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BERICHT/177: Landpolitik in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Die Land-Manager
Landpolitik in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

Von Roman Herre


Gemessen an den absoluten Zahlen ist die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) der fünftgrößte Akteur der Welt. Man könnte meinen, dass damit auch die Unterstützung für Agrarreformen ein wichtiger Teil deren Arbeit ist. Jedoch weit gefehlt. Die deutsche EZ hat sich in der Landpolitik auf administrative und technische Aufgaben spezialisiert. Umfassende Agrarreformen und die Umverteilung von Land - also das aktive Schaffen von Zugang zu Land für hungernde ländliche Gruppen - ist für die deutsche EZ kein Instrument der Landpolitik.


Alle Theorie ist Grau

Das übergeordnete Ziel der Armutsbekämpfung gift auch für den Bereich der Landpolitik. Die Frage ist nur, wann Landpolitik armutsmindernd ist. Die theoretischen Handlungsgrundlagen für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sind diesbezüglich klar, wie die aktuelle Studie Managing Land - Germany's Role in Bilateral Land Policies aufzeigt. Am Recht auf Nahrung ausgerichtete Agrarreformen sind ein wichtiges Instrument zur Hunger- und Armutsbekämpfung. Die Dokumente und Referenzpapiere, an denen sich die EZ ausrichtet, stellen unter anderem drei Themen heraus:

1. Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Nahrung als normativer Rahmen,

2. eine sozial verträgliche Verteilung von Land und das Instrument der Umverteilung sowie

3. die zielgenaue Ausrichtung von Programmen an ländlichen Hunger- und Armutsgruppen durch deren aktive Einbindung und Partizipation.

Dies unterstreichen beispielsweise der Aktionsplan 2015 der Bundesregierung oder das EU-Referenzpapier für Landpolitik (EU Land Policy Guidelines). Auch die FAO-Leitlinien zum Recht auf Nahrung, deren Erarbeitung Deutschland stark unterstützt hat, halten dies fest. Soweit der theoretische Rahmen - so gut.


Der Praxistest

Insgesamt ist die deutsche EZ im Bereich Landpolitik in über 20 Ländern tätig. Die meisten Projekte laufen unter der Rubrik "Landadministration und Landmanagement". Darunter fallen alle technischen Bereiche wie Katasterwesen, Landmärkte, die Registrierung von Landtiteln und der Aufbau und die Beratung entsprechender Behörden - alles wichtige Teilaspekte im Bereich Landpolitik. Einzig der Bezug zu den oben genannten Punkten ist nicht oder nur teilweise gegeben. Dies unterstreichen auch die in der Studie untersuchten Projektbeispiele Ghana und Namibia. In der Landreform Namibias ist zwar auch eine Umverteilungskomponente vorhanden, aber die deutsche EZ zieht sich auch hier auf die Errichtung von Registrierungssystemen, so genannten Landboards zurück.

Einzig auf den Philippinen hat sich die deutsche EZ aktiv an der Zuteilung von Land für Pächter und KleinbäuerInnen im Rahmen der dortigen Agrarreform beteiligt. Die dortige Unterstützung geschah in enger Kooperation mit lokalen Gruppen und wird immer wieder als das Vorzeigebeispiel im Bereich Agrarreformen präsentiert. Leider war es auch das einzige Projekt. Es wurde vor sechs Jahren abrupt eingestellt.


Landpolitik entkernt - der Versuch der Entpolitisierung eines politischen Themas?

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass sich die deutsche Landpolitik auf technische Aufgaben zurückzieht, die gerne als unpolitisch, 'neutral' und damit besser durchsetzbar erachtet werden. Dies ist allerdings eine Fehleinschätzung. Denn gerade für die marginalisierten Gruppen ist es oft viel schwieriger, ihr Land registrieren zu lassen. Oft fehlen ihnen grundlegende Informationen oder das Geld für einen Landtitel Zudem können Landtitel-Programme ohne Umverteilung vorhandene Landbesitzstrukturen verfestigen, was in Ländern mit hoher Landkonzentration einer behördlichen Absegnung vorhandener Armutsstrukturen gleich kommt.

Der Anspruch der deutschen EZ, Landpolitik zur Armuts- und Hungerbekämpfung mitzugestalten, ohne dabei umfassende Agrarreformen mit ins Kalkül zu nehmen, ist nicht umsetzbar. Ein gerechter und sozial verträglicher Zugang zu land und eine echte Partizipation von Hunger- und Armutsgruppen sind politische Themen, die keine ernst gemeinte Landpolitik ausklammern kann.

Der Autor ist Agrarreform-Referent bei FIAN-Deutschland.


Die Studie Managing Land - Germany's Role in Bilateral Land Policies erscheint im Rahmen der Land Policies Series des Transnational Institutes und ist ab Mitte März dort erhältlich
www.tni.org.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2009, S. 7
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2009