bauern und Bäuerinnnen auf der Welt ihr selbsterzeugtes Saatgut tauschen und verkaufen.

Durch die EU-Gesetzgebung werden alte und regionale Sorten jedoch in ein kontrolliertes Nischen-Dasein abgedrängt.

Wir fordern, dass Patente auf Pflanzen und Tiere, deren Eigenschaften und Gene sowie Patente auf Züchtungsmethoden ausnahmslos verboten werden und die Kontrolle der Konzerne über die Biodiversität eingeschränkt wird. Eine weitere Plünderung der weltweiten Ernährungsgrundlagen muss verhindert werden. Eine wirkliche Veränderung wird es nur geben, wenn Europa eine grundlegende Wende in seinen Ernährungs-, Handels- und Agrarpolitiken vornimmt und eine wirkliche Umsetzung der bäuerlichen Rechte, wie sie im internationalen Saatgutvertrag festgehalten sind, stattfindet.

Wir fordern:

das Recht, Saatgut aus eigener Ernte zu gewinnen, nachzubauen, weiterzugeben und zu verkaufen;
die Förderung der Sortenvielfalt in allen Regionen durch Unterstützung der ErhalterInnen und ZüchterInnen biologischer und samenfester Sorten, die nachbaufähig sind;
das Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft;
das ausnahmslose Verbot von Patenten auf Pflanzen und Tiere, deren Eigenschaften und Gene sowie von Patenten auf Züchtungsmethoden;
eine neue Agrarpolitik, die statt einergieintensiver Großbetriebe und Monokulturen vielseitige ökologisch wirtschaftende Bauernhöfe fördert.

Diese Forderungen richten sich an die Regierungen und an die Europäischen Institutionen.

Die TeilnehmerInnen des 5. Europäischen Saatguttreffens in Graz am 27. März 2010


Anmerkungen:
(1) Wenn wir von "bäuerlichen" Rechten sprechen, schließt dies GärtnerInnen und alle, die Pflanzen kultivieren, mit ein.
(2) Wenn wir von "bäuerlichen" Rechten sprechen, schließt dies GärtnerInnen und alle, die Pflanzen kultivieren, mit ein.


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(6) Das neue WERKSTATT-Blatt ist da!

Das neue WERKSTATT-Blatt ("guernica") ist da. Diesmal mit einer Schwerpunktbeilage zum Thema Pflege.
Wie immer schicken wir ein Probeexemplar kostenlos zu.
Ein 10-Nr.-Abo kostet EUR 9,-; ein 5-Nr.-Abo EUR 5,-

Für Mitglieder der Solidarwerkstatt und AbonnentInnen gibt es ab jetzt ein zusätzliches Angebot:
Kleinere oder auch größere Stückmengen können auf Spendenbasis bei uns bestellt werden, wenn Interesse besteht, die Zeitung im eigenen Umfeld weiter zu verbreiten. Wir freuen uns, wenn von dieser Möglichkeit reger Gebrauch gemacht wird.
Bestellungen: office@solidarwerkstatt.at


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(7) Weitere Hinweise auf wichtige Kampagnen

Kampf gegen (Psycho-)Sozialabbau in OÖ bringt erste Erfolge: In Oberösterreich wurden im Bereich der psychosozialen Betreuung massive Kürzungen vorgenommen (sh. Interview Monika Czamler). Beschlossen wurde dieses Sozialabbau-Budget im Landtag von schwarz-grün-rot-blau gemeinsam. Doch die Betroffenen haben sich massiv gewehrt, mit Demonstrationen, Streiks, über 38.000 Menschen unterschrieben innerhalb kurzer Zeit gegen diesen sozialen Kahlschlag. Und es zeigt sich einmal mehr: Widerstand und Solidarität sind wirksam! Die Zahl der Kündigungen konnte bereits von 118 auf 34 reduziert werden. Der Kampf geht weiter, mit gemeinsamen Betriebsversammlungen der betroffenen Sozialvereine am 18. Jänner 2011. Denn jede Streichung, jede Kündigung in diesem Bereich ist zu viel, geboten wäre angesichts der massiven Zunahme von burn-out-Erkrankungen, Depressionen und anderen psychosozialen Leiden eine massive Aufstockung in diesem Bereich. Das käme unterm Strich sogar deutlich billiger. Denn kommen die Erkrankten ins Spital, sind die Kosten zumindest vier Mal so hoch wie im Bereich der vorsorgenden Betreuung und Beratung.

"Höchste Eisenbahn - Für eine Verkehrswende" - 3-teiliges Video von Norbert Bauer zur Misere im Öffentlichen Verkehr und zu möglichen Alternativen: Teil 1 , Teil 2, Teil 3
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=348&Itemid=71
Nach wie vor aktuell: Werkstatt-Petition Höchste Eisenbahn
http://www.friwe.at/Forum/PetitionEisenbahn.php
Hintergrundinformationen zum Kahlschlag bei der Bahn hier:
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=338&Itemid=68

Online-Petition zur Wiedererrichtung der Thayatalbahn und Einhaltung der Versprechen an Bevölkerung und Nachbarn
Nachdem Bürgermeister, Landes- und Bundesräte, Nationalratsabgeordnete, Staatssekretäre, Bundesminister und auch unser Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll sich für die Revitalisierung der grenzüberschreitenden Thayatalbahn in den letzten Jahren mehrmals öffentlich ausgesprochen und dies dem einheimischen Volk, sowie unseren befreundeten tschechischen Nachbarn versprochen und zugesichert haben, wird dies nun auch hiermit eingefordert!
Hier unterschreiben:
http://www.petitiononline.at/petition/test-petition-zur-wiedererichtung-der-thayatalbahn/24

Westring: Transitautobahn durch Linz. Der Westring bringt keine Lösung für Pendler sondern dient dem europäischen Transitverkehr von der Ostseezur Adria übers Mühlviertel (S10- Schnellstraße) und Linz (A26-Westring)!
Nähere Informationen auf:
... http://www.westring.info/westring-transitautobahn/


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(8) LeserInnen-Briefe/Diskussionen/Gastkommentare
Im Zuge der Umstrukturierung unserer Web-Page haben wir nun auch eine Rubrik für LeserInnen-Briefe/Gastkommentare und Diskussionen eingerichtet. Wir freuen uns über Ihre/Deine Beiträge - Kritik, Lob, Anregungen, Kommentare, Neuigkeiten, usw. Vielen Dank!
Sh. http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=65&Itemid=92

(9) Termine
aktuelle Terminübersicht siehe unter www.solidarwerkstatt.at (rechts unten unter "Termine")

(10) Bestellungen
Bücher, Broschüren, etc, die in der Werkstatt bestellt werden können,
siehe http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=30&Itemid= 50

(11) Solidarwerkstatt-Videos
auf: http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=51&Itemid= 71

(12) Solidarwerkstatt auf Facebook
Wir freuen uns, wenn Sie mit uns Kontakt aufnehmen:
www.facebook.com/solidarwerkstatt


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Quelle:
Werkstatt Rundbrief Nr. 1/2011 vom 9. Januar 2011
Solidar-Werkstatt für ein solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich
Waltherstr. 15, 4020 Linz
Telefon 0732/771094, Fax 0732/797391
E-Mail: office@solidarwerkstatt.at
Internet: www.solidarwerkstatt.at


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2011