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BERICHT/190: Elend der Wunderpflanze - Jatrophaanbau in Indien (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Elend der Wunderpflanze
Jatrophaanbau in Indien

Von Sabine Pabst


Der Bauer Om Prakash Yadav lebt mit seiner Familie in Newai Tehsil, im trockenen nordindischen Bundesstaat Rajasthan. Eine ausgeklügelte Landwirtschaft, angepasst an die klimatischen Bedingungen, war seit Generationen die Lebensgrundlage der Familie. 2006 überredete ein Berater ihn und andere Bauern aus dem Dorf, auf ihren Feldern den gern als Wunderpflanze bezeichneten Strauch Jatropha anzubauen, aus dessen ölreichen Früchten Agrardiesel hergestellt werden kann. Der Berater versprach großen Gewinn innerhalb weniger Jahre. Doch es kam anders.

Unter der heißen Sonne Rajasthans verkümmerten die Pflanzen. Damit sie nicht völlig eingingen, waren die Bauern zur Bewässerung gezwungen. Doch der versprochene Ertrag blieb aus.Jetzt steht Om Prakash mit leeren Händen da: Weder kann er das Öl der Jatrophapflanzen verkaufen, noch kann er ernten, was er früher geerntet hat.


Volle Kraft voraus

Angesichts steigender Ölpreise und einem wachsenden Energieverbrauch hat die indische Regierung dem Anbau von Jatropha eine hohe Priorität eingeräumt: Bereits seit 2003 gilt in Indien eine Biosprit-Strategie, und bis zum Jahr 2017 wird eine 20-prozentige Beimischung für Agrodiesel (vor allem aus Jatropha) und Ethanol angestrebt. Das bedeutet, dass der Strauch mit den ölhaltigen Samen auf einer Fläche von 14 Millionen Hektar angebaut werden müsste. Mit ihrer Nationalen Mission zu Jatropha-Biodiesel von 2007 hat die indische Regierung begonnen,auf drei Millionen Hektar Land in 19 Bundesstaaten Jatropha anzupflanzen. Subventionen und Beratung für Bauern und die Unterstützung von Privatunternehmen sollen helfen, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen. Schon jetzt sind Autohersteller wie Daimler, Ölunternehmen wie BP, Banken, Agrobusiness und die Biotech-Branche in das lukrative Geschäft mit der Wunderpflanze eingestiegen.


Zugang zu Land - für Investoren

Kritiker befürchten zu Recht, dass die angestrebte Expansion nur zu Lasten der Lebensmittelproduktion sowie der Kleinbauern und -bäuerinnen möglich ist. Der Bundesstaat Rajasthan hat per Gesetz einen so genannten Grünen Landtitel (green patta) eingeführt, der die Obergrenze des erlaubten Transfers von Gemeindeland an private Firmen von ursprünglich zwischen sieben und 70 Hektar - je nach Qualität - massiv auf 5.000 Hektar heraufsetzt.Und dies in einem Land, wo die Mehrheit der kleinbäuerlichen Betriebe nicht einmal einen Hektar besitzt und es Millionen von Landlosen gibt. Auch Viehhalter werden in Zukunft vor massiven Problemen stehen. Im Dorf Joligrant im nordindischen Bundesstaat Uttarkhand ist dies bereits Realität: Seit die Regierung auf dem Gemeindeland und in Waldgebieten Jatrophaplantagen anlegen ließ, können die Tierhalter das Futter nicht mehr beschaffen und sind gezwungen, Tiere zu verkaufen. Der Zugang zu öffentlichen Weideflächen ist seitdem streng reglementiert beziehungsweise unmöglich geworden.

Die meisten Landesregierungen betonen, dass der Anbau von Jatropha nur auf degradiertem und Ödland stattfindet. Allerdings gibt es im dicht besiedelten Indien de facto kein Land, das nicht bereits in irgendeiner Weise - vor allem von marginalisierten Teilen der Bevölkerung - genutztwird: etwa als Weideland, für den Regenfeldanbau, zum Sammeln von Brennholz, Heilkräutern oder Honig. Bei dem so genannten Ödland handelt es sich meistens um Gemeindeland, das schätzungsweise 25Prozent von Indiens Landfläche ausmacht.Es wird von Millionen armen Menschen seitJahrhunderten vielfältig genutzt.


Entschädigung bleibt aus

Auch die BewohnerInnen des Dorfes Larua im zentralindischen Bundesstaat Chhattisgarh haben von der Jatrophaeinführung nicht profitiert. Die Waldflächen, auf denen sie seit 30 Jahren ihre Nahrung anbauen, wurden von der Regierung vor drei Jahren kurzerhand zur Jatrophaplantage erklärt. Den BewohnerInnen wurde versprochen, dass sie Ersatzflächen bewirtschaften dürften, allerdings wurden diese immer noch nicht zugeteilt, so dass vielen kein anderer Ausweg blieb, als sich als Wanderarbeiter zu verdingen. Eine aktuelle Studie, die von FIAN und der Heinrich Böll Stiftung zu dem Thema verfasst wurde, zieht folgendes Fazit: "Jatrophaanbau fördert Landtransfer ohne Rücksicht auf Landrechte und angemessene Kompensationszahlungen, zerstört die Lebensgrundlage von Bauern, beeinträchtigt Weidemöglichkeiten für Viehhalter, und ist ein weiterer negativer Faktor im Wettbewerb um knappes Land und Wasserressourcen."

Die Studie Fuelling Poverty - an Agrofuel Guideline for India ist unter www.fian.org abrufbar.

Sabine Pabst ist Mitarbeiterin von FIAN-International.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2009, Juni 2009, S. 14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2009