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BERICHT/193: Die Gier nach fernen Ländereien - Deutsche Politik schweigt zu Landnahmen (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Die Gier nach fernen Ländereien
Deutsche Politik schweigt zu Landnahmen

Von Roman Herre


Der Druck auf fruchtbare Böden ist in vielen Ländern enorm gestiegen. Allein in Tansania übersteigen die Anfragen ausländischer Investoren die vorhandene Ackerfläche um das Doppelte. Seit 2006 wurden etwa 20 Millionen Hektar Land in Afrika an ausländische Investoren (Konzerne, Regierungen, oft auch eine Mischung aus beidem) veräußert. Das ist etwa ein Fünftel der gesamten Ackerfläche der Europäischen Union. Gerne wird in diesem Zusammenhang betont, welche Chancen zur Entwicklung des ländlichen Raums mit solchen Investitionen verbunden sind. Aber nutzen diese Investitionen den ländlichen Armutsgruppen tatsächlich?


Das Ausmaß dieser aktuellen Landnahmen hat eine neue Dimension erreicht. Auch der Zweck ist neu: die Sicherstellung des Imports von Nahrungs-, Futtermitteln oder Agrartreibstoffen für das Stammland des investierenden Konzerns. Doch das Muster, das sich schon im letzten Jahrhundert beim Anbau von Bananen, Ananas und anderen Produkten für unsere Supermärkte zeigte, wiederholt sich auch bei der aktuellen Entwicklung: Die finanzkräftigen Investoren sichern sich die besten Böden in der Kornkammer des Ziellandes. Die versprechen die höchsten Gewinne. Kleinbauern und -bäuerinnen hingegen, die die Ernährung des eigenen Landes sichern, werden im Zuge solcher Entwicklungen oft auf schlechte Böden abgedrängt, in einigen Fallen gar gewaltsam vertrieben und sind die Verlierer dieser Investitionen. Ihr Recht, sich selbst zu ernähren, wird so massiv verletzt.

Die vollmundigen Versprechen der Investoren, Infrastruktur und gute Arbeitsplätze zu schaffen, waren in der Vergangenheit oft nicht mehr als heiße Luft. Die tatsächlich geschaffenen Arbeitsplätze blieben weit hinter den Versprechen zurück und die Infrastruktur diente in erster Linien dem schnellen Export der Produkte und Gewinne. Die afrikanischen Regierungen wären daher gut beraten, sich nicht auf solche Versprechen zu verlassen. In Tansania hat sich beispielsweise die schwedische Firma Sekab aus Rentabilitätsgründen aus einem Megaprojekt zur Ethanolgewinnung aus Zuckerrohr zurückgezogen. Die beteiligte Regierung steht nun vor einem Scherbenhaufen.


Die deutsche Regierung will sich nicht einmischen

Im Mai gab es zum so genannten Landgrabbing verschiedene Aktivitäten auf Parlamentsebene, unter Anderem eine Anhörung im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) sowie eine Debatte im Bundestag. Hier hätte die Bundesregierung klare Signale setzen können. Mit dem Argument, gute Regierungsführung löse die Probleme, glänzte die Regierung aber eher durch Hilflosigkeit anstatt aktiv dieser Entwicklung entgegenzutreten. Und das Plädoyer an die Investoren, sie sollen sich verantwortungsbewusst verhalten, spiegelte das Unverständnis gegenüber den eigenen menschenrechtlichen Verpflichtungen wider.

Die Bundesregierung könnte sehr wohl - und müsste - auf vielen verschiedenen Ebenen handeln. Sie müsste sich dafür einsetzen, dass Investoren bei Menschenrechtsverletzungen auch in ihrem Stammland belangt werden können. Ein anderes Wirkungsfeld ist die Kreditvergabepolitik der eigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der Weltbank. Hier müssten Transparenz und harte Kriterien sicherstellen, dass solchen Landnahmen kein Vorschub geleistet wird. Nicht zuletzt müsste sich die Landpolitik der eigenen Entwicklungszusammenarbeit grundsätzlich an den Menschenrechten ausrichten - was sie bis heute nicht tut. Aber auch weniger konfliktive Aktivitäten hätten hier angestoßen werden können, wie beispielsweise Landnahmen zum Gegenstand einer relevanten internationalen Konferenz zu machen. Dies könnte die Durchsetzung vorhandener Menschenrechtsinstrumente stärken. Leider hat die deutsche Regierung keinen Anlass gesehen, explizit auf dieses in seinen Ausmaßen neue Phänomen zu reagieren.

Roman Herre ist Agrarreferent von FIAN-Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2009, Juni 2009, S. 17
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2009