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BERICHT/212: Zukunft säen - Vielfalt ernten! (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Zukunft säen - Vielfalt ernten!
Europäische Saatgutkonferenz vom 25. bis 27. März 2010 in Graz

Von Jürgen Holzapfel


An der Auseinandersetzung um geistige Eigentumsrechte auf Saatgut ist das Jahr 2010 entscheidend. Die Europäische Union (EU) will ein europaweit einheitliches Saatgutrecht verabschieden. Werden in Zukunft auf dem Saatgutmarkt ausschließlich industrielle Sorten verfügbar sein, während regionale und bäuerliche Sorten nur noch in Museen und Schaugärten zu finden sind?


Alle Anzeichen deuten daraufhin, dass die Saatgutkonzerne die Revision des Saatgstrechts nutzen, um ihre Macht noch auszuweiten. Die verabschiedete EU-Erhaltungssortenrichtlinie für nichtindustrielle Sorten erschwert oder verbietet bereits die Verbreitung der alten Sorten durch geographische und quantitative Beschränkungen.

Der Aktionsplan der Europäischen Kommission vom 29.9.2009 sieht vor, dass das neue Saatgutverkehrsgesetz im Jahr 2011 zur Abstimmung kommen soll. Ziele sind die bürokratische Vereinfachung der Sortenzulassung, die Einrichtung eines europäischen Zentralbüros für die Zulassung und Registrierung in einem europäisch einheitlichen Sortenkatalog sowie die einheitliche Umsetzung in den verschiedenen Ländern durch die zentrale Ausbildung von InspektorInnen unter dem Motto "Bessere Ausbildung für sichere Lebensmittel". Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Stärkung des europäischen Einflusses auf internationale Standards im Saatgutverkehr.

Das Instrument für eine weltweite Umsetzung der Interessen der europäischen Saatgutkonzerne ist die UPOV (Internationale Vereinigung zum Schutz von Pflanzenzüchtungen). Zurzeit wird die von ihr 1991 verabschiedete Konvention vielen Ländern, die sich am internationalen Agrarmarkt beteiligen wollen, aufgezwungen. 67 Staaten sind der Konvention beigetreten. Es ist nicht zufällig, dass die UPOV bereits angekündigt hat, dass sie 2011, also nach der neuen EU-Gesetzgebung, eine neue internationale Konvention verabschieden will. Bereits die heutige Konvention schränkt das bäuerliche Recht, Saatgut aus eigener Ernte zu gewinnen, soweit ein, dass BäuerInnen dieses Saatgut nur noch auf ihren eigenen Feldern ausbringen dürfen. Und es verbietet den Staaten, weitere Ausnahmeregelungen für Bäuerinnen und Bauern zu erlassen.

Der UN-Sonderberichterstatter Olivier de Schutter stellt in seinem Bericht für die Vereinten Nationen 2009 fest, dass während Jahrzehnten alle internationalen Bemühungen das Ziel hatten, die geistigen Eigentumsrechte der Saatgutindustrie zu schützen. Im Gegensatz dazu steht, dass auch heute noch weltweit bäuerliches Saatgut die Mehrheit der Bevölkerung ernährt und deshalb dringend Maßnahmen zur Stärkung des informellen, bäuerlichen Saatgutsektors getroffen werden müssen. Das Recht auf Ernährung ist direkt mit dem Recht auf eigenes Saatgut verbunden. Die Pläne der EU gehen demnach genau in die falsche Richtung.

In den letzten Jahren haben sich in vielen Ländern Europas Saatgutinitiativen zusammengeschlossen und unter dem Motto "Let's Liberate diversity!" auch grenzüberschreitend organisiert. Sie verteidigen das bäuerliche Recht, Saatgut aus eigener Ernte auszusäen, zu züchten und weiterzugeben. Die europäischen Saatgutinitiativen aus zehn Ländern haben Gegenvorschläge ausgearbeitet, wollen diese in Graz untereinander abstimmen und den Widerstand europaweit vernetzen.

Das diesjährige Treffen findet in Österreich statt, weil eine stärkere Zusammenarbeit mit osteuropäischen Ländern angestrebt ist. Darüber hinaus sind alle herzlich eingeladen, die sich für das Thema interessieren und aktiv werden möchten.

Weitere Informationen unter
http://www.liberate-diversity-graz2010.org/

Jürgen Holzapfel ist für das Europäische BürgerInnen Forum (forumcivique) aktiv
http://www.forumcivique.org/


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2010, März 2010, S. 14
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2010