Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FIAN

AFRIKA/043: Auf der Suche nach dem ghanaischen Tomatenmarkt (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Italienische Verhältnisse
Auf der Suche nach dem ghanaischen Tomatenmarkt

Von Niklas Bamler


Auch für Chief James Adawina, Tomatenbauer in dritter Generation, geht es heute um einiges. "Ich muss unbedingt die TomatenhändlerInnen abpassen, die heute hoffentlich hier vorbeikommen", berichtet er. Ein Großteil seiner Ackerfläche hat James für die Tomatenproduktion verwendet. Viele aus seinem Dorf haben für den Tomatenanbau Kredite aufgenommen. Ihre überreifen Tomaten schmoren seit Tagen in der Sonne. Kann heute nicht verkauft werden, droht manchen der Hunger.


Wie es langfristig weitergehen kann, bleibt fraglich. James ist Dorfkönig in Bui, einer kleinen Gemeinde in der trockenen Savannenregionen im Norden des Landes. Sein größtes Problem ist jedoch nicht das Klima, denn Bui liegt direkt am Tono Damm, einem der größten landwirtschaftlich genutzten Staudämme West-Afrikas. Der lukrative Verkauf von frischen Tomaten wird immer schwieriger, der Import von Tomatenpaste ist massiv angestiegen und die Ernährungslage der Region ist unsicher.

"Ob die TomatenhändlerInnen kommen werden, weiß niemand", sorgt sich James, und auch Bauer Francis Akambasa hat fast resigniert. "Ohne Dünger geht hier nichts mehr, der Boden ist durch die jahrelange Beackerung völlig ausgelaugt." Große Hoffnung hafte er in den Tomatenanbau gesetzt: Von oberster Regierungsstelle kam die Nachricht, dass die nahegelegene Tomatenfabrik in Pwalugu wieder aufmacht. Alle Bauern der Region wurden dazu aufgerufen, wieder in den Tomatenanbau einzusteigen. Ebenso hatte man auf die Tomatenhändterlnnen gehofft, die bis vor einigen Jahren die Region noch zuverlässig besuchten. Doch bislang kam niemand und Francis steht vor dem Ruin. Zwei Drittel seiner Tomaten sind bereits am Strauch verfault - und zu Hause wird das Essen knapp.

Es fehlt am Nötigsten und jeder Versuch, sich aus der Misere zu befreien, scheitert an einem unzuverlässigen Marktumfeld. Seit Ghana auf Druck westlicher Geberstaaten staatliche Unterstützung zurückfährt, seine Grenzen öffnet und die Wirtschaft liberalisiert, ist kaum etwas sicher. Bereits 2007 wurde die Tomatenfabrik in Pwalugu nach 20-jähriger Stilllegung wieder eröffnet, für über vier Millionen US-Dollar ließ man von italienischen ExpertInnen der Firma Trusty Food neueste Maschinen zur Verarbeitung kaufen. Doch durch die staatlich angeordnete Handelsliberalisierung werden die ghanaischen Bauern und Bäuerinnen durch ihre eigenen Nachbarn unterboten. Die HändlerInnen kaufen in Burkina Faso und kontrollieren als politischer wie wirtschaftlicher Faktor den Tomatenmarkt. Der Konkurrenz aus dem Nachbarstaat unterlegen hatten die ghanaischen Bauern und Bäuerinnen all ihre Hoffnungen auf die Neueröffnung der staatlichen Fabrik gesetzt. Kwabenas Darwa, dienstältester Manager der Fabrik, glaubt hingegen nicht, "dass das hier ernst gemeint ist". Weder für die Abholung noch die wirtschaftliche Produktion sind genügend Geld und Infrastruktur vorhanden. "Die Fabrik ist völlig unterbesetzt und die Maschinen gehen auch nicht richtig", berichtet Darwa.

Generell gilt Ghana als Musterschüler westafrikanischen Fortschrittstrebens, vor der Küste lassen Ölfunde auf frische Devisen hoffen. Zwar ist prinzipiell alles vorhanden, aber eben nicht für alle. Es regiert der "freie" Markt, und nach dem Wegfall staatlicher Regulierung und breiter Förderung der Landwirtschaft bekommen die Tomatenbauern am Tono-Staudamm nun den scharfen Wind eines entfesselten, aber keineswegs offenen Marktes zu spüren.

Einen Ausweg scheint ausgerechnet das Unternehmen EXPOM, Tochterkonzern von Trusty Food, zu bieten. Der Plan des italienischen Tomatenriesens sieht nach ersten Absprachen mit den Behörden vor, die zuvor selbst für vier Millionen US-Dollar ausgestattete Fabrik nun für ein Viertel des Preises zurückzukaufen. Genetisch verändertes Hochleistungssaatgut soll die Erträge von derzeit ca. 13 auf bis zu 120 Tonnen pro Hektar zu steigern, um so HändlerInnen wie auch Fabrik ausreichend mit Tomaten versorgen zu können. Zudem stattet der ghanaische Staat weitere 500 Hektar mit Bewässerungsanlagen aus, die vornehmlich durch den Eigenanbau der Firma sowie durch kommerzielle Großbauern die Versorgung der Fabrik sicher stellen sollen.

Die gefesselten Hände des ghanaischen Staates und die daraus folgenden, monopolitischen Strukturen eines freien Marktes haben ein schizophrenes Herumdoktern an Symptomen ergeben, das großen Bevölkerungsanteilen Entwicklung verwehrt und den Interessen multinationaler Großkonzerne in die Hände spielt. Diese sind klar: mehrfaches Verdienen am ghanaischen Staat und Einführung von endlosen Hochleistungsmonokulturen mit all seinen Folgen. Die bereits seit Jahrzehnten überdüngten und ausgewaschenen Äcker werden ebenso wie die lokale Nahrungsmittelversorgung weiter leiden. Dass die unter Vertrag genommenen Bauern und Bäuerinnen unter diesem Modell abhängig vom ständigen Kauf neuen Saatgutes werden, steht jetzt schon fest.


Jan-Niklas Bamler studiert Geographie und recherchierte im Rahmen seiner Diplomarbeit zwei Monate lang im Norden Ghanas.
niklas.bamler@gmx.de


*


Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2010, Juli 2010, S. 9
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro
Abonnementpreis: Standardabo 15,- Euro,
Förderabo 30,- Euro (Ausland zzgl. 10,- Euro)


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2010