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ASIEN/017: Narmada Bachao Andolan - die Bewegung zur Rettung der Narmada (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Wir werden ertrinken, aber weichen werden wir nicht!
Narmada Bachao Andolan - die Bewegung zur Rettung der Narmada

Von Theodor Rathgeber


Seit rund 25 Jahren kämpfen Adivasi, die Ureinwohner Indiens, und andere Flussbewohner entlang der Narmada um ihre Rechte. Der organisierte Widerstand nahm mit dem Protest gegen den Sardar Sarovar Damm im Jahr 1987 seinen Anfang. Zusammen mit Baba Muralidhar Devdas Amte, einem Schüler Gandhis, gründete Medha Patkar die Bewegung zur Rettung der Narmada (NBA). Der Widerstand der Betroffenen sah sich der geballten Machtallianz aus Landes- und Zentralregierung, politischen Eliten, der Weltbank und anderer Investoren gegenüber. Die Massenbewegung schöpfte jedoch jede demokratische Möglichkeit zum Widerstand aus und konnte einige Erfolge erzielen. Gleichwohl sind viele Dörfer und fruchtbare Felder in den Fluten versunken.


Die Narmada ist für viele in Indien nach dem Ganges der heiligste Fluss und misst 1.300 km. Seit 1961 plant der indische Staat im Narmada-Tal 30 große, 135 mittlere und 3000 kleinere Staudämme entlang der Narmada und ihrer 41 Nebenflüsse in den Bundesstaaten Madhya Pradesh, Maharashtra und Gujarat. Zusätzlich zur elektrischen Energie soll das aufgestaute Süßwasser mittels Kanalsystemen bisherige Dürregebiete in landwirtschaftlich extensiv nutzbare Gebiete umwandeln. Wie andere Entwicklungspläne in Indien wurden diejenigen für das Narmada-Projekt ohne Wissen und Zustimmung der Betroffenen auf den Weg gebracht. Der Sardar Sarovar Damm und der Maheshwar-Staudamm gehören in Deutschland zu den bekanntesten; letzterer aufgrund der ursprünglich vorgesehenen Beteiligungen deutscher Unternehmen. Nach vorsichtigen Schätzungen müssten insgesamt 200.000 Familien zwangsweise umgesiedelt werden. Die bisherigen Staudammbauten haben bereits zur Vertreibung von rund 100.000 Familien geführt.


Weltbank und Siemens ziehen sich zurück

Der organisierte Widerstand blieb nicht ohne Erfolg. Die NBA und ihre Kampagnen brachten die Weltbank 1993 dazu, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, nachdem eine unabhängige Studie die Tragweite des Sardar Sarovar-Damms ans Licht gebracht hatte. Die Klage des NBA vor dem Obersten Gerichtshof Indiens erzwang für die Jahre 1995 bis 1999 einen Baustopp am Sardar Sarovar-Damm. Vier weitere Dammvorhaben wurden in den 1990er Jahren durch Massenproteste auf Eis gelegt. Zusammen mit deutschen Unterstützern gelang es 2000, mehrere Firmen - darunter Siemens - zum Rückzug aus dem Maheshwar-Projekt zu bewegen. Der Bau des Damms wurde gestoppt. Im Fall des 1990 fertig gestellten Bargi-Staudamms haben vertrieben Flussbewohner zum ersten Mal in der Geschichte Indiens ein (Fischerei-) Recht auf Nutzung des Stauseen erstritten. Mit Hilfe den Damms sollten 450.000 Hektar Ackerland bewässert werden. Auch 16 Jahre nach seiner Fertigstellung sind es nur knapp 30.000 Hektar - weniger als die überflutete Fläche.


Dämme vor Gericht

Eine empfindliche Niederlage bedeutete zunächst der Spruch des Obersten Gerichtshofes im Oktober 2000 gegen einen erneuten Baustopp am Sardar Sarovar. Mit einer 2:1 Mehrheit folgte das Gericht den Ausführungen der Projektbetreiber, erlegte diesen jedoch Auflagen in Fragen der Entschädigung auf. Lediglich Bundesrichter S.P. Bharucha hielt eine neue umweltrechtliche Bewilligung und einen sofortigen Baustopp für nötig. Auf der Grundlage der Auflagen verfügte später unter anderem das Komitee zur Umsiedlung in Maharashtra unter Leitung des dortigen Obersten Richters Daud ein völlig neues Gutachten, um die reale Anzahl der vom Projekt betroffenen Familien zu ermitteln. Ebenso stellte der Oberste Gerichtshof in Madhya Pradesh im Juni 2008 fest, dass für den Omkareshwar-Damm in den Distrikten Khandwa und Dewas Fragen der Entschädigung und Wiederansiedlung noch nicht hinreichend geregelt seien und verweigerte die Erhöhung der Dammkrone über die aktuellen 189 Meter hinaus.


Streit um gerechte Verteilung der Ressourcen

Die Gründer der NBA erhielten für ihr Engagement 1991 den Alternativen Nobelpreis. Medha Patkar im Jahr darauf den Goldman Environmental Prize und 1998 den Menschenrechtspreis von amnesty international. Der Widerstand im Tal der Narmada hat eine landesweite Debatte über Staudämme angestoßen und grundsätzliche Fragen über Entwicklung, Moderne und gutes Leben aufgeworfen. Der Kampf zur Rettung der Narmada brachte den Streit um die gerechte Verteilung der Ressourcen wie Wasser, Land oder Wald, Besitz- und Nutzungsrechte in die Öffentlichkeit. Die NBA begann darüber hinaus, unterschiedliche Widerstandsgruppen in Indien zugunsten einer alternativen Entwicklung zu koordinieren und gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Nationalen Allianz der Volksbewegungen.


Der Autor leitet die Geschäftsstelle der Adivasi-Koordination in Deutschland.

Weitere Informationen unter:
www.narmada.org und www.adivasi-koordination.de.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2008, S. 14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2009