Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FIAN

AKTION/124: Indien - Umsetzung des Kinderentwicklungsservice ICDS in Jalalpur, Uttar Pradesh (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

FIAN-Eilaktion 1004 UIND von 2010 - Asien

Indien: Weiterhin keine ICDS-Umsetzung in Jalalpur, Uttar Pradesh


Sechzehn Prozent der indischen Bevölkerung sind unter sechs Jahre alt und jedes zweite Kind ist untergewichtig. Im Bundesstaat Uttar Pradesh sind nach Angaben des SRS (Sample Registration Service, Statistisches Bundesamt) 47 Prozent der Kinder unter drei Jahren untergewichtig. Der 1975 in Indien gegründete integrierte Kinderentwicklungsservice (ICDS) ist das größte nationale Programm zur Unterstützung der Gesundheits- und Ernährungsversorgung von Kindern unter sechs Jahren. Sein Ziel ist es, Babies und Kleinkinder mit einem integrierten Programm aus zusätzlicher Nahrungsversorgung, Gesundheitsfürsorge und Vorschulerziehung zu unterstützen. Da die Bedürfnisse eines Kindes nicht getrennt von denjenigen der Mutter gesehen werden können, wendet sich das Programm auch an junge Frauen, Schwangere und stillende Mütter.

Die ICDS-Leistungen werden über ein groß angelegtes Netzwerk von ICDS-Zentren, den so genannten Angawadis (AWC), umgesetzt. Der Staat ist verpflichtet, für jedes Dorf mit mindestens 40 Kindern ein AWC bereitzustellen. Die zusätzliche Nahrungsversorgung wird derzeit auf der Basis von Getreide bereitgestellt, das jedoch den Eiweiß- und Vitaminbedarf von Kindern und jungen Frauen nicht abdeckt. Dieses Zusatzernährungsprogramm (Supplementary Nutrition Programme) ist jedoch eine der wesentlichen ICDS-Leistungen und soll Kinder im Alter von sechs Monaten bis sechs Jahren, Schwangere und stillende Mütter mit gesunder Nahrung versorgen. Familien, die unterhalb der Armutsgrenze leben, werden dabei vorrangig versorgt.

Obwohl das ICDS-Programm schon seit über 30 Jahren existiert, ist die Anzahl der unterernährten Kinder weiterhin sehr hoch. In vielen Gegenden, insbesondere in Slums und ländlichen Gebieten, gibt es immer noch Kinder, die von diesem Förderprogramm nicht erreicht werden. In Jalalpur ist dies der Fall. Das Dorf Jalalpur liegt im Lakhimpur Distrikt in Uttar Pradesh. Dort leben etwa 300 Familien, die meisten von ihnen Angehörige der Dalit-Kaste. Hauptnahrungsmittel des Dorfes ist Reis, der weder Eiweiß noch Vitamine liefert. Im Dorf leben etwa 100 Kinder, aber es gibt weder ein AWC noch eine Schule, obwohl der Staat verpflichtet ist, für jede Ansiedlung mit mindestens 40 Kindern ein AWC bereitzustellen.

FIAN ist in diesem Fall bereits im Jahr 2009 mit der Eilaktion UIND0912 aktiv geworden. Daraufhin haben die örtlichen Behörden die Errichtung eines AWC in Jalalpur empfohlen. Jedoch haben die Bezirks- und Staatsbehörden bis zum heutigen Zeitpunkt immer noch keine entsprechende Entscheidung gefällt. Aufgrund des hohen Maßes an Unterernährung ist die Umsetzung solcher Sozialprogramme notwendig - jedoch nicht ausreichend, um das Problem anzugehen, dass die Dalit und andere Gruppen der indischen Gesellschaft von Nahrungsressourcen und Einkommen ausgeschlossen sind. Wirtschaftspolitische Maßnahmen müssen auch immer auf die Bedürfnisse dieser Familien ausgerichtet sein, z. B. in Form von Agrarreformen und Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten in großem Umfang.


Zusammenfassung

Trotz Empfehlungen der örtlichen Behörden wird im Dorf Jalapur im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh das Integrated Child Development Services-Programm (ICDS, integrierte Kinderentwicklungs-Services) immer noch nicht umgesetzt, wodurch das Recht auf Nahrung von Kindern und Frauen des Dorfs bedroht wird. Die ICDS-Programme sind ausgerichtet auf die Gesundheits- und Ernährungsversorgung von Kindern unter sechs Jahren, aber auch von jungen Frauen, Schwangeren und stillenden Müttern. Diese werden durch ein Netzwerk von Zentren, den so genannten Angawadis (AWC) umgesetzt. Der Staat ist verpflichtet, für jedes Dorf mit mindestens 40 Kindern ein AWC bereitzustellen. In Jalalpur, einem Ort mit 300 Familien, darunter 100 Kindern, hat der Staat jedoch kein AWC realisiert. Dadurch sind die Kinder und Frauen von Hunger und Unterernährung bedroht.


Das FIAN-Mandat

Indien ist als Unterzeichnerstaat des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte völkerrechtlich verpflichtet, das Recht seiner Bevölkerung auf Nahrung zu gewährleisten. Indem sie das ICDS-Programm und die Einrichtung eines AWC in Jalalpur nicht effektiv umsetzen, verletzen der Bundesstaat Uttar Pradesh und damit die indische Regierung das Recht auf Nahrung und verstoßen gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen dieses Pakts. Als Folge davon werden Kindern und Frauen Nahrungsversorgungs- und Gesundheitsleistungen verweigert, auf die sie einen Anspruch haben. Dadurch sind sie anfälliger für Hunger, Unterernährung und Krankheiten.


Aktion

Eine internationale Aktion ist dringend erforderlich, um sicherzustellen, dass der Staat in Jalalpur ein ICDS-Programm implementiert, damit Kinder und Frauen zusätzliche Nahrung und Gesundheitsleistungen erhalten.

Schreiben Sie bitte höfliche Briefe an die Ministerpräsidentin von Uttar Pradesh und bitten Sie sie, ihre Verpflichtungen bezüglich des Rechts auf Nahrung zu erfüllen.


Laufzeit
Beginn: 19.07.2010
Ende: 12.09.2010

Adressaten der Aktion
Ms. Mayavati
Honorable Chief Minister, Uttar Pradesh
Chief Minister Office
Secretariate Annexe, Sarojini Naydu Marg
Lucknow 226001, Uttar Pradesh
Indien
Fax: 00 91-522-223 57 33
and  00 91-522-223 92 34

Mr. Chandra Prakash
Director Child Development and Nutrition Services
3rd Floor, Indira Bhawan
Lucknow 226001
Uttar Pradesh
Indien
Fax: 00 91-11-23 07 40 54

Smt. Krishna Tirath
Minister of State (Independent Charge)
The Ministry of Women and Child Development
Shastri Bhawan
New Delhi 110001
Indien
Fax: 00 91-522-228 70 32


*


Übersetzung des Musterbriefs


Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Mayavati,

Kürzlich erreichten mich Informationen, wonach es im Dorf Jalalpur in Uttar Pradesh kein Anganwadi-Zentrum (AWC) gibt und dass das integrierte Kinderentwicklungsservices-Programm (ICDS) dort nicht umgesetzt ist. Obwohl in einer Ansiedlung ab 40 Kindern ein AWC verpflichtend ist, wurde für die 100 Kinder in Jalalpur bisher noch kein AWC eingerichtet. Die ICDS-Leistungen werden durch AWCs umgesetzt und stellen ein wichtiges nationales Programm dar, das auf die Gesundheits- und Ernährungsbedürfnisse von Kindern unter sechs Jahren ausgerichtet ist. Sein Ziel ist es, Babies und Kleinkinder mit angemessener Nahrung und Gesundheitsleistungen zu versorgen. Da die Bedürfnisse eines Kindes nicht getrennt von denjenigen der Mutter gesehen werden können, wendet sich das Programm auch an junge Frauen, Schwangere und stillende Mütter.

In den vergangenen Jahren haben sich die Einwohner von Jalapur organisiert und mit Unterstützung örtlicher Organisationen und Menschenrechtsgruppen im Oktober 2008 einen Brief an die örtlichen Behörden geschrieben. Die örtlichen Behörden haben die Umsetzung des ICDS-Programms und die Einrichtung eines AWC in Jalalpur empfohlen. Bis heute wurden jedoch seitens der Staatsbehörden keine Schritte unternommen, das ICDS-Programm und das AWC in Jalalpur zu verwirklichen.

Indien und damit Uttar Pradesh hat den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte unterzeichnet und ist daher völkerrechtlich verpflichtet, das Recht auf angemessene Ernährung der Kinder und Frauen zu sichern. Nach Allgemeinem UN-Kommentar Nr. 12 (1999) sind die Staaten verpflichtet, dieses Recht direkt für diejenigen Menschen umzusetzen, die aus Gründen jenseits ihres Einflussbereichs nicht in der Lage sind, sich selbst zu verteidigen, wie beispielsweise Kinder. Als Person, die sich international für die Umsetzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte einsetzt, bitte ich Sie:

1. sofortige Maßnahmen zur Umsetzung des ICDS-Programms und zur Einrichtung eines AWC in Jalalpur zu ergreifen,

2. zu gewährleisten, dass alle Kinder unter sechs Jahren und alle berechtigten Mütter Zugang zum ICDS-Programm haben,

3. für die Bereitstellung warmer und nährstoffreicher Mahlzeiten anstelle von Getreide zu sorgen.

Bitte informieren Sie mich über die Maßnahmen, die Sie in dieser Angelegenheit ergreifen werden.


Hochachtungsvoll


Bitte informieren Sie FIAN über die Reaktion auf Ihre Briefe!


Ms. Mayavati
Honorable Chief Minister, Uttar Pradesh
Chief Minister Office
Secretariate Annexe, Sarojini Naydu Marg
Lucknow 226001
Uttar Pradesh
Indien


Honorable Chief Minister,

It was recently brought to my attention that Jalalpur village in Uttar Pradesh does not have Anganwadi Centers (AWC), and that the Integrated Child Development Services are not implemented. Although it is mandatory to have an AWC in settlements with 40 children, an AWC has yet to be established for the 100 children in Jalalpur. The ICDS are implemented through AWC, which is a major national program that addresses the health and nutrition needs of children under the age of six. It seeks to provide infants and young children with proper nutrition and health care. Since the needs of a child cannot be addressed in isolation from those of his or her mother, the program also extends to adolescent girls, pregnant women, and nursing mothers.

Over the past few years, the inhabitants of Jalalpur have begun to organize and with the help of the local community based organizations and human rights organisations they wrote a letter to local authorities in October 2008. The local authorities have recommended that ICDS be implemented and AWC be established in Jalapur. However, till date no steps have been taken by the state authorities to implement ICDS and establish AWC in Jalalpur.

As a state party to the International Covenant on Economic, Social and Cultural rights, India and therefore Uttar Pradesh, is duty-bound under international law to fulfill the children's and women right to adequate food. As a person working internationally for the implementation of the economic, social, and cultural rights, I would like to ask you to,

1. Take immediate steps to implement ICDS in Jalalpur and establish an AWC.

2. Ensure access to ICDS for all children under six and for all eligible mothers.

3. Provide hot cooked nutritious meals instead of only cereal based supplementary nutrition.

Please keep me informed of the action you plan to take in this regard.


Sincerely,


Copy to:
Mr. Chandra Prakash
Director Child Development and Nutrition Services
3rd Floor, Indira Bhawan
Lucknow 226001
Uttar Pradesh
Indien
Fax: 00 91-11-23 07 40 54

Smt. Krishna Tirath
Minister of State (Independent Charge)
The Ministry of Women and Child Development
Shastri Bhawan
New Delhi 110001
Indien
Fax: 00 91-522-228 70 32


*


FIAN-Belgien
rue Van Elewijk 35
1050 Bruxelles
Tel / Fax: +32-26 40 84 17
info@fian.be
www.fian.be

FIAN-Deutschland
Briedeler Str. 13
50969 Köln
Tel: +49-221-702 00 72
Fax: +49-221-702 00 32
eilaktionen@fian.de
www.fian.de

FIAN-Österreich
Johann Strauss Gasse 33/2-3
104 Wien
Tel: +43-1 23 50 239
fian-oe@oneworld.at
www.fian.at

N Schweiz c/o Cotmec
Bd du Pont-d'Arve 16
1205 Geneve
fian-ch@bluewin.ch


*


Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2010
FIAN-Eilaktion 1004 UIND von 2010 - Asien
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50679 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro
Abonnementpreis: Standardabo 15,- Euro,
Förderabo 30,- Euro (Ausland zzgl. 10,- Euro)


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2010