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BERICHT/172: Nationale Menschenrechtsinstitutionen haben Schlüsselfunktion (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Nationale Menschenrechtsinstitutionen haben Schlüsselfunktion

Ein Interview mit der UN-Sonderberichterstatterin für MenschenrechtsverteidigerInnen


Im Mai nahm die neue UN-Sonderberichterstatterin zur Lage der MenschenrechtsverteidigerInnen die Arbeit auf. Margaret Sekkagya aus Uganda wurde von UM-Menschenrechtsrat als Nachfolgerin von Hila Jilani aus Pakistan benannt, die das Amt fast zehn Jahre innehatte. Sie ist eine erfahrene Menschenrechtsexpertin, unter anderem hat sie über zehn Jahre Erfahrung als Vorsitzende der Menschenrechtskommission von Uganda.


FoodFirst-Magazin: Seit der Verabschiedung der UN-Erklärung für MenschenrechtsverteidigerInnen sind zehn Jahre vergangen. Sind MenschenrechtsverteidigerInnen heute besser geschützt?

Margaret Sekkagya: Sicherlich kann man sagen, dass der Schutz für MenschenrechtsverteidigerInnen in den zehn Jahren seit der Verabschiedung der Erklärung besser geworden ist. Die Erklärung enthält eine Reihe von Prinzipien und Rechten, die auf menschenrechtlichen Standards basieren, welche wiederum in anderen internationalen, rechtlich bindenden Instrumenten festgeschrieben sind. In meiner täglichen Arbeit und der Korrespondenz mit Regierungen nutze ich die Erklärung als einen Bezugspunkt, um Fortschritte in der Situation von MenschenrechtsverteidigerInnen zu messen. Die. Tatsache, dass MenschenrechtsverteidigerInnen besser geschützt sind bedeutet nicht automatisch, dass sich auch ihre Situation signifikant verbessert hat - weit gefehlt. An vielen Orten in der Welt stehen sie in ihrer täglichen Arbeit vor ernstzunehmendem Widerstand, in vielen Fällen riskieren sie ihr eigenes Leben und das ihrer Freunde und Familien.

FoodFirst-Magazin: Der Menschenrechtsrat hat Sie gebeten, besonderes Augenmerk auf Frauen zu legen. Welchen besonderen Herausforderungen sehen sich Frauen bei der Verteidigung von Menschenrechten Ihrer Erfahrung nach gegenüber?

Margaret Sekkagya: Frauen, die sich für Menschenrechte einsetzen, sind Ziel verschiedener sozialer oder privater Akteure wie religiöse Gruppen, Gemeinde- oder Stammesälteste oder sogar Mitglieder ihrer eigenen Familie. Wenn Frauen sich für die Verteidigung von Frauenrechten engagieren, werden sie besonders verwundbar durch Vorverurteilung, durch Ausschluss und öffentliche Ablehnung, und zwar nicht nur von staatlichen Kräften sondern auch durch ihr soziales Umfeld. Dies kann besonders akut werden, wenn die Frauen so wahrgenommen werden, dass sie kulturelle Normen und soziale Regeln über Geschlechtlichkeit, Weiblichkeit und Sexualität herausfordern. 2002 initiierte Hila Jilani, eine dreijährige internationale Kampagne, die in der Weltkonferenz für Frauen als Menschenrechtsverteidigerinnen gipfelte. Frau Jilani unterstrich, dass es für Frauen als Menschenrechtsverteidigerinnen keinen weiteren Schutz gibt als die Stärke und Unterstützung durch ihre eigene Bewegung und sie empfahl daher zusätzliche Schutzvorkehrungen, um den Frauen eine sichere Umgebung für ihre Arbeit zur Verfügung zu stellen.

FoodFirst-Magazin: Welche Rolle sehen Sie für nationale Menschenrechtsinstitutionen beim Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen?

Margaret Sekkagya: Ich bin überzeugt davon, dass unabhängig handelnde, nationale Menschenrechtsinstitutionen beim Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen eine Schlüsselfunktion haben. In vielen Regionen der Welt bedeutet dies jedoch auch, dass sie das Vertrauen der MenschenrechtsverteidigerInnen erst gewinnen und ihre Rolle im Hinblick auf sowohl staatliche Organe als auch die Gemeinschaft der MenschenrechtsverteidigerInnen klar bestimmen müssen. Nationale Menschenrechtsinstitutionen können zudem eine sehr wichtige Rolle beim Training von Nichtregierungsorganisationen einnehmen und in bestimmten Fällen als Vermittler zwischen ihnen und staatlichen Behörden fungieren. Ein weiterer Aspekt, der oft vergessen wird, ist, dass Personen, die für nationale Menschenrechtsorganisationen arbeiten, ebenfalls als MenschenrechtsverteidigerInnen qualifiziert sind und angemessenen Schutz benötigen.

FoodFirst-Magazin: Welche Themen wollen Sie während Ihrer Amtszeit hervorheben?

Margaret Sekkagya: Ich möchte die Aufmerksamkeit für MenschenrechtsverteidigerInnen, die am meisten Angriffen und Gewalt ausgesetzt sind, weiterführen und ausbauen. Besonderen Schutz benötigen folgende Gruppen: Frauen als MenschenrechtsverteidigerInnen, VerteidigerInnen, die zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten arbeiten, ebenfalls solche, die zu den Rechten von Minderheiten, Indigenen, homo- oder bisexuell orientierten Menschen oder Transsexuellen arbeiten oder VerteidigerInnen, die gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen kämpfen. Ich beabsichtige, Einzelfälle intensiver zu verfolgen. Ein anderer Bereich, in dem ich unsere Bemühungen verstärken will. ist die Stärkung der Beziehungen zu regionalen Menschenrechtgremien.

Das Interview führte Ute Hausmann.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2008, S. 8
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
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Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2009