Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FIAN

ASIEN/023: Indien - Sag mir, wo die Bäume sind (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Sag mir, wo die Bäume sind
"Shining India" geht an seine Wurzeln - auf verschiedene Weise

Von Elisabeth Köttringer


Diesen Sommer ging eine Schlagzeile durch die internationalen Medien: "Überwältigender Sieg gegen Bergbaugigant" - ein indigenes Volk in Indien hat gegen einen der größten Rohstoffkonzerne der Welt gewonnen. Viele Jahre hatte das 8.000 Menschen zählende Volk der Dongria Kondh in Orissa im Nordosten Indiens Widerstand geleistet, um seinen Berg zu retten. Nun traf der indische Umweltminister Jairam Ramesh am 24. August 2010 eine Entscheidung, die aufhorchen ließ: das Nein zum Plan des britischen Unternehmens Vedanta Resources, Niyamgiri Mountain, den Lebensraum und heiligen Berg der Dongria Kondh in eine Bauxitmine zu verwandeln. Vedanta hat eine "schockierende und eklatante Verachtung für die Rechte indigener Gruppen gezeigt", ließ der Minister verlauten.


Gleiches wie dieser heilige Berg den Dongria Kondh bedeutet das Karanpura-Tal des Damodar Flusses in Jharkhand, Zentralindien den an seinen Ufern lebenden BewohnerInnen. Seit Jahrhunderten leben die Santhal, Oraon, Ho, Munda und andere Völker auf einzigartige Weise in den Dörfern des Karanpura Tales. Das fruchtbare Land gibt genügend Nahrung für die Bevölkerung, der Wald reiche Früchte. Die Dörfer verfügen über ein geniales Bewässerungssystem, das auch genügend Wasser für Gemüsegärten und Trinkwasser für Menschen und Tiere spendet.

Sollte die indische Regierung jedoch den Plan verwirklichen, im nördlichen Karanpura-Tal 31 Kohletagebauminen zu errichten, um mit der dort gewonnenen Kohle an Ort und Stelle Thermalkraftwerke zu betreiben, dann ist das Leben und die Existenz von etwa einer Million UreinwohnerInnen des Tales bedroht. Durch weitere Auswirkung der CO2-Emissionen und durch den Verlust des Waldlandes werden langfristig jedoch noch mehr Menschen in Indien und auch weltweit die negativen Folgen dieser Art von "Entwicklung" zu spüren bekommen. Dass die TrägerInnen dieser Konzepte dafür noch den Begriff Sustainable Development strapazieren, führt auf absurde Art und Weise zu einer Wort- und Sinnverdrehung eines grundsätzlich positiven Begriffes.


Bäume raus, Autos rein. Indien plant den weiteren Ausbau des National Highway.

Allein für den NH 33 im Bundesstaat Jharkhand in Zentralindien sollen mehr als 80.000 Bäume fallen. Viele von ihnen sind zwischen 500 und 1000 Jahre alt, sie säumen die Landstraßen, die nunmehr verbreitert werden sollen. Es sind nicht einfach nur Alleebäume: es handelt sich um nationales Erbe Indiens und um Tausende von Bäumen, die den Menschen in den Straßendörfern Quelle von Nahrung, Wasser, Schatten und medizinischen Ingredienzien sind, sowie Gegenstand von Verehrung und Versammlungsort. Ihre riesigen Wurzeln sind die natürlichen Wasserspeicher, aus welchen sich die Dorfbrunnen speisen. Welches Aufforstungsprogramm soll jahrhundertealte Mango, Banyan, Imli, Neem, Mahua, Pipal und Eukalyptusbäume ersetzen?

"Es ist, als würde man uns die Hände oder die Füße abschneiden, wenn man uns die Bäume nimmt, oder als wollte man unseren Geist brechen, der in unseren Dorfbäumen wohnt", lautet das erschütternde Wortdokument einer Dorfgemeinschaft, die von einem Aktivisten der Baumkampagne befragt wurde.

Mittlerweile hat die indische Regierung die Genehmigung zur Fällung der dem Autoverkehr im Wege stehenden alten Straßenbäume für 24.000 km Ausbau des National Highway erteilt. Nach welchen Richtlinien die entsprechende Umweltverträglichkeitsprüfung erstellt wurde, will Bulu Imam, der Organisator der Kampagne, nun von der Regierung wissen.


Elisabeth Költringer arbeitet bei FIAN Österreich und ist Mitglied im Case-Unit-Project-Team.


*


Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2010, November 2010, S. 16
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro
Abonnementpreis: Standardabo 15,- Euro,
Förderabo 30,- Euro (Ausland zzgl. 10,- Euro)


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2011