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BERICHT/147: Ungleiche Partner im Freihandelsring (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Ungleiche Partner im Freihandelsring
EPAs bedrohen Menschenrecht auf Nahrung in Afrika

Von Armin Paasch


So genannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen sollen ab 2008 gegenseitigem Freihandel zwischen der Europäischen Union (EU) und den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP) ermöglichen. Das Menschenrecht auf Nahrung von Kleinbauern in Ghana und Sambia ist akut bedroht. So das Ergebnis von zwei Untersuchungsmissionen, die FIAN gemeinsam mit Germanwatch und afrikanischen Partnerorganisationen in den beiden Ländern durchgeführt hat.


Die Europäische Union (EU) hatte den AKP-Staaten bislang durch niedrige Zölle den Zugang zum europäischen Markt erleichtert - ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. Damit soll jetzt Schluss sein: "Gibst du mir, geb' ich dir", ist die neue Devise der EU. Um ihren Marktzugang zu behalten, sollen die ehemaligen Kolonien demnach ihre Märkte auch für europäische Produkte öffnen. So genannte Economic Partnership Agreements (EPA), zu deutsch "Wirtschaftspartnerschaftsabkommen", sollen ab 2008 "Freihandel" zwischen der EU und den AKP-Staaten ermöglichen. Partnerschaft klingt harmlos. Doch afrikanische Bauernfamilien befürchten Fluten europäischer Billigimporte, wenn ihre Märkte noch weiter geöffnet werden. Zumal die EU-Subventionen für Produktion und Exporte bei den EPA-Verhandlungen nicht zur Debatte stehen. Die Ergebnisse zweier Untersuchungsreisen von FIAN und verschiedenen Partnerorganisationen, im März 2007 in Ghana und im Juni in Sambia, bestätigen die Sorge der AfrikanerInnen.


Tomatenpaste auf dem Vormarsch

Zum Beispiel in dem Dorf Koluedor, 30 Kilometer von der ghanaischen Hauptstadt Accra entfernt. Über fünftausend Menschen leben hier, die meisten vom Tomatenanbau. Während der Ernte im September rücken die städtischen Zwischenhändler mit ihren Lastwagen an, um die vollen Tomatenkisten aufzukaufen. "Die Preise steigen weniger als unsere Kosten", klagt ein Bauer. Einige Bauern bleiben in Koluedor auf ihren Tomaten ganz sitzen - und auf den Kosten. Viele sind daher schon jetzt nicht mehr in der Lage, dreimal täglich eine Mahlzeit einzunehmen. Vor der Ernte leiden sie Hunger, am härtesten trifft es die Kinder. Ein Besuch auf dem städtischen Markt in Accra offenbart den Hauptgrund für die Misere. Hier stapeln sich importierte Tomatendosen, die meisten davon stammen aus Italien oder China. Die importierte Paste verdrängt frische Tomaten aus Ghana, denn sie ist leicht zuzubereiten und trifft den Geschmack der Städter. Und sie ist billig, nicht zuletzt aufgrund hoher Subventionen durch die EU und niedriger Zölle in Ghana.

Die Tomatenproduktion könnte vielen Ghanaern einen Weg aus Hunger und Armut weisen. Notwendig wären mehr staatliche Unterstützung für Produktion und Weiterverarbeitung heimischer Tomaten - und mehr Außenschutz vor Billigimporten. letzteres würde aber durch ein EPA zwischen der EU und der Economic Community of West African States (ECOWAS) praktisch unmöglich gemacht. Ein niedriger gemeinsamer Außenschutz der Staatengruppe, wie er derzeit - in Vorbereitung auf das EPA - ausgehandelt wird, würde notwendige Zollanhebungen verbieten. Fallen die Zollschranken gegenüber der EU ganz, sind die ghanaischen Bauern den Importfluten aus Europa schutzlos ausgeliefert. Ihr Menschenrecht auf Nahrung ist massiv bedroht.


Erfolgreiches Entwicklungsprojekt bedroht

Ein ähnliches Schicksal befürchten auch die Milchbauern aus Magoye im Süden Sambias. 1995 hatten sich diese in einer Kooperative zusammengeschlossen und seither ihren Lebensstandard stetig verbessert: eine Erfolgsgeschichte, die auch von der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt wurde. Für die inzwischen 300 Bauernfamilien ist Freihandel mit der EU eine Horrorvision. Bisher spielen Milch-Importe aus der EU in Sambia kaum eine Rolle. Dies könnte sich aber ändern, wenn der ohnehin niedrige Importzoll von 20 Prozent aufgrund eines EPA noch weiter sinkt. Bis 2015 will die EU-Kommission zudem die Milchquote abschaffen und die Produktion und Exporte steigern.

Die EU pocht auf einen Abschluss der EPA-Verhandlungen bis Ende 2007, weil dann eine Ausnahmeregelung der Welthandelsorganisation (WTO) ausläuft und die alten Regelungen nicht mehr erlaubt sind. Zivilgesellschaftliche Alternativvorschläge - die den WTO-Regeln entsprechen würden - lehnt sie aber ab. Weitgehende Ausnahmen von der Liberalisierung für ernährungsrelevante Agrarprodukte weist sie ebenso zurück. Kein Wunder also, dass bisher keine der vier afrikanischen Staatengruppen bereit ist, bis Ende des Jahres ein endgültiges EPA zu unterzeichnen. Auf einer internationalen Konferenz am 11. und 12. Dezember in Berlin werden afrikanische Bauernorganisationen, FIAN, Germanwatch, die niederländische NRO Both Ends und das britische Netzwerk UK Food Group gemeinsam über Strategien diskutieren, Verletzungen des Rechts auf Nahrung durch EPAs zu verhindern.


Der Autor ist Handelsreferent von FIAN-Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2007, S. 12
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2008