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BERICHT/226: Neues aus der Blumenkampagne - Interview mit Hannah Mwesigwa (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

NEUES AUS DER BLUMENKAMPAGNE
Ich bin FIAN sehr dankbar

Interview mit Hannah Mwesigwa

Von Gertrud Falk


Vom 22. September bis zum 8. Oktober waren Hannah Mwesigwa, Arbeiterin der ugandischen Blumenfarm Wagagai und Gewerkschaftssekretärin der Uganda Horticultural and Allied Union (UHAWU) sowie Flavia Amoding von der Uganda Workers' Education Association (UWEA) auf Einladung von FIAN zu einer Vortragsreise in Europa. Gertrud Falk, Koordinatorin der Kampagne "fair flowers - Mit Blumen für Menschenrechte" bei FIAN Deutschland hat Hannah Mwesigwa zu ihren Erfahrungen als Blumenarbeiterin interviewt.


FRAGE: Hannah, seit wann arbeitest du als Blumenarbeiterin?

HANNAH MWESIGWA: Ich wurde in 2007 im Betrieb Wagagai als Gelegenheitsarbeiterin für die Ernte eingestellt. Damals war ich 22 Jahre alt. Wagagai produziert für drei verschiedene europäische Unternehmen: die deutsche Firma Selecta, Deliflor, und die niederländische Firma Bekenkamp. Für diese Unternehmen exportieren wir unterschiedliche Blumen: Osteo Spermums, Posintias und Paragoniums für Selecta. An Deliflor verkaufen wir Chrysanthemen und an Bekenkamp Begonien und Solenia.


FRAGE: Wie viele ArbeiterInnen sind auf Wagagai beschäftigt?

HANNAH MWESIGWA: Insgesamt arbeiten 1.600 ArbeiterInnen auf der Farm. Davon sind 1.000 fest angestellt und 600 sind GelegenheitsarbeiterInnen. 75 Prozent der Beschäftigten sind Frauen.

FRAGE: Wie sah dein Arbeitstag damals aus?

HANNAH MWESIGWA: Wir haben eine 48-Stunden-Woche. An sechs Wochentagen arbeiten wir acht Stunden. Um sieben Uhr in der Früh betreten wir das Firmengelände und beginnen um halb acht mit der Arbeit. Wir haben 30 Minuten Frühstückspause und eine Stunde Mittagspause. Unser Arbeitstag endet um fünf Uhr nachmittags. Ich musste an fünf Tagen ernten und am sechsten Tag das Gewächshaus aufräumen und reinigen. Meine Zuständigkeit erstreckte sich auf ein Beet.

FRAGE: Wie viel hast du damals verdient?

HANNAH MWESIGWA: Ich bekam zweitausend ugandische Schilling pro Tag. Das entspricht heute 50 Euro-Cent. Unter diesen Bedingungen habe ich für ein Jahr gearbeitet. Mein Sohn war damals noch klein und ich habe ihn meiner Mutter zur Betreuung überlassen. Mein geringer Lohn reichte gerade so aus, um mir Essen zu kaufen. Meine Eltern zahlten meine Miete und was darüber hinaus nötig war.

FRAGE: Haben sich deine Arbeitsbedingungen inzwischen verbessert?

HANNAH MWESIGWA: Aufgrund meiner harten und guten Arbeit wurde ich nach einem Jahr zu Vorarbeiterin befördert. Während der sechsmonatigen Probezeit verdiente ich weiterhin nur zweitausend ugandische Schilling pro Arbeitstag, also etwa 52.000 Schilling (17 Euro) im Monat. Nach sechs Monaten wurde mein Lohn auf 150.000 Schilling (50 Euro) monatlich angehoben.

FRAGE: Reicht dieser Lohn um dich und deinen Sohn zu versorgen?

HANNAH MWESIGWA: Er reicht nur sehr knapp. Wir können uns nur das allernötigste zum Leben Leisten. Ich bewohne eine Einraumwohnung mit Stromversorgung, aber ohne Wasseranschluss. Dafür zahle ich 40.000 Schilling (13 Euro) Miete und 10.000 Schilling (3 Euro) für den Strom pro Monat. Wasser hole ich von einem 500 Meter entfernten Wasserhahn in Kanistern. Für einen 20-Liter-Kanister muss ich 150 Schilling (5 Cent) zahlen und ich brauche jede Woche 5 Kanister. Im Monat zahle ich also 3.000 Schilling (1 Euro) für Wasser. Ich koche wie die meisten Familien hier auf einem Holzkohle-Kocher. Die Holzkohle kaufe ich in großen Säcken für 32.000 Schilling pro Sack. Mit einem Sack komme ich zweieinhalb Monate aus, so dass ich pro Monat etwa 12.000 Schilling (4 Euro) für Holzkohle kalkuliere. Insgesamt gebe ich für Lebensmittel monatlich rund 95.000 Schilling (32 Euro) aus. Kleidung kaufe nur äußerst selten. Denn ich muss von meinem Gehalt noch das Schulgeld für meinen Sohn zahlen. Weil ich mich tagsüber nicht um ihn kümmern kann, habe ich ihn in einem Internat in meiner Nähe untergebracht. Schule und Internat kosten 182.000 Schilling je Trimester, also 45.500 Schilling (12 Euro) monatlich. Dazu kommen einmal im Jahr 28.000 Schilling (9 Euro) für die Schuluniform. Wie du siehst, reichen die 150.000 Schilling Monatsgehalt dafür nicht. Ich spare dann meist am Essen. Inzwischen bin ich aber noch einmal befördert worden und bin jetzt in der Personalabteilung für die Lösung von Konflikten am Arbeitsplatz zuständig. Ich verdiene jetzt 177.000 Schilling (56 Euro). Davon zahle ich allerdings 11.000 Schilling Steuern und 9.000 Schilling Sozialversicherung (insgesamt 6,50 Euro).

FRAGE: Was sind die größten Probleme am Arbeitsplatz für die ArbeiterInnen von Wagagal?

HANNAH MWESIGWA: Neben den zu niedrigen Löhnen machen uns die Pestizide am meisten zu schaffen. Wir werden nicht über deren Giftigkeit aufgeklärt. Unsere Geschäftsführung bemüht sich zwar inzwischen darum, die Pestizidsprüher mit ausreichender Schutzkleidung auszustatten, aber für bestimmte Chemikalien haben sie beispielsweise noch nicht die geeigneten Filter für die Atemmasken gefunden. Das Handbuch zum Umgang mit Pestiziden, dass FIAN mit der Uganda Workers' Association (UWEA) erstellt hat, ist uns eine große Hilfe, aber das alleine reicht nicht. Wir brauchen mehr Schulungen. Mit der Liste der im Internationalen Verhaltenskodex für sozial- und umweltgerechte Blumenproduktion verbotenen Pestizide, die du mir gegeben hast, werde ich nach meiner Rückkehr in unserem Chemikalienlager die Pestizide durchsehen.
Für uns Frauen gibt es noch ein weiteres großes Problem: die fehlenden Fahrtmöglichkeiten von der Farm nach Hause. Wenn wir Überstunden machen müssen, kommen vor allem die Arbeiterinnen, die in der Sortierhalle arbeiten, oft erst im Dunkeln nach Hause. Der Weg von der Farm ist nicht beleuchtet. Es kommt immer wieder zu Überfällen und Vergewaltigungen.

FRAGE: Weiß die Geschäftsführung davon?

HANNAH MWESIGWA: Ja. Sie hat unter anderem als Reaktion darauf ein Fahrradprogramm eingeführt. Alle Arbeiterinnen und Arbeiter können jetzt über den Betrieb ein Fahrrad kaufen und die Kosten in Raten abbezahlen. Diese behält der Betrieb dann vom Lohn ein. Leider hilft dieses Programm aber den meisten Arbeiterinnen nicht. Denn in der Tradition der Buganda (zahlenmäßig größtes Volk in Uganda, Anmerkung der Redaktion) fahren Frauen kein Fahrrad. Dieses Programm wird daher vor allem von meinen männlichen Kollegen genutzt. Die Zahl der Vergewaltigungen auf dem Nachhauseweg hat sich dadurch aber nicht verringert.

FRAGE: Habt ihr das der Geschäftsführung vorgetragen?

HANNAH MWESIGWA: Ja, wir fordern, dass der Betrieb einen Doppeldecker-Bus anschafft. Das ist der Geschäftsführung bisher aber zu teuer. Sie überlegt nun, die Arbeiterinnen bei Dunkelheit vom Sicherheitspersonal nach Hause begleiten zu lassen.

FRAGE: Hannah, du bist Vertreterin von der Uganda Horticultural and Allied Workers Union (UHAWU), der noch jungen Gewerkschaft der ArbeiterInnen im ugandischen Gartenbau. Hast du dadurch Nachteile in der Firma?

HANNAH MWESIGWA: Ich wurde anfangs gezielt vom Personalchef benachteiligt. So wurde beispielsweise im Unterschied zu meinen Kolleginnen mein Gehalt nicht angehoben. Ich habe mich dadurch aber nicht einschüchtern lassen und habe auch weiterhin zuverlässig gearbeitet. Das hat wiederum den Direktor von Wagagai beeindruckt. Er nimmt mich ernst und unterstützt mich seitdem, wenn ich Konflikte mit dem Personalchef habe. Ich kann Probleme auf der Farm offen bei ihm ansprechen. Das erleichtert auch meine derzeitige Arbeit in der Personlabteilung.

FRAGE: Hatte deine Vortragsreise durch Europa im Rahmen der Kampagne "fair flowers - Mit Blumen für Menschenrechte" Folgen für dich am Arbeitsplatz?

HANNAH MWESIGWA: Die Reise war interessant und hilfreich für mich und ich bin FIAN sehr dankbar für die Einladung. FIAN hatte ja für mich unter anderem einen Besuch bei der DEG (Deutsche Entwicklungsgesellschaft; privatwirtschaftlicher Arm der Kreditanstalt für Wiederaufbau; Anmerkung der Redaktion) organisiert. Diese hat unserem Direktor einen Bericht über das Gespräch geschickt. Darin ist das Problem der unzureichenden Fahrtmöglichkeiten für die Arbeiterinnen angesprochen. Denn es war eine Auflagen der DEG an Wagagai, für ausreichende Fahrtmöglichkeiten zu sorgen. Ich denke, dass unser Direktor der Lösung des Problems jetzt mehr Bedeutung beimisst.
Darüber hinaus kann ich die Materialien, die ich von FIAN bekommen habe, sehr gut verwenden. Insbesondere die Liste der besonders giftigen Pestizide des Internationalen Verhaltenskodex für sozial- und umweltgerechte Blumenproduktion wird mir eine große Hilfe sein. Damit werde ich die Pestizide, die Wagagai verwendet, durchsehen. Ich habe den Kodex und die Liste auch dem Farmdirektor gezeigt. Er kannte beides auch nicht und hat mich gebeten, die Liste für alle Pestizidsprüher zu kopieren.
Die große Solidarität der vielen Menschen, die zu unseren Veranstaltungen gekommen ist, hat mich sehr ermutigt. Es ist gut zu wissen, dass unsere Bemühungen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Europa unterstützt werden. Insbesondere das Gespräch mit Heide Rühle, Mitglied des europäischen Parlaments, hat mich sehr beeindruckt.
Und nicht zuletzt eure Arbeitsweise bei euren Besprechungen hat mir sehr gut gefallen. Alle dürfen gleichberechtigt mit diskutieren. Jede übernimmt mal die Gesprächsleitung oder einen Vortrag. Die Atmosphäre war sehr offen und konstruktiv. Ich habe mich schnell als Teil der Gruppe gefühlt.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte,
Nr. 3/2010, November 2010, S. 20-21
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2011