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AFRIKA/047: Togo - Frauen und das Recht auf Nahrung (FoodFirst)


FoodFirst Ausgabe 3/2016
FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin. Für das Menschenrecht auf Nahrung

Togo: Frauen und das Recht auf Nahrung


Die zahlreichen Diskriminierungen, denen Frauen in ländlichen Regionen Togos ausgesetzt sind, verletzen vielerorts ihr Recht auf Nahrung. Auf dem Papier verheißt die nationale Gesetzgebung zwar die Gleichberechtigung der Geschlechter. Auch hat Togo mehrere internationale Menschenrechts-Abkommen ratifiziert. Doch im Alltag sind Frauen weit davon entfernt, einen eigenständigen Zugang zu Nahrung und Land zu besitzen. Dies verdeutlicht eine empirische Studie in der Region Maritime.


"So war es schon bei meiner Mutter, und meiner Tochter wird es ebenso gehen". Mauwena deutet beim letzten Wort auf das schlafende Kind auf ihrem Rücken. Die togolesische Bäuerin berichtet von ihrer Ernährungssituation und lächelt dabei. Gerade hat sie dargestellt, wieviel Nahrung für sie übrig bleibt, wenn sie ihre Familie ernährt hat, wie sie diese Nahrung produziert und wie sie sich ihre Zukunft vorstellt.


Alltagsdiskriminierung und Rechtsverletzungen

Der Teufelskreis der Frauendiskriminierung führt zu anhaftenden Rechtsverletzungen. Es beginnt damit, dass Frauen für alle Ernährungsaspekte zuständig sind: Samenkauf, Bestellung der Äcker, Ernte, Lagerung, Zukaufen von Zusatznahrung, Essenszubereitung, Verteilung innerhalb der Familie etc. Dennoch entscheiden die Männer über die Feldgröße und werden bei der Nahrungsverteilung bevorzugt. Die Frauen übernehmen zudem sämtliche unbezahlte häusliche und dörfliche Tätigkeiten. Ferner sind sie dafür zuständig, den zu veräußernden Anteil der Ernte aus dem bestellten Feld des Mannes auf dem Markt zu verkaufen. Der Mann bestimmt, wieviel Geld er erwartet und streicht sämtliche Gewinne ein.

Die Diskriminierung setzt sich auf der Ebene der fehlenden Teilhabe fort: Frauen sind meistens von Entscheidungsgremien ausgeschlossen und ohnehin stumm, wenn Männer anwesend sind. Die Sozialstruktur macht es ihnen sehr schwer, ihre Rechte einzufordern.


Keine schlechte Rechtslage

"Es bleibt noch viel zu tun, um die 'soziokulturelle Schwerkraft' zu beheben und dazu beizutragen, die Eigenständigkeit der Frauen in Sachen Finanzen und Entscheidungsautonomie zu stärken", so Ginette Aguey, Soziologin und Genderexpertin aus der Hauptstadt Lomé. Nach Aussage von Frau Aguey befähigen die Gesetze Frauen zwar dazu, eigenes Land zu besitzen und die Erträge selbst zu kontrollieren. Die Realität auf dem Land sei jedoch eine ganz andere. Betrachtet man die Gesetzeslage, so hat es tatsächlich den Anschein, als seien Frauen in Togo nicht schlecht gestellt: das Land hat den UN Sozialpakt sowie das Maputo-Protokoll [1] ratifiziert. Die togolesische Verfassung von 1992 verankert die Gleichheit der Geschlechter vor dem Gesetz. Seitdem ist eine Reihe von Gesetzen hinzugekommen, um diesen Rechtsartikel zu bekräftigen. Viele Faktoren verhindern jedoch, dass die Frauen von der verbesserten Rechtslage profitieren können.


Landbesitz problematisch

Wenn sie es sich leisten können, dürfen Frauen Land kaufen, um sich und ihre Familie zu ernähren. Der Regelfall in der Region Maritime ist aber, dass sie über kein eigenes Einkommen und keine Bankverbindung verfügen und somit von dieser Möglichkeit ausgeschlossen sind.

Auch dürfen Frauen unter eigenem Namen Land pachten. In der Realität geschieht dies jedoch fast ausschließlich unter männlicher Kontrolle: der Ehemann oder ein anderes männliches Familienoberhaupt begleiten die Verhandlungen und unterzeichnet den Pachtvertrag. Es ist nicht unüblich, dass das Familienoberhaupt das Land für sich beansprucht, wenn die Frau eine besonders gute Ernte einfährt. Oftmals verlangt der Eigentümer dann eine höhere Pacht, wodurch die Frau ihren Zugewinn wieder verliert - wenn er nicht sogar das Land zurückfordert. Hat es eine Frau dennoch geschafft, Land zu erwerben, so können nur die männlichen Nachkommen das Land erben.

Alle Frauen, die wir interviewten, waren verheiratet und hatten Kinder. So wie es der Ritus verlangt, waren sie ausnahmslos aus ihrem Dorf in das ihres Ehemanns gezogen. Dadurch sind die Frauen zunächst Fremdlinge, die sich der neuen Familie und der Gemeinde unterordnen müssen. Der Mann oder das Dorfoberhaupt weisen ihnen eine kleine Parzelle zu, mit der sie die Familie ernähren sollen. In Konfliktfällen entscheiden in der Regel der Ehemann oder das Dorfoberhaupt. Wenig überraschend fallen die Urteile selten zugunsten der Frauen aus. Meistens wissen sie nicht einmal, dass sie das Recht hätten, vor Gericht zu ziehen. Unwissen und traditionelle Praktiken verhindern somit eine Umsetzung des nationalen Rechts.


Recht auf Nahrung

Eine Verletzung des Rechts auf Nahrung entsteht, wenn Menschen keinen gesicherten Zugang zu Land bzw. zu passender Nahrungsmittelproduktion haben oder wenn die Person kein ausreichendes Einkommen für ihre Arbeitsleistung erhält, um sich zu ernähren. In den Fällen, in denen die Frauen langfristig einen Zugang zu Land anstreben oder sich durch Markttätigkeiten ein Einkommen sichern wollen und dies ihnen durch diskriminierende Strukturen verwehrt wird, handelt es sich um eine genderbasierte Verletzung des Rechts, sich zu ernähren. Die Frauen müssten ihre Rechte einklagen können und ohne Bedrohung ihr Leben weiterführen können. Dies ist in Togo leider noch nicht der Fall, weil sie über wenig Bildung verfügen, ihre Recht nicht kennen, ohne lokale Unterstützung sind und meist weit weg von den Gerichtshöfen leben.

Dennoch gibt es einen kleinen Lichtblick am Horizont: inzwischen gehen Mädchen zur Schule, eignen sich dadurch stetig mehr Wissen über ihre Rechte an und können somit besser eigene Entscheidungen durchsetzen. Und Frauen stehen immer weniger alleine da! Immer mehr nationale und internationale NROs tragen dazu bei, das Wissen der Frauen über ihre Rechte zu verbessern und sie bei ihren Kämpfen zu unterstützen. Wenn uns klar wird, dass in Deutschland eine Frau erst 1969 als geschäftsfähig anerkannt wurde und damals noch die Zustimmung ihres Ehemannes für die Aufnahme einer Beruftätigkeit brauchte, dann wissen wir, wieviel in knapp 50 Jahren erreicht werden kann.


[1] Das sogenannte "Maputo-Protokoll" ist das Protokoll zur Afrikanischen Menschenrechts-Charta, das umfangreiche Frauenrechte sowie soziale und politische Gleichberechtigung der Geschlechter garantiert. Das Protokoll wurde sogar 1995 in Lomé entworfen.

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Quelle:
FoodFirst - FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für
das Menschenrecht auf Nahrung, Ausgabe 3/2016, Seite 6-7
Herausgeber: FIAN Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2017

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