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AKTION/120: Brasilien - Demarkation indigenen Landes muß von der Regierung bestätigt werden (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Urgent Action - Eilaktion

FIAN-Eilaktion 0914 UBRA von 2009 - Südamerika
Brasilien: Demarkation indigenen Landes muss von der Regierung bestätigt werden


Im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul wird seit Jahren beständig das Recht von annähernd 27.500 Guarani-Kaiowá auf Zugang zu Land und Ressourcen verletzt. Obwohl die brasilianische Verfassung die Demarkation indigenen Landes vorsieht, haben die Behörden immer noch nicht die notwendigen Schritte unternommen, so dass viele indigene Familien von ihren traditionellen Lebensräumen vertrieben werden. Sie müssen dann in Reservaten leben, wo kein ausreichender Zugang zu sauberem Wasser, zu Nahrung, zu Brennmaterialen für die Nahrungszubereitung und zu Heilpflanzen vorhanden ist. Die Übervölkerung in diesen Reservaten hat viele Familien dazu gezwungen, in die Städte abzuwandern. Die in den Reservaten verbliebenen Gruppen leiden an Unterernährung, woran zwischen 2005 und 2008 u. a. 35 Indianerkinder unter 5 Jahren gestorben sind. Man schätzt, dass weitere 600 Kinder von Unterernährung betroffen sind. Außerdem haben die prekären Lebensbedingungen zu Tötungsdelikten, Selbstmorden und Alkoholismus geführt. Im Jahr 2008 haben sich in Brasilien 34 Indianer das Leben genommen - alle gehörten zum Stamm der Guarani-Kaiowá.

Im Jahr 2007 wurde die Festlegung und die Demarkation des Territoriums der Guarani-Kaiowá von Mato Gross o do Sul durch die nationale Indianerbehörde FUNAI (Fundação Nacional do Indio) und das Justizministerium durchgeführt (Beschluss MPF/RPM/DRS/MS 1.21.001000065/2007-44). Aber die FUNAI hat die für die Anerkennung vorgesehenen Fristen nicht eingehalten.

Innerhalb der Guarani-Kaiowá gibt es die Guyraroká-Gemeinschaft, die in der Gemeinde Caarapó im Süden des Bundesstaates Mato Grosso do Sul lebt. Die 130 Stammesangehörigen der Guyraroká-Gemeinschaft wurden im Jahr 1998 von ihrem angestammten Gebiet vertrieben und leben seitdem außerhalb ihres Territoriums am Straßenrand. Im Jahr 2003 kehrten sie zurück auf ihr Land, konnten aber nur einen kleinen Teil davon wieder für sich einnehmen. Am 7. Oktober 2009 schließlich legte das Justizministerium 11.401 Hektar als offizielles Land fest, das der Guyraroká-Gemeinschaft zusteht. Diese Identifikation bedeutet allerdings nicht, dass die indigene Gemeinschaft sofort in den Besitz ihres Landes gelangt. Damit die Gemeinschaft ihr Territorium endgültig nutzen kann, muss die FUNAI laut Artikel 3 des Dekrets die formelle Demarkation des gegenwärtig als indigenen Landes deklarierten Gebiets durchführen, was später durch den Präsidenten ratifiziert werden muss.


Zusammenfassung

Die Guarani-Kaiowá, ein indigener Stamm im brasilianischen Staat Mato Grosso do Sul, wurden in der Vergangenheit von ihrem angestammten Land vertrieben, da dieses für riesige Plantagen und für die Viehzucht gebraucht wurde - und dies, obwohl die brasilianische Gesetzgebung die rechtliche Abgrenzung (Demarkierung) der indigenen Territorien vorschreibt.

Am 7. Oktober 2009 erklärte der Justizminister eine Fläche von 11.401 Hektar in der Gemeinde Caarapó zum unveränderlichen Besitz der indigenen Guyraroká-Gemeinschaft (Dekret Nr. 3.219). Diese Entscheidung ist ein wichtiger Schritt im Prozess der Sicherung des Rechts der indigenen Gemeinschaft auf angemessene Ernährung - doch dieser muss noch durch den brasilianischen Präsidenten amtlich bestätigt und vorschriftsmäßig umgesetzt werden.


Das Fian-Mandat

Als Unterzeichnerstaat des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist Brasilien völkerrechtlich verpflichtet, das Recht der Guarani-Kaiowá auf Zugang zu Land und ihr Recht auf Nahrung zu achten, zu schützen und zu gewährleisten. Die brasilianische Regierung muss folglich sicherstellen, dass die Demarkation dieses Landes entsprechend der brasilianischen Gesetzgebung verläuft, um das Menschenrecht auf Nahrung der Guyraroká-Gemeinschaft zu gewährleisten. Darüber hinaus muss die brasilianische Regierung dafür sorgen, dass das gesamte Territorium der Gemeinschaft identifiziert und demarkiert wird, damit sie einen angemessenen Zugang zu Nahrung und natürlichen Ressourcen haben.


Aktion

Schreiben Sie bitte Briefe an den brasilianischen Präsidenten Lula und an den Minister für soziale Entwicklung, in dem Sie sie bitten, die Demarkation und die amtliche Bestätigung der schon durch den Justizminister festgelegten Territorien vorzunehmen, um den Zugang der Guyraroká-Gemeinschaft zu Land zu garantieren und ihren Besitztitel für dieses Gebiet anzuerkennen.

Bitte informieren Sie FIAN über Reaktionen auf Ihre Briefe!


Laufzeit:
Beginn: 04.11.2009/Ende: 15.01.2010

Adressaten der Aktion

Brasilianischer Präsident:
Sr. Luiz Inácio Lula da Silva
Presidente da República Federativa do Brasil
Praça dos Três Poderes
Palácio do Planalto - 4° andar
Brasília - DF 70150-900
Fax: +55-61 3411-1221

Minister für soziale Entwicklung und Hungerbekämpfung:
Patrus Ananias
Ministro do Desenvolvimento Social e da Luta contra a Fome
Esplanada dos Ministérios
Bloco C - 5° andar
Brasilia - DF 70046-900
Fax: +55-61 3224-0418



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Übersetzung des Musterbriefs


Sehr geehrter Herr Präsident,

ich bin sehr besorgt über die Situation der indigenen Guarani-Kaiowá-Gemeinschaft in Mato Grosso do Sul. Ihre Rechte sind in den letzten Jahren ständig missachtet worden; in der Tat wird es ihnen unmöglich gemacht, Zugang zu ihren traditionellen Territorien zu erhalten und ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die fehlende Demarkation der indigenen Territorien, die in der nationalen Gesetzgebung festgeschrieben ist, hat die Guarani-Kaiowá schwerer Unterernährung ausgesetzt, woran zwischen 2005 und 2008 u. a. 35 Kinder gestorben sind. Man schätzt, dass weitere 600 Kinder im Staat Mato Grosso do Sul von Unterernährung betroffen sind. Außerdem führen die prekären Lebensbedingungen auch zu zahlreichen Tötungsdelikten, Selbstmorden und Alkoholismus in den Gemeinschaften. Im Jahr 2008 haben sich in Brasilien 34 Indígenas das Leben genommen - alle Suizide ereigneten sich im Staat Mato Grosso do Sul.

Kürzlich hat das Justizministerium kraft des Dekrets Nr. 3.219 vom 7. Oktober 2009 eine Fläche von 11.401 Hektar als Land der Guyraroká-Gemeinschaft, die aus 130 Indianern besteht, anerkannt. Das ist ein positiver Schritt hin zum Schutz und zur Sicherung der Menschenrechte dieser Gemeinschaft. Er ist jedoch nicht ausreichend, um den für die Nahrungssicherung erforderlichen Bedarf an Land und anderen Ressourcen sicherzustellen und die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung der 27.500 Guarani-Kaiowás, die in Mato Grosso do Sul leben, zu garantieren.

Brasilien ist als Unterzeichner des internationalen UN-Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der amerikanischen Menschenrechtskonvention, des San Salvador-Protokolls und der ILO-Konvention 169 völkerrechtlich verpflichtet, die Menschenrechte der indigenen Gemeinschaften auf Zugang zu Land, Wasser und Lebensraum - wozu ihr Recht auf Land zählt - zu achten und zu schützen. Ich möchte Sie daher respektvoll bitten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen

um die kürzlich gefasste Entscheidung des Justizministeriums gemäß Dekret Nr. 3.219 vom 7. Oktober 2009 tatsächlich umzusetzen, damit die Anerkennung des Territoriums der Guyraroká durch den Staatspräsidenten beschleunigt wird;
damit die FUNAI schnellstmöglich indigene Territorien des Mato Grosso do Sul identifiziert und gemäß den rechtlich festgelegten Richtlinien (Dokument MPF/RPM/DRS/MS 1.21.001000065/2007-44) demarkiert und dieser Identifikations- und Demarkationsprozess unverzüglich vom Justizministerium ratifiziert wird;
um die Guarani-Kaiowá vor jeder Kriminalisierung im Zusammenhang mit dem Kampf um ihr Land und ihre Rechte im Allgemeinen zu schützen.

Ich wäre Ihnen dankbar für Informationen über die von Ihnen eingeleiteten Maßnahmen.


Hochachtungsvoll


Bitte informieren Sie FIAN über Reaktionen auf Ihre Briefe!


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Luiz Inácio Lula da Silva
Praça dos Três Poderes
Palácio do Planalto - 3° andar
Brasília - DF 70150-900

Prezado Presidente,

Estou extremamente preocupado com a situação da população indígena Guarani-Kaiowá no Mato Grosso do Sul. Este povo indígena tem tido seus direitos humanos desrespeitados constantemente nos últimos anos, considerando a impossibilidade terem acesso às suas terras tradicionais, e de proverem sua subsistência. A ausência da demarcação do território indígena, em desrespeito à legislação nacional que a estabelece, tem exposto os Guarani-Kaiowá a severa desnutrição, somando a um total de 35 crianças mortas no período de 2005 a 2008. Estima-se que no Estado do Mato Grosso do Sul a desnutrição afeta pelo menos 600 crianças. As más condições de vida também originaram altas taxas de homicídios e suicídios nas comunidades, sendo que todos os 34 suicídios ocorridos entre indígenas no Brasil durante 2008 ocorreram em Mato Grosso do Sul.

A recente decisão tomada pelo Ministério da Justiça de reconhecer 11.401 hectares, conforme a Portaria PORTARIA No- 3.219, DE 7 DE OUTUBRO DE 2009 como pertencentes à comunidade Guyraroká, com 130 indígenas, é um passo bem vindo na direção de proteger e realizar os direitos humanos destas comunidades. Entretanto, não é suficiente para abranger suas necessidade s em termos de acesso à terra e outros recursos e garantir a realização do Direito Humano à Alimentação Adequada dos 27.500 Guaranis-Kaiwoás que vivem no Mato Grosso do Sul.

O Brasil como um Estado Parte de Pactos Internacionais de Direitos Humanos da Organização das Nações Unidas (ONU) da Convenção Americana sobre Direitos Humanos, do Protocolo de San Salvador e do Convênio 169 da OIT, assumiu compromissos no âmbito do direito internacional de proteger e respeitar os direitos à alimentação, à água e em especial à vida dos indígenas, o que implica nos seus direitos à terra. Portanto solicito respeitosamente que Vossas Excelências adotem medidas garantindo que:

• A recente decisão do Ministério da Justiça, conforme disposto na PORTARIA No- 3.219, DE 7 DE OUTUBRO DE 2009 seja devidamente cumprida para a célere homologação do território de Guyraroká por parte do Presidente da República

• A FUNAI faça com extrema urgência a identificação e delimitação de todas as terras indígenas do Mato Grosso do Sul conforme previsto no Termo de Ajuste de Conduta, referente ao Procedimento Administrativo MPF/RPM/DRS/MS 1.21.001000065/2007-44. Após o processo de identificação e delimitação que sejam imediatamente homologadas as terras pelo Ministério da Justiça.

• Os Guarani-Kaiowás sejam protegidos contra práticas de criminalização de sua luta pela terra e por seus direitos em geral.

Por favor, mantenha-me informado das medidas que forem tomadas.


Respeitosamente


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2009
FIAN-Eilaktion 0914 UBRA von November 2009 - Südamerika
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2009