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AFRIKA/029: Kleinschürfer im Teufelskreis Armut (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Kleinschürfer im Teufelskreis Armut

Ute Hausmann


Nach Schätzungen arbeiten in Westafrika über eine Million Menschen als Kleinschürfer auf der Suche nach Gold und Diamanten. Allein in den 1990er Jahren ist die Zahl der Kleinschürfer weltweit um 20 Prozent gestiegen - ein Ergebnis der Strukturanpassungspolitik, auch in Westafrika. Von der Politik marginalisiert und kriminalisiert, leben die meisten von ihnen in einem Teufelskreis von Armut.


Die genaue Zahl der Kleinschürfer in Westafrika ist unbekannt. Nach einzelnen Schätzungen sollen es allein in Niger 442.000 sein, davon 250.000 unter achtzehn Jahren. Fast die Hälfte der Kleinschürfer sind Frauen, die ebenso schwere körperliche Arbeit leisten wie Männer. Kleintagebau ist eine gesundheitsschädliche und gefährliche Arbeit, häufig kommt es zu Unfällen. Dennoch entschieden sich in den letzten zwanzig Jahren immer mehr Menschen, diese Arbeit auf sich zu nehmen. Seit Mitte der 1990er Jahre herrscht Konsens, dass es sich dabei um eine armutsgesteuerte Aktivität handelt, die von Menschen aufgenommen wird, die keine alternative Arbeit finden. In Westafrika wurde seit Jahrhunderten Gold geschürft, und für viele Familien stellte dies ein zusätzliches Einkommen dar. Seit im Rahmen der Strukturanpassungsprogramme in den 1980er und 1990er Jahren immer mehr Menschen ihre Arbeit verloren und in der Landwirtschaft keine guten Einkommen mehr erwirtschaften können, ist die Anhängigkeit Vieler vom Kleintagebau drastisch gestiegen. Dieses Phänomen lässt sich nicht nur in Westafrika sondern weltweit beobachten.


Teufelskreis Armut

Kleinschürfer finden sich in einem Teufelskreis von Armut wieder: Da ausländische Investoren das Land inzwischen fast flächendeckend unter sich aufteilen, ist es für Kleinschürfer schwierig, gewinnbringendes Land zu finden. Zudem sind sie nicht kreditwürdig, sodass ihnen das Geld für Investitionen in angepasste Technologie fehlt. Geldmangel führt in ein Abhängigkeitsverhältnis mit den Zwischenhändlern, die - oft im staatlichen Auftrag - Gold und Diamanten aufkaufen. Staatlich beauftrage Zwischenhändler sind zwar zur Zahlung offizieller Preise verpflichtet, ziehen jedoch auch Zinsen ab für das auf Pump gekaufte und zur Goldgewinnung notwendige Quecksilber, dessen Lieferant sie oft auch sind. Die prekäre Lage der Kleinschürfer wird dadurch verstärkt, dass eine große Zahl keine Schürferlaubnis hat. Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es nationale Gesetze, die den Kleintagebau regeln. Dahinter steht zum einen die Erkenntnis, dass eine Formalisierung zur Armutsbekämpfung und zum Schutz der Umwelt beitragen kann. Zudem haben die Regierungen Interesse daran, Gold und Diamanten in den offiziellen Wirtschaftskreislauf zu bringen und den positiven Effekt für die Devisenerwirtschaftung zu nutzen. Eine zentrale Motivation hinter der Erarbeitung dieser Gesetze ist jedoch die Stärkung der Zuversicht ausländischer Investoren.


Versagen der Politik

Die Regierungen sehen sich gezwungen, Kontrolle über die Kleinschürfer zu demonstrieren - ihre Aktivitäten sollen nicht auf den Konzessionen ausländischer Investoren stattfinden. In der Tat findet man Kleinschürfer auf diesen Konzessionen, da sie davon ausgehen können, dass dort Gold zu finden ist. Denn von der Kartierung der Goldvorhaben, die auch mithilfe der Entwicklungszusammenarbeit stattfindet, profitieren sie in der Regel nicht. Oftmals haben Familien schon lange auf dem Land gelebt und Landwirtschaft und Kleintagebau betrieben, bevor das Land von ausländischen Investoren übernommen wurde. Diese Kleinschürfer werden entweder von staatlichen oder privaten Sicherheitskräften vertrieben oder in Einzelfällen geduldet, eine offizielle Erlaubnis erhalten sie jedoch nicht. Die hohe Anzahl der ohne Erlaubnis arbeitenden Kleinschürfer zeigt, dass die Gesetze nicht ihre Interessen schützen, und dass die bürokratischen und finanziellen Hürden eine Legalisierung in vielen Fällen verhindern. Auch die Entwicklungszusammenarbeit hat praktisch keine Erfolge vorzuweisen. Nach Ansicht des Wissenschaftlers Gavin Hilson liegt dies vor allem daran, dass die Projekte von Ingenieuren top-down geplant werden, dass anthropologische Erkenntnisse konsequent ignoriert werden und dass keine Partizipation stattfindet. Solange dies sich nicht ändert, besteht wenig Hoffnung, dass Kleinschürfer Zugang zu angemessenen Technologien und staatlicher Unterstützung bekommen, mit der sie dem Teufelskreis Armut entkommen könnten.


Die Autorin ist Bergbaureferentin bei FIAN-Deutschland.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

"Ich bin schuld, dass dieses Dorf in Trümmer gelegt wurde. Aber ich dachte, die Goldminen bringen Arbeit. Sie haben nur Zerstörung gebracht. 1992 begannen sie mit dem Tagebau. Die Kinder und unser Lehrer waren die einzigen, die an jenem Tag im Dorf waren: 52 Schläger fielen über unsere Hütten her. Bewacht wurden sie von 30 Polizisten mit AK 47-Gewehren und Wachleuten von Ghana Australian Goldmines. Als wir von den Felder kamen, waren unsere Kinder im Schock. Statt Hütten fanden wir nur ausgeraubte Trümmer."

Nana Kofi Karikari, Dorfkönig, über die Zerstörung seines Dorfes Dorf Nkwantakrom bei Tarkwa


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2008, S. 8
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2008