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AKTION/116: Indien - Steinbrucharbeitern wird das Recht auf Nahrung vorenthalten (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

FIAN-Eilaktion 0904 - UIND von 2009 - Asien

Indien: Steinbrucharbeitern in Rajasthan wird das Recht auf Nahrung vorenthalten


Im Soorsagar Bergbaugebiet, Jodhpur District, Rajasthan, werden rund 40.000 Steinbrucharbeiter und ihre Familien von Unterernährung und Hunger bedroht. Außerdem sind diese Arbeiter ständig schweren und chronischen Berufskrankheiten wie Asthma, TBC und Silikose ausgesetzt, sodass viele von ihnen arbeitsunfähig werden und oft schon in recht jungen Jahren sterben. Ihre Arbeitslöhne sind in aller Regel so niedrig, dass sie kaum ihre Familien ernähren können. Sehr viele Frauen und Kinder sind genötigt, ihre Männer bzw. Väter bei der Arbeit zu unterstützen, wenn diese erkrankt, oder gar zu ersetzen, wenn sie verstorben sind; auch sie müssen dann unter diesen fürchterlichen Bedingungen in den Steinbrüchen arbeiten, um dem Hungertod zu entgehen.


Hintergrund

Rajasthan, flächenmäßig das größte Land der indischen Republik, wird der Staat der Minen und Mineralien genannt. Denn Bergbau ist dort, nach Landwirtschaft, der größte Wirtschaftszweig. Typisch für ihn ist seine höchst mangelhafte Planung und Organisation, wodurch sowohl der Bevölkerung als auch der Umwelt große Schäden entstehen. Um die 325.000 Menschen sind in Rajasthan ca. 12.000 Bergwerken und rund 20.000 Steinbrüchen beschäftigt; darüber hinaus gibt es noch Tausende von nicht registrierten Minen oder Steinbrüchen. Insgesamt sind etwa zwei Millionen (der rund 60 Millionen) Rajasthanis unmittelbar vom Bergbau abhängig. Das Alter der darin Arbeitenden reicht von fünf bis über 50 Jahre; nahezu zwei Fünftel von ihnen sind Frauen, und rund 15 Prozent sind Kinder, die den Anforderungen dieser harten Arbeit natürlich nicht gewachsen sind.

Die meisten Steinbrucharbeiter sind überdies Angehörige niedriger Kasten oder ethnischer Minoritäten und haben keinen Zugang zu Land, um für sich selbst Nahrungsmittel anbauen zu können. Eine große Zahl von ihnen wäre eigentlich zur Unterstützung durch Indiens öffentliche Sozialprogramme (wie z.B. das National Family Benefit Scheme oder das National Old Age Pension Scheme) berechtigt; doch sehr vielen der Bedürftigen, zumindest in dieser Region, ist der Zugang zu den Leistungen dieser Programme verwehrt und bleibt deshalb nichts Anderes übrig, als um ihres Überlebens willen im Bergbau zu schuften.

Die Arbeitslöhne in den Steinbrüchen sind kläglich. Selbst diejenigen, die als Facharbeiter bezahlt werden und das ganze Jahr lang fast ohne einen freien Tag durcharbeiten, sind kaum in der Lage, ihre Familien zu unterhalten. Zahlreiche Arbeiter sind daher unterernährt, also körperlich geschwächt und umso anfälliger für die branchentypischen Berufskrankheiten Asthma, TBC und vor allem Silikose. Dass sie dennoch alle - dazu auch noch viele Frauen und Kinder, die ihre erkrankten oder bereits verstorbenen Männer bzw. Väter in den Steinbrüchen ersetzen müssen - unter solch unsäglichen Bedingungen diese Arbeit tun, hat einen einfachen Grund: die einzige Alternative wäre Verhungern.

Im Soorsagar Bergbaugebiet des Distrikts Jodhpur, Rajasthan, sind ca. 40.000 Arbeiter den genannten Berufskrankheiten ausgesetzt. Die Sicherheitsauflagen zum Schutz vor den gesundheitlichen Gefahren dieser Art von Arbeit werden, obwohl gesetzlich bindend, von den Minen-Besitzern fast nirgendwo eingehalten. Obwohl das einschlägige Bergbau-Gesetz (Mines Act) von 1952 genaue Vorgaben für Arbeitszeiten, Sicherheitsvorkehrungen u.a.m. macht, ist die Zahl der Arbeitsunfälle und der von Berufskrankheiten Betroffenen ungemein hoch. Und während die speziellen Silikose-Regelungen in Rajasthan (Silicosis Rules, 1955) genau vorschreiben, welche Kompensationen im Falle der Erkrankung den Betroffenen zu leisten sind, kommen diese oder ihre Familien erfahrungsgemäß nur ganz selten zu ihrem Recht.


Menschenrechtliche Verpflichtungen Indiens

Als Unterzeichner des Internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist die Republik Indien - und somit auch sein Bundesstaat Rajasthan - dazu verpflichtet, das Recht der Steinbrucharbeiter und ihrer Familien auf Nahrung zu respektieren und zu erfüllen. Bislang versäumt es die Regierung, die Minen-Besitzer dazu zu bringen, dass sie die gesetzlichen Regelungen zum Schutz dieses Rechts einhalten. Solange aber dies der Fall ist und durch die Unternehmer weder eine adäquate Ernährung der Arbeiter und ihrer Familien noch hinreichende Kompensationen für berufsbedingte Erkrankungen sichergestellt sind, ist der indische Staat selbst verpflichtet, für die Betroffenen den Zugang zu Nahrung und Gesundheitsdiensten zu gewährleisten.


Aktion

Eine internationale Briefkampagne gegen diese Verletzungen des Rechts auf Nahrung in Rajasthan ist dringend erforderlich. Bitte schreiben Sie einen höflichen Brief an den Gouverneur von Rajasthan (und senden Sie davon eine Kopie an die National Commission of Human Rights in New Delhi)! Bitten Sie ihn, seinen Verpflichtungen zur Wahrung des Menschenrechts auf Nahrung nachzukommen und all denen, die in der genannten Region unter Hunger leiden und vom Verhungern bedroht sind, sicheren Zugang zu Nahrungsmitteln zu verschaffen.

Ende der Aktion: 15. Mai 2009

Bitte informieren Sie FIAN über Reaktionen auf Ihre Briefe!

Ein Brief nach Übersee
kostet aus Deutschland 1,70 Euro
aus Österreich 1,40 Euro
aus Belgien 0,90 Euro


Adressaten der Aktion

Shri S.K. Singh
Governor of Rajasthan
Raj Bhawan
Jaipur, Rajasthan
Indien
Fax: 0091-141-2228737

Shri Akhil Kumar Jain
Secretary General
National Human Rights Commission
Faridkot House, Copernicus Marg
New Delhi 110 001
Indien
Fax: 0091-11-23384856

Fian München
Fax; 089 / 69 349 589
E-Mail: fian_muc@gmx.de


*


Übersetzung des Musterbriefs


Sehr geehrter Herr Gouverneur!

Vor kurzem habe ich aus Rajasthan erfahren, dass dort viele Bergarbeiter, speziell in den Sandsteinbrüchen des Soorsagar Gebiets im Distrikt Jodhpur, einen völlig unzureichenden Zugang zu Nahrungsmitteln haben und überhaupt unter äußerst unfairen und ungesunden Bedingungen arbeiten müssen. Alle sind sie höchst gefährlichen Berufskrankheiten, insbesondere Asthma, TBC und Silikose, ausgesetzt; viele sterben deshalb schon in recht jungen Jahren.

Da die meisten Minen-Besitzer die für Kompensationsleistungen geltenden Reglements nicht beachten, wird den Familien der von Krankheit oder Tod betroffenen Arbeiter kein Schadensersatz bezahlt. Auch die Löhne, die sie für ihre extrem harte Arbeit bekommen, sind derart niedrig, dass damit kaum eine Familien unterhalten werden kann. Dennoch sind sie alle - einschließlich zahlreicher Frauen und Kinder, die ihre Männer bzw. Väter bei der Arbeit unterstützen oder (im Krankheits- oder Todesfalle) gar ersetzen müssen - gezwungen diese Arbeit zu tun; täten sie's nicht, würden sie schlicht verhungern.

Die Regierung von Rajasthan steht in der Verpflichtung, die Bestimmungen des indischen Bergbau-Gesetzes von 1952 und die Vorschriften der Silikose-Verordnung von 1955 vollgültig durch- und umzusetzen. Außerdem würden viele dieser Menschen eine Unterstützung durch Indiens öffentliche Sozialprogramme benötigen; doch leider ist den meisten der Bedürftigen der Zugang zu den entsprechenden Leistungen verwehrt.

Als Unterzeichner des Internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist die Republik Indien - und somit auch sein Bundesstaat Rajasthan - dazu verpflichtet, das Recht der Steinbrucharbeiter und ihrer Familien auf Nahrung zu respektieren und zu erfüllen. Als jemand, der sich weltweit für die Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung einsetzt, bitte ich Sie dringend darum, dass Sie

alles Erforderliche tun, damit in dieser Region die staatlichen Programme - namentlich Antyodaya Anna Vojana sowie das National Family Benefit, das Annapurna und das National Old Age Pension Scheme - zum Nutzen der Bergarbeiterschaft durchgeführt werden,
sicherstellen, dass alle dazu berechtigten Personen eine ration card und eine BPL-card (below poverty line) für den Bezug subventionierten Getreides erhalten, und
sich darum kümmern, dass solche Verletzungen des Menschenrechts auf Nahrung in diesem Gebiet künftig nicht mehr vorkommen und dass die Minen-Besitzer endlich die Gesetze für soziale Sicherung und Arbeitsschutz zugunsten der Steinbrucharbeiter und ihrer Familien einhalten.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich über die Maßnahmen informieren würden, die Sie gegen diese Verletzungen der Menschenrechte ergreifen werden.


Hochachtungsvoll

Bitte informieren Sie FIAN über Reaktionen auf Ihre Briefe!


*


Honourable Mr. Governor,

Recently, I heard alarming news about the lacking access to adequate food and to just working conditions by many mineworkers in the State of Rajasthan, particularly in the Soorsagar Sandstone Mining Area, Jodhpur District. The workers there are severely exposed to occupational diseases such as asthma, tuberculosis or silicosis, and many of them die at young age.

As employers usually do not comply with the existing regulations for compensation; no damage whatsoever is paid to the mineworkers. The wages the workers receive for their very hard labour, are so low that they can hardly sustain their families. But all these people - including a high number of women and children who have to support or replace their husbands or fathers respectively in case of ill health or death - are forced to work under such appalling conditions, since their sole alternative to this would be sheer starvation.

The Government of Rajasthan is under an obligation to effectively enforce and implement the relevant regulations of the Mines Act of 1952 and the Silicosis Rules of 1955. Meanwhile, a great number of people do need to be supported by the provisions of India's public welfares schemes. The sad fact is that very many needy people do not have access to these provisions.

As a State party to the International Covenant on Economic, Social, and Cultural Rights, India - and, for that matter, Rajasthan too - is duty-bound under international law to fulfil its people's right to feed themselves. As a person working internationally for the realisation of the human right to food, I would like to request you to

take all necessary steps to properly implement the relevant government schemes in the area, particularly the Antyodaya Anna Yojana, the National Family Benefit Scheme, the Annapurna Scheme and the National Old Age Pension Scheme, to the benefit of the mineworkers.

ensure that all entitled persons are provided with a ration card and BPL card to avail subsidised food grains.

take the necessary steps to prevent the recurrence of such violations of the right to food in the mentioned area and to make employers adhere to the legislation on social security and occupational safety of the workers and their families.

I would appreciate if you informed me about your measures taken to address the related violations of human rights.


Yours sincerely,


*


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2009